EU-Lieferkettengesetz: Entwicklungspolitischer Dachverband über Beschluss erleichtert, aber nicht in Jubelstimmung

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Als Dachverband von 36 österreichischen NGOs der internationalen Entwicklung und Humanitären Hilfe sind wir erleichtert, dass die Ständigen Vertreter*innen der EU-Mitgliedstaaten heute dem EU- Lieferkettengesetz zugestimmt haben. Jubelstimmung kommt allerdings nicht auf: Einerseits ist es demokratiepolitisch äußert bedenklich, dass ein längst von EU-Parlament und Rat ausverhandeltes Gesetz zum Spielball von Wirtschaftsinteressen wird und erst nach einem Monat Säbelrasseln in stark verwässerter Version die notwendige Mehrheit findet. Andererseits schmerzt es, dass das Gesetz lediglich für jene in der EU agierenden Unternehmen gelten wird, die mindestens 1.000 Mitarbeiter*innen und einen Jahresumsatz von 450 Mio. Euro haben.

Dass Österreich dem Gesetz nicht zustimmte, kommt einem Kniefall vor Wirtschaftsvertreter*innen gleich, obwohl auch von der zuvor ausgehandelten Version nur relativ wenige österreichische Unternehmen tatsächlich direkt betroffen gewesen wären. Das ist sehr bedauerlich, da sich die österreichische Zivilgesellschaft in den letzten Jahren gut in den Konsultationsprozess einbringen und aufzeigen konnte, wie das Gesetz zum Beispiel zu sicheren und fairen Arbeitsbedingungen im Bergbau, in der Textilbranche und Landwirtschaft sowie zu einem massiven Rückgang der Zwangs- und Kinderarbeit beitragen kann.

In der heute beschlossenen Form werten wir das Lieferkettengesetz dennoch als einen ersten wichtigen Schritt der EU-Staaten, über ihre Grenzen hinweg Menschenrechte, Umwelt und Klima zu schützen. Daher werden wir uns in Zukunft für Nachschärfungen einsetzen.

Lukas Wank
Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung

Guter Rat: Entwicklungspolitik in Rückverteilungsdebatte berücksichtigen

Briefpapier der AG Globale Verantwortung

Der Gute Rat für Rückverteilung ist eine Initiative der österreichischen Millionenerbin Marlene Engelhorn und eines 16-köpfigen Teams. 50 zufällig ausgewählte Menschen aus Österreich kommen am 16. März 2024 erstmals zusammen, um darüber zu entscheiden, wie sie 25 Mio. Euro aus Engelhorns Erbe umverteilen möchten. Die Erbin setzt sich seit Jahren für eine höhere Besteuerung reicher Menschen in Österreich und eine faire Vermögensverteilung ein.

In Zeiten sich gegenseitig verstärkender multipler Krisen – Konflikte und Kriege, Klimakrise, Gesundheits- und Schuldenkrisen, zunehmenden Hunger und steigender Armut – ist es verhängnisvoll, dass wohlhabende Staaten wie Österreich ihrer internationalen Verpflichtung nicht umfänglich nachkommen, zu einem menschenwürdigen Leben für alle auf einem gesunden Planeten beizutragen. Der Wohlstand und Frieden unseres Landes beruhen auf internationaler Zusammenarbeit und verbindlichen Abkommen, weshalb Österreich ein immenses Interesse an der Stabilisierung der globalen Situation haben sollte.

Konkret schlagen wir dem Guten Rat vor, eine Vorreiterrolle in Sachen globaler Verantwortung zu übernehmen und 0,7% der zur Verfügung stehenden 25 Mio. Euro in Länder des Globalen Südens umzuverteilen. Bereits 1971 einigten sich die OECD-Staaten auf dieses Ziel, das Österreich in über 50 Jahren noch nie erreicht hat. Des Weiteren kommt Österreich nicht der Auflage nach, davon 0,2% in den ärmsten Ländern der Welt umzusetzen. Daher könnte der Gute Rat ein besonderes Zeichen setzen, indem er diese Auflage berücksichtigt.


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Guter Rat für Rückverteilung

Europäische Antworten auf globale Krisen

Die Europäische Union zählt zu den weltweit wichtigsten Akteur*innen der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe. Ihr Engagement wirkt sich direkt auf das Leben von Menschen in der ganzen Welt aus. Es ist daher von entscheidender Bedeutung, dass die EU kohärente Politiken verfolgt, ausreichend finanzielle Mittel bereitstellt und eng mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeitet, um gerechte und nachhaltige Entwicklung zu fördern. Angesichts der drängenden Krisen, von denen insbesondere Menschen im Globalen Süden betroffen sind, sollte es für die EU oberste Priorität haben, sich in Bereichen wie Armut, Hunger und Bildung, sondern auch den Schutz des Klimas, der Menschenrechte und des Friedens einzusetzen und damit einen aktiven Beitrag zu globaler Gerechtigkeit und Stabilität zu leisten.

Vor diesem Hintergrund verfolgen wir mit großem Interesse die entwicklungspolitischen Vorschläge der wahlwerbenden Parteien, über die wir an geeigneter Stelle auch öffentlich informieren werden.

Wir fordern die künftigen österreichischen Abgeordneten zum Europäischen Parlament (MEPs) dazu auf, eine zukunftsorientierte Entwicklungspolitik der EU mitzugestalten, und machen im Folgenden konkrete Vorschläge, wie dies gelingen kann. Das Ziel ist es Wert: Ein globales Europa, dass für Demokratie, Rechtstaatlichkeit, Menschenrechte und ein Leben in Würde eintritt.


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Runder Tisch „Prinzipientreue Humanitäre Hilfe“

Inputs gaben Masomah Regl (Fivestones) und Marcus Bachmann (Ärzte ohne Grenzen), die ihre persönlichen Erfahrungen mit Humanitärer Hilfe schilderten. Sie machten deutlich, dass der Zugang von humanitären Helfer*innen zu Menschen in Not davon abhängt, ob die humanitären Prinzipien eingehalten werden – insbesondere die damit einhergehende strikte Trennung von Politik und Hilfsleistungen.

© AG Globale Verantwortung
Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, eröffnete den Runden Tisch. © Globale Verantwortung
Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, eröffnete den Runden Tisch. © Globale Verantwortung
Moderatorin Ruth Picker leitete durch die Veranstaltung. © Globale Verantwortung
Moderatorin Ruth Picker leitete durch die Veranstaltung. © Globale Verantwortung
Marcus Bachmann (Ärzte ohne Grenzen), berichtete beim Runden Tisch von seinem letzten humanitären Einsatz im Niger. © Globale Verantwortung
Marcus Bachmann (Ärzte ohne Grenzen), berichtete beim Runden Tisch von seinem letzten humanitären Einsatz im Niger. © Globale Verantwortung
Masomah Regl (Fivestones), erzählte beim Runden Tisch von ihren Erfahrungen, die sie als Kind als Empfängerin von Humanitärer Hilfe machte. © Globale Verantwortung
Masomah Regl (Fivestones), erzählte beim Runden Tisch von ihren Erfahrungen, die sie als Kind als Empfängerin von Humanitärer Hilfe machte. © Globale Verantwortung
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Nachlese (11.03.2024): Runder Tisch „Prinzipientreue Humanitäre Hilfe“

Zugang zu Menschen ist Voraussetzung für Österreichs Humanitäre Hilfe in Gaza

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„Es ist erfreulich, dass der Ministerrat heute beschlossen hat, 10 Mio. Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds für notleidende Menschen im Gazastreifen bereitzustellen. Doch ohne eine Waffenruhe können diese Mittel derzeit nicht die Wirkung erzielen, für die sie bestimmt sind. Der Stopp aller Kampfhandlungen ist Voraussetzung, damit humanitäre Organisationen zu jenen Menschen vordringen können, die jetzt Humanitäre Hilfe brauchen“, ist Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, besorgt.

Die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung des Gazastreifens – eine Region so groß wie Bratislava – sei vor den Kampfhandlungen in den Süden geflüchtet, berichtet Wank. Die Stadt Rafah zähle nun sechs Mal so viele Einwohner*innen wie vor dem Krieg. Über zwei Millionen Menschen, davon die Hälfte Kinder, leiden täglich Hunger, leben unter menschenunwürdigen Bedingungen und können sich kaum vor Krankheiten schützen.

„Die fortschreitenden Kampfhandlungen ohne gesicherten Zugang zur notleidenden Bevölkerung sind letztlich eine Verletzung des Humanitären Imperativs, der besagt, allen Menschen Humanitäre Hilfe zu ermöglichen, die sie benötigen. Daher appellieren wir an die österreichische Bundesregierung, sich entschieden für eine Waffenruhe einzusetzen. Nur dann können IKRK, UNICEF und WHO – die die 10 Mio. Euro aus Österreich erhalten sollen – tatsächlich die Menschen medizinisch versorgen und ihnen Lebensmittel, Trinkwasser und weitere dringend benötigte Hilfsgüter liefern“, plädiert Wank für den verstärkten Einsatz österreichischer Diplomatie.

(hh)

Zivilgesellschaft trägt zu faktenbasierter Debatte über EU-Lieferkettengesetz bei

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„Zum Start des Superwahljahres zeigt sich, wie verbreitet ein profitmaximierendes Wirtschaftsverständnis ist, das Zwangs- und Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Raubbau begünstigt. Um europäischen Unternehmen endlich ein zukunftsweisendes nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen, ist der Wirtschaftsminister jetzt gefragt, den erzielten Kompromiss für das Gesetz zu unterstützen.“

Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung

„Letzte Woche schlug Wirtschaftsminister Martin Kocher eine Änderung für die EU-Richtlinie zur Sorgfaltspflicht von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit vor, die präventive Maßnahmen vermissen lässt und Menschenrechtsverletzungen sowie Umweltschäden weiterhin in Kauf nehmen würde. Dieser Vorschlag führt die titelgebenden Sorgfaltspflichten ad absurdum – ganz abgesehen davon, dass der Minister einen solchen Vorschlag im Erstellungsprozess nie eingebracht hatte“, kommentiert Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, die aktuelle Lieferkettengesetz-Debatte in Österreich.

Faktencheck bestätigt fairen Wettbewerb und verbesserte Lebensrealität für Menschen im Globalen Süden

„Auch Europa- und Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, deren Einsatz  für die Agenda 2030 bekannt ist, beteiligte sich an der Debatte und warnte vor einem möglichen Rückgang des Handels mit Europa. Dabei hat eine österreichische Studie längst gezeigt, dass genügend Unternehmen auftretende Lücken schließen würden, sollten sich vereinzelte Unternehmen aus Ländern des Globalen Südens zurückziehen“, erklärt Wank und ergänzt, dass es für europäische Unternehmen trotz einzuhaltender Menschenrechts- und Umweltstandards weiterhin günstiger sei, in diesen Ländern zu produzieren. Anders als von der Ministerin behauptet, trage das Gesetz zu einem fairen Wettbewerb sowie zu einer verbesserten Lebensrealität von Menschen im Globalen Süden bei.

„Zum Start des Superwahljahres zeigt sich, wie verbreitet ein profitmaximierendes Wirtschaftsverständnis ist, das Zwangs- und Kinderarbeit, Umweltverschmutzung und Raubbau begünstigt. Um europäischen Unternehmen endlich ein zukunftsweisendes nachhaltiges Wirtschaften zu ermöglichen, ist der Wirtschaftsminister jetzt gefragt, den erzielten Kompromiss für das Gesetz zu unterstützen“, appelliert Wank abschließend.

Die derzeitige Debatte macht deutlich, dass es Klärung rund um das EU-Lieferkettengesetz und faktenbasierte Beiträge dazu braucht. Die zivilgesellschaftliche Kampagne Menschenrechte brauchen Gesetze lädt daher heute (14.02.2024, 9:00 Uhr) zu einem Online-Pressegespräch mit Expert*innen und hat einen Faktencheck veröffentlicht.

(hh)

Pressestimmen 2024

15.03.2024, APA News: EU-Staaten gaben grünes Licht für Lieferkettengesetz
15.03.2024, Kathpress: Dreikönigsaktion enttäuscht über „verwässertes Lieferkettengesetz“
15.03.2024, Newsbusiness.at: EU-Staaten gaben grünes Licht für Lieferkettengesetz
15.03.2024, News.at: EU-Staaten gaben grünes Licht für Lieferkettengesetz
15.03.2024, Salzburger Nachrichten: EU-Staaten gaben grünes Licht für Lieferkettengesetz
15.03.2024, Vol.at: EU-Staaten gaben grünes Licht für Lieferkettengesetz
Berichterstattung über die Abstimmung der Ständigen Vertreter*innen der EU-Staaten, die mehrheitlich für das EU-Lieferkettengesetz stimmten (siehe Stellungnahme, 15.03.2024).

28.02.2024, Peace Matters: Humanitäre Hilfe und Außenpolitik in Zeiten von Krieg
In einer Folge des (Video-)Podcasts des International Institute for Peace (IIP) sprachen Lukas Wank und die Nationalratsabgeordnete Petra Bayr über Humanitäre Hilfe und Außenpolitik in Zeiten globaler Krisen.

20.02.2024, Ö1 (Punkt eins): Humanitäre Hilfe – für wen?
Der Hinweis zur Sendung zitiert die Kritik der AG Globale Verantwortung, dass Ausgaben als öffentliche Entwicklungshilfeleistung gerechnet werden, die nicht direkt zu nachhaltiger Entwicklung in Ländern des Globalen Südens beitragen.

14.02.2024, Factory: Experten kritisieren Zögern bei EU-Lieferkettengesetz
14.02.2024, Industrie-Magazin: EU-Lieferkettengesetz: Experten kritisieren Vertagung der Abstimmung
14.02.2024, Katholisch.at: NGOs: EU-Lieferkettengesetz gegen Preis- und Lohndumping
14.02.2024, Kathpress: NGOs: EU-Lieferkettengesetz gegen Preis- und Lohndumping
14.02.2024, Vol.at: Fachleute fordern Einigung beim EU-Lieferkettengesetz
Berichterstattung infolge eines Online-Pressegesprächs mit Expert*innen über das EU-Lieferkettengesetz. Die zivilgesellschaftliche Kampagne Menschenrechte brauchen Gesetze lud zu dem Gespräch, da die Lieferkettengesetz-Debatte in Österreich deutlich machte, dass es Klärung und faktenbasierte Beiträge braucht (siehe Presseaussendung, 14.02.2024).

09.02.2024, ORF.at: EU-Abstimmung als Zitterpartie
08.02.2024, ORF.at: Unmut über geplante Enthaltung Kochers
07.02.2024, Kathpress: Bischöfe appellieren an Politik für „Ja“ zum Lieferkettengesetz
07.02.2024, Kleine Zeitung: Lieferkettengesetz: Kocher will sich bei Abstimmung enthalten, Koalition uneins
07.02.2024, ORF.at: Kocher will sich enthalten
07.02.2024, Vatican News: Österreich: Für ein „Ja“ zum Lieferkettengesetz
06.02.2024, Kronen Zeitung: Schwarz-Blau fordert Veto gegen Lieferkettengesetz
06.02.2024, ORF.at: Lieferkettengesetz: Deutschland will nicht mitstimmen
05.02.2024, Kathpress: Jungschar appelliert an Kocher: Ja zum EU-Lieferkettengesetz!
05.02.2024, ORF.at: Jungschar appelliert: Ja zum EU-Lieferkettengesetz
Berichterstattung über das EU-Lieferkettengesetz greift Appell der AG Globale Verantwortung an Wirtschaftsminister Kocher, das Verhandlungsverfahren zu respektieren und den erzielten Kompromiss bei der bevorstehenden finalen Abstimmung zu unterstützen, auf (siehe Presseaussendung 05.02.2024).

06.02.2024, Welt-Sichten: Gemischte Bilanz bei den Nachhaltigkeitszielen
Online-Artikel über Österreichs Umsetzung der Agenda 2030, für den Geschäftsführer Lukas Wank die globale Perspektive einbrachte.

Ja zu Lieferkettengesetz für Glaubwürdigkeit der EU-Staaten essenziell

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„Österreich und die anderen Mitgliedstaaten sollten das Lieferkettengesetz als historischen Wendepunkt begreifen, um sich vor der Wahl im Juni als verlässliche Unterstützer der Menschenrechte, des Klima- und Umweltschutzes sowie der Demokratie zu positionieren. Eine Ablehnung aus vermeintlich wirtschaftlichen Interessen würde langfristig ihrer Glaubwürdigkeit schaden.“

Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung

„Sollten die EU-Mitgliedstaaten am 9. Februar der finalen Version des EU-Lieferkettengesetzes nicht zustimmen oder sich ihrer Stimme enthalten, stellt das eine Belastungsprobe für die Demokratie dar. Üblicherweise gilt ihre Zustimmung als reine Formalität, da sich Rat und Parlament zuvor nach jahrelangen Verhandlungen auf einen Kompromiss geeinigt hatten. Dass dieser nun infrage gestellt wird, untergräbt die demokratischen Gesetzgebungsprozesse der EU und schadet ihrer Glaubwürdigkeit“, ist Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung, besorgt. Das Lieferkettengesetz würde Unternehmen verpflichten, entlang ihrer Lieferketten die Verletzung von Menschenrechten sowie Umweltstandards zu vermeiden und einen Beitrag zum Klimaschutz zu leisten.

„Grund zur Sorge ist die unklare Position Deutschlands“, so Wank weiter. Mitte Jänner kündigte die FDP an, das Gesetz mit dem offiziellen Titel Richtlinie über die Sorgfaltspflichten von Unternehmen im Hinblick auf Nachhaltigkeit stoppen zu wollen. Aber auch Österreichs Wirtschaftsminister Martin Kocher, der hierzulande gemeinsam mit Justizministerin Alma Zadić für das Gesetz verantwortlich ist, hat bisher keine klare Position zum finalen Gesetzestext eingenommen. „Diese legt die Bundesregierung in dieser Woche fest. Daher appellieren wir an Bundesminister Kocher, das Verhandlungsverfahren zu respektieren und den erzielten Kompromiss bei der bevorstehenden finalen Abstimmung zu unterstützen. Für die essenziellen Anliegen des Gesetzes wäre eine Enthaltung gleichermaßen fatal wie eine Gegenstimme“.

Lieferkettengesetz ist historischer Wendepunkt

Die Berücksichtigung des Finanzsektors, ein früherer Kritikpunkt von Minister Kocher, komme in der finalen Version nur noch in stark abgeschwächter Form vor, ergänzt Wank. „Der Zustimmung von Minister Kocher steht daher nichts im Weg. Im Gegenteil: Österreich und die anderen Mitgliedstaaten sollten das Lieferkettengesetz als historischen Wendepunkt begreifen, um sich vor der Wahl im Juni als verlässliche Unterstützer der Menschenrechte, des Klima- und Umweltschutzes sowie der Demokratie zu positionieren. Eine Ablehnung aus vermeintlich wirtschaftlichen Interessen würde langfristig ihrer Glaubwürdigkeit schaden“, warnt Wank und betont abschließend: „Indem das Gesetz für faire Wettbewerbsbedingungen sorgt, würde es tatsächlich einen Wettbewerbsvorteil für zahlreiche heimische Wirtschaftstreibende, die häufig als Aushängeschild für Österreichs Nachhaltigkeit dienen, schaffen.“

(hh)

Zivilgesellschaft beleuchtet Umsetzung von Empfehlungen, die Österreich bei dritter Menschenrechtsprüfung erhielt

Bei der Universellen Menschenrechtsprüfung (Universal Periodic Review, UPR) beurteilen UN-Mitgliedsstaaten in einem Peer-Prozess vor dem UN-Menschenrechtsrat, ob und wie ein Staat Menschenrechte einhält und geben Empfehlungen für Verbesserungen ab. Um diese umzusetzen, hat ein überprüfter Staat rund fünf Jahre Zeit. Unter den Empfehlungen, die Österreich im dritten Zyklus des UPR im Jahr 2021 erhielt,  waren auch solche, die für entwicklungspolitische Ziele Bedeutung haben.

Zu Österreichs Halbzeit führt der UN-Menschenrechtsrat nun einen Mid-Term Review durch. Im November brachten zivilgesellschaftliche Organisationen eine Stellungnahme unter Koordinierung der Liga für Menschenrechte mit erneuten Umsetzungsvorschlägen ein, etwa einen Nationalen Aktionsplan für Menschenrechte zu erstellen. Die AG Globale Verantwortung teilte zu den folgenden Empfehlungen ihre Einschätzung:

Empfehlung an ÖsterreichUnsere Einschätzung zur Umsetzung
0,7% des Bruttonationaleinkommens für die öffentliche Entwicklungshilfeleistungen auszugeben.Punktuelle und zu begrüßende Fortschritte bei Humanitärer Hilfe, direkten Projektmitteln und klimarelevanten Projekten.

Temporärer Anstieg auf 0,39% (2022) aufgrund zusätzlicher Mittel für Geflüchtete aus der Ukraine, aber kein substanzieller Anstieg der österreichischen ODA-Quote in Richtung 0,7%.

Dafür ist ein verbindlicher Stufenplan nötig.
Mittel für Programme der Entwicklungszusammenarbeit zu erhöhen, die zu Geschlechtergerechtigkeit beitragen.Direkte Projekthilfe der Austrian Development Agency: Anteil der Programme, die Geschlechtergerechtigkeit konkret fördern, lag 2021 bei 14%. Anteil jener, die dies generell fördern, bei 74%.

Gesamte bilaterale Entwicklungshilfe aller öffentlicher Akteur*innen: 2021 trugen nur 32% zu Geschlechtergerechtigkeit bei. Der Anteil sollte erhöht werden.

Anforderungen an Projekte und deren Umsetzbarkeit sollten in Zukunft verstärkt mit Nichtregierungsorganisationen diskutiert werden.
Einen zweigleisigen Ansatz (Twin-track Approach) für die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in der Entwicklungszusammenarbeit anzuwenden (also deren Inklusion in allen Projekten mitzudenken und in spezifischen Projekten zu fördern).Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2022 bis 2024 enthält dazu wichtige erste Schritte.

Es gilt nun, die Umsetzung in der Praxis sicherzustellen.

Der inklusive Ansatz soll bei der Erarbeitung des Dreijahresprogramms 2025 bis 2027 weitergeführt werden.
Ein Gesetz zu verabschieden, das die Aktivitäten transnationaler Unternehmen unter Anwendung eines Menschenrechtsansatzes reguliert.Guter Konsultationsprozess in Österreich bei Verhandlung des EU-Lieferkettengesetzes.

Einbeziehung der Stakeholder*innen auch bei künftiger Umsetzung wichtig.

Für wirksamen Schutz von Menschenrechten und Umwelt sind zivilrechtliche Haftung, Sanktionen durch Behörden und ein Rechtszugang für Betroffene von Rechtverletzungen wichtig.

Links

(sv)

Globale Stimmen für Menschenrechte

Anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Wiener Weltmenschenrechtskonferenz machen wir die wichtige, oft sogar lebensrettende Menschenrechtsarbeit unserer Mitgliedsorganisation in dieser Broschüre sichtbar. Anhand ausgewählter Menschenrechte präsentieren wir elf Projekte unserer Mitglieder, die zeigen, dass Menschenrechte überall und unabhängig von lokalen Herausforderungen zu verwirklichen und grundlegend für das Erreichen der nachhaltigen Entwicklungsziele sind.

Auf unserem Online-Themenkanal Globale Stimmen für Menschenrechte erheben Menschenrechtsverteidiger*innen ihre Stimme für Menschenrechte und ebnen den Weg für nachhaltige Entwicklung mit der Botschaft: Let’s build development on human rights!

EU-Lieferkettengesetz: Lichtblick für den Schutz der Menschenrechte

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„Damit diese Menschen eine Chance auf einen angemessenen Lebensstandard und ein Leben in Würde haben, sind die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten gefragt, ein für alle Mal sicherzustellen, dass ihre Wirtschafts-, Handels- und Finanzpolitik weltweit zu nachhaltiger Entwicklung beiträgt und sie nicht behindert. Das EU-Lieferkettengesetz ist in dieser Hinsicht ein echter Meilenstein, enthält es zum Beispiel eine zivilrechtliche Haftung.“

Lukas Wank, Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung

„Die politische Einigung auf ein EU-Lieferkettengesetz zwischen Europäischem Rat und Parlament in der letzten Nacht ist ein Lichtblick für Millionen Arbeiter*innen auf der Welt, deren Menschenrechte tagtäglich entlang der Wertschöpfungsketten international agierender Unternehmen verletzt werden. Auch Umweltverschmutzungen, die große Unternehmen verursachen, wird das Gesetz künftig einen Riegel vorschieben“, begrüßt Lukas Wank das Ergebnis der zu Ende gegangenen Verhandlungen.

Enthaltene zivilrechtliche Haftung ermöglicht es Betroffenen, Unternehmen zu klagen

Der Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung verweist auf die verheerende Situation der bis zu 783 Mio. Menschen, die zuletzt an Hunger litten. Nach Angaben des UN-Entwicklungsprogramms gelten über eine Milliarde Menschen als multidimensional arm und laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO) verrichteten zuletzt 27,6 Millionen Zwangsarbeit. 160 Mio. Kinder arbeiten regelmäßig mehrere Stunden täglich, davon 79 Millionen unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen.

„Damit diese Menschen eine Chance auf einen angemessenen Lebensstandard und ein Leben in Würde haben, sind die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten gefragt, ein für alle Mal sicherzustellen, dass ihre Wirtschafts-, Handels- und Finanzpolitik weltweit zu nachhaltiger Entwicklung beiträgt und sie nicht behindert. Das EU-Lieferkettengesetz ist in dieser Hinsicht ein echter Meilenstein, enthält es zum Beispiel eine zivilrechtliche Haftung. Diese wird es Betroffenen ermöglichen, Entschädigungen einzuklagen, und internationale Konzerne dazu verpflichten, international Verantwortung zu übernehmen“, hebt Wank hervor.

Der Geschäftsführer des entwicklungspolitischen Dachverbands bedauere allerdings, dass das Gesetz weiterhin Schlupflöcher aufweist. So sehe es weitreichende Ausnahmen für den Finanzsektor vor und die zivilrechtliche Haftung erfasse die schwach ausgefallenen Klimaschutzmaßnahmen nicht. Europäischer Rat und EU-Parlament werden voraussichtlich im März 2024 über den Gesetzestext abstimmen.

Abschließend richtet sich Wank an die österreichische Bundesregierung: „Für die EU und ihre Mitgliedstaaten bleibt also viel zu tun, wollen sie tatsächlich allen Menschen ein menschenwürdiges Leben auf einem gesunden Planeten ermöglichen. Vor allem auch in Anbetracht der entwicklungspolitischen Mittel, denen der Europäische Rat mit Kürzungen droht. Daher wollen wir die österreichische Regierung bei einer engagierten Umsetzung des EU-Lieferkettengesetzes unterstützen und dazu anregen, dabei die verbleibenden Schlupflöcher zu stopfen. Das ist zum Vorteil der zahlreichen österreichischen Unternehmen, die in ihren globalen Handels- und Lieferketten bereits auf Nachhaltigkeit setzen und Aushängeschild der heimischen Wirtschaft sind.“

(hh)

AidWatch Report 2023: Die ODA-Inflationsblase platzen lassen

AidWatch Report 2023: „Bursting the ODA inflation bubble“ © CONCORD

CONCORD, der Dachverband europäischer entwicklungspolitischer Nichtregierungs-organisationen, präsentierte im Oktober seinen AidWatch Report 2023 mit Titel Bursting the ODA inflation bubble, der die Qualität und Quantität der Entwicklungsleistungen (Official Development Assistance, ODA) der Mitgliedsstaaten der Europäischen Union sowie des Vereinigten Königreichs beleuchtet. Die vorläufigen Daten für 2022, die im Frühling veröffentlicht und Ende 2023 bestätigt werden, bezieht der europäische Dachverband von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD).

ODA der EU erreicht Höchstwert und ist dennoch weit vom 0,7%-Ziel entfernt

2022 machten die Kosten für die Unterbringung von Geflüchteten im eigenen Land 16,8% der ODA der EU-Staaten aus. © CONCORD

Im Jahr 2022 stellten die EU-Staaten 0,59% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) bzw. 84 Mrd. Euro für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen zur Verfügung, was einem realen Anstieg von 19% im Vergleich zu 2021 entspricht. Zwar liegt auch diese ODA-Quote noch weit unter den international vereinbarten 0,7% des BNE, dennoch erreichten die EU-Staaten damit ihren historischen Höchstwert. Österreich erhöhte seine ODA immerhin von 0,31% (2021) auf 0,39% des BNE.

Jedoch hängen die hohen ODA-Zahlen vor allem mit dem Einmarsch Russlands in die Ukraine zusammen: Der Fokus der internationalen Zusammenarbeit verlagerte sich im Jahr 2022 auf die finanzielle Unterstützung für die Ukraine und auf Sicherheitsfragen. Beispielsweise wendeten OECD-Staaten mehr als 13,9 Mrd. Euro für die Unterbringung und Versorgung von Schutzsuchenden aus der Ukraine auf.

27,6% von Österreichs Entwicklungshilfeleistungen 2022 galten als überhöhte ODA. © CONCORD

Die Miteinbeziehung dieser Mittel würde abermals zu einer Inflated ODA beitragen – einer überhöhten Entwicklungshilfe, die die Autor*innen des AidWatch Reports auch schon in früheren Jahren kritisierten. Erfüllten 16,7% der für das 2021 gemeldeten Leistungen nicht die grundlegenden Kriterien der OECD, waren es 2022 schon 22%. Dazu zählen Leistungen, die nicht die wirtschaftliche Entwicklung und den Wohlstand innerhalb der Partnerländer fördern. Österreichs überhöhte Hilfe machte 2022 sogar 27,6% seiner ODA aus. CONCORD fordert, dass OECD-Staaten ihre Unterstützung für die Ukraine zusätzlich zu bisherigen Vereinbarungen leisten, um angemessen auf andere weltweite Herausforderungen reagieren zu können.

Darüber hinaus kritisiert der europäische Dachverband, dass die Zuweisung öffentlicher Entwicklungshilfeleistungen zahlreicher Geberländer immer noch von innen- und geopolitischen Interessen geleitet sei. Wie in den Jahren zuvor spricht er sich für qualitativ hochwertigere sowie besser finanzierte Entwicklungshilfeleistungen aus.

Wie die EU gegen eine überhöhte ODA vorgehen sollte

Die Empfehlungen von CONCORD an die Europäische Union setzen auf zwei Ebenen an. Um die ODA-Inflationsblase platzen zu lassen, sollten die Europäische Kommission und die Regierungen der EU-Mitgliedsstaaten …

  • die ODA reformieren und bestimmte Ausgaben, die nicht zu nachhaltiger Entwicklung in den Partnerländern beitragen, künftig nicht mehr in die ODA einrechnen. Zum Beispiel Kosten für Geflüchtete im eigenen Land, Studiengebühren für Studierende aus dem Ausland, Schuldenerlässe und Kreditzinsen.
  • ihre Anstrengungen verstärken, um das 0,7%-Ziel bis 2030 zu erreichen.
  • transparenter in der Berichterstattung über privatwirtschaftliche Instrumente sein.

Um einen größeren Beitrag zur wirtschaftlichen Entwicklung und zum Wohlstand der Länder zu leisten, sollten die Europäische Kommission und die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten …

  • sich ausdrücklich dazu verpflichten, Ungleichheiten in den Partnerländern zu verringern, beispielsweise indem sie vorhandene, passende Instrumente nutzen.
  • sicherstellen, dass die geografische Verteilung der ODA den Bedürfnissen und Zielen der Partnerländer und nicht den internen Prioritäten des Geberlandes bzw. der EU entspricht.
  • Frauenrechtsorganisationen finanziell besser unterstützen, insbesondere durch direkte, langfristige und flexible Finanzierung.
  • die Unterstützung für zivilgesellschaftliche Organisationen (CSO) erhöhen, wobei der Schwerpunkt auf CSOs in den Partnerländern liegen sollte.

(pk)


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Allianz für Klimagerechtigkeit zu COP28: Fossile Abkehr endlich besiegelt

Die notwendige Unterstützung für besonders von der Erderhitzung betroffene und geschädigte Menschen wird anerkannt, reicht jedoch bei weitem noch nicht für die Herausforderungen der kommenden Jahrzehnte. Die Ziele für Anpassungsmaßnahmen bleiben zahnlos.

Kernaufgabe Ende der fossilen Energieträger benannt, Ausstiegsplan fehlt

Kernstück der diesjährigen internationalen Klimakonferenz in Dubai (COP28) ist die Entscheidung zur „Globalen Bestandsaufnahme“ (Global Stocktake). Darin werden die Staaten aufgerufen, zum „Übergang weg von fossilen Energieträgern“ beizutragen. Gemäß der Verhandlungslogik von UNO-Klimakonferenzen ist das als wesentlicher Fortschritt zu werten, da zum ersten Mal überhaupt fossile Energieträger – die Hauptverursacher der Klimakrise – in einem Abschlussdokument beim Namen genannt werden.

Eine Einigung auf den überfälligen und im Vorfeld von der Allianz für Klimagerechtigkeit geforderten Ausstiegsplan für fossile Energieträger bis spätestens 2050 konnte jedoch nicht erzielt werden. “Es ist bedauerlich, dass die Hürde eines Ausstiegsplans für fossile Energieträger nicht genommen werden konnte. Damit fehlt es noch immer an der nötigen Ambition für das Ende des fossilen Zeitalters. Auch das Zulassen von Schlupflöchern für die weitere Nutzung von Kohle, Öl und Gas mit Hilfe umstrittener und nicht hinreichend verfügbarer Technologien geht in die falsche Richtung“, so WWF Klimasprecher Thomas Zehetner.

Auch zu den Vorgaben für die nationalen Klimaschutzpläne fällt die Bilanz getrübt aus. „Die erste globale Bestandsaufnahme entfaltet nicht genug Verbindlichkeit, damit die nächste Runde der nationalen Klimabeiträge die Welt auf Klimakurs bringt. Die Verantwortung liegt nun einmal mehr bei den einzelnen Staaten, entschlossen voranzugehen und Maßnahmen umzusetzen“, so Zehetner.

Erfolgreicher Loss and Damage Fond, mangelnde internationale Kooperation

“Mit der Schaffung des Fonds für Schäden und Verluste sowie des Santiago Network zur technischen Unterstützung ärmerer Länder bei der Bekämpfung von Schäden und Verlusten ist auf der Klimakonferenz in Dubai ein früher Erfolg gelungen”, hebt Martin Krenn, Klimaexperte der Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz (KOO), hervor, merkt aber an: “Die zugesagten Finanzmittel stehen jedoch noch in keinem Verhältnis zu den tatsächlichen Schäden und Verlusten in den ärmsten Ländern der Welt!”

Die Gründe für den Mangel an Kooperation der Staatengemeinschaft beim Klimaschutz und damit die nationalen Schlupflöcher beim Aus für fossile Energien seien die Abhängigkeiten vom fossilen Wirtschaftssektor, die finanziellen Eigeninteressen vieler Staaten sowie die mangelnde Unterstützungsbereitschaft vermögender Staaten, diagnostiziert Krenn die Ursachen des langsamen Verhandlungsfortschritts. Die Unterstützung bräuchte es dringend, damit sich ärmere Länder von der Abhängigkeit vom Export von Kohle, Öl und Gas befreien und die Umstellung ihrer Energiesysteme finanzieren können.

“Im kommenden Jahr wird das neue Ziel für die finanzielle Unterstützung von ärmeren Ländern bei ihren Klimamaßnahmen beschlossen. Diese Perspektive könnte die letzte Chance sein, dass die Entwicklung der neuen nationalen Klimaziele bis 2025 den notwendigen Schub bekommen, um das 1,5°C Ziel in Reichweite zu halten”, appelliert Krenn an die Staatengemeinschaft.

Anpassungsrahmen zu vage, Menschenrechte unterrepräsentiert

“Die Möglichkeit zur Anpassung an die Klimakrise kann für besonders vulnerable Menschen und Gemeinschaften über Leben und Tod entscheiden. Ein Rahmenwerk zur Klimaanpassung ohne klar definierte Ziele, konkrete Mittel zur Umsetzung und ohne eine Benennung der Verantwortung jener Ländern, die die Klimakrise hauptsächlich verursachen, ist zahnlos”, so das Fazit von Lisa Aigelsperger von der Menschenrechtsorganisation Südwind zum Rahmenwerk des Global Goal on Adaption.

“Reiche Länder müssten dezidiert verpflichtet werden, weniger wohlhabende Länder bei der Anpassung zu unterstützen”, sagt Aigelsperger. Diese Verantwortung, ihren gerechten Beitrag zu zahlen, wird im Text nicht benannt. Auch ein weiterer wichtiger Teil wird im Abschlusstext nicht erwähnt: Um die Finanzierungslücke für die Klimawandelanpassung zu schließen, müssten laut Adaptation Gap Report 10 bis 18 mal mehr Mittel zur Verfügung gestellt werden, als bisher der Fall ist. “Österreichs zugesagter Beitrag von 35 Millionen Euro ist so gesehen ein wichtiges Zeichen in die richtige Richtung.”

Es werden außerdem keine Indikatoren vorgegeben, anhand derer die Erreichung der Ziele bis 2030 gemessen werden kann. “Bis die Ziele im geplanten zweijährigen Arbeitsprogramm ausgearbeitet wurden, geht wertvolle Zeit für gezielte Maßnahmen in den am stärksten betroffenen Ländern verloren”, so Aigelsperger. Vor allem eine Stärkung der Geschlechtergerechtigkeit ist bei den Anpassungsmaßnahmen unabdingbar. „Es gibt keine Klimagerechtigkeit ohne Menschenrechte, diese sind im Global Goal on Adaptation viel zu schwach verankert“, ergänzt sie.

Aufgaben für Österreichs Bundesregierung

In Folge der COP28 hat auch Österreich Hausaufgaben zu machen, so der Appell der Allianz für Klimagerechtigkeit. Österreich muss bei der Erstbefüllung des neuen Fonds für Schäden und Verluste in den kommenden Monaten einen ambitionierten Beitrag orientiert am nationalen Katastrophenfonds leisten. Vor allem muss auch die hiesige Politik den Ausstieg aus fossilen Energieträgern beschleunigen und dafür endlich an die Wurzeln der Probleme gehen: Österreich hat einen viel zu hohen Energie- und Bodenverbrauch und verschwendet immer noch viele Milliarden für umweltschädliche Subventionen.

Rückfragehinweis:

Martin Krenn
Klimaexperte der Koordinierungsstelle der österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO)
+43 (0) 676 769 8431
m.krenn@koo.at

Thomas Zehetner
Klimasprecher des WWF
+43 (0) 664 4416410
thomas.zehetner@wwf.at

Stefanie Marek
Pressesprecherin Südwind
+43 (0) 680 1583016
stefanie.marek@suedwind.at

Lisa Aigelsperger
Beobachterin für Südwind auf der COP28
lisa.aigelsperger@suedwind.at

Globale Stimmen für Menschenrechte

Frau mit Foto eines Opfer am Rücken
Frau mit Foto eines Opfer am Rücken
Menschenrechtsverteidiger*innen in Guatemala © UNDEFEGUA

„Zivilgesellschaftliche Organisationen in Ländern des Globalen Südens berichten zunehmend vom Druck autoritärer Regierungen oder Unternehmen. Insbesondere Verteidiger*innen von Menschenrechten sowie Klima- und Umweltschützer*innen sind davon betroffen. Ihnen wird der Zugang zu finanzieller Unterstützung erschwert, Angriffe gehören mittlerweile zur traurigen Tagesordnung: Seit 2015 hat das Business & Human Rights Ressource Centre weltweit fast 4.700 Attacken registriert, davon sogar 900 Morde“, berichtet Lukas Wank besorgt.

Der Geschäftsführer der AG Globale Verantwortung hebt anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Wiener Weltkonferenz über Menschenrechte sowie des Welttags der Menschenrechte (10.12.2023) hervor, dass zivilgesellschaftliche Organisationen und Aktivist*innen trotz Repressionen in zahlreichen Ländern dafür kämpfen, dass benachteiligte Menschen ihre Rechte durchsetzen können. „Autoritäre Regierungen stellen ihre Interessen oftmals über das Wohlergehen und die Rechte von Frauen, Kindern, indigenen Gemeinschaften, obdachlosen Menschen, Arbeiter*innen, Menschen mit Behinderungen sowie über den Klima- und Umweltschutz. Diese Regierungen gehen auch nicht ausreichend gegen die verheerenden Auswirkungen multipler Krisen vor, von denen diese Menschen besonders stark betroffen sind. So kommen Menschen mit Behinderungen zwei- bis viermal öfter in klimabedingten Katastrophen ums Leben“, zitiert Wank das Inter-Agency Standing Committee.

Daher setze sich der entwicklungspolitische Dachverband für umfassende politische Maßnahmen ein, die dem Shrinking Space – also dem eingeschränkten Handlungsspielraum der Zivilgesellschaft – entgegenwirken und gleichzeitig den Schutz der Menschenrechte fördern, erklärt Wank. „Zum Beispiel appellieren wir an die österreichische Bundesregierung, während der finalen Verhandlungstage nachdrücklich auf ein wirksames EU-Lieferkettengesetz zu drängen. Nur wenn alle Unternehmen und der Finanzsektor dazu verpflichtet werden, weltweit Menschenrechte und Umweltstandards zu achten, ebnet das den Weg für echte nachhaltige Entwicklung.“

Themenkanal zeigt weltweite Menschenrechtsarbeit österreichischer Nichtregierungsorganisationen

Wie bedeutsam einzelne Menschenrechte für die Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung sind, zeigt die AG Globale Verantwortung seit heute in ihrem Themenkanal Globale Stimmen für Menschrechte. Wank ergänzt abschließend: „Nicht nur das, wir zeigen anhand von elf verschiedenen Projekten und Videos, wie entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen und ihre lokalen Partner*innen dazu beitragen, dass Menschenrechtsverteidiger*innen ihrer Arbeit nachgehen können und Menschen zu ihrem Recht kommen. Zum Beispiel präsentieren wir das Recht auf Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung in Kenia, die Rechte indigener Gemeinschaften in Guatemala sowie das Recht auf Nahrung in Bangladesch. Guatemala und Bangladesch zählen laut Global Rights Index zu den gefährlichsten Ländern für die arbeitende Bevölkerung.“


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AG Globale Verantwortung: Themenkanal Globale Stimmen für Menschenrechte

(hh)

Recht auf Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung

Icon Recht auf Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung

„Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren“, legt Artikel 1 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte fest. Es ist ein grundsätzliches Prinzip der Rechtsstaatlichkeit, dass alle Menschen – unabhängig beispielsweise von Geschlecht, Alter, Herkunft, Hautfarbe oder Behinderungen – Menschenrechte haben.

Doch die Realität zeigt, dass insbesondere Menschen vulnerabler Gruppen tagtäglich diskriminiert und ihre Rechte verletzt werden. Wenn sie in Ländern des Globalen Südens keinen Zugang zu Bildung oder sicheren Arbeitsbedingungen haben, sind ihre Chancen, der Armut zu entkommen und ein menschenwürdiges Leben aufzubauen, gering.

Die Agenda 2030 und die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) greifen das Recht auf Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung ebenfalls auf. SDG5 zielt auf Geschlechtergleichstellung ab, SDG 10 auf weniger Ungleichheiten in und zwischen Ländern.

Wie THE RAIN WORKERS und ihre Partner*innen in Kenia das Recht auf Gleichberechtigung und Nichtdiskriminierung stärken

Drei Mädchen halten ein Schild mit Aufschrift "We love ourselves"
© Aktion Regen

Weibliche Genitalverstümmelung (Female Genital Mutilation, FGM), also das (teilweise) Entfernen der äußeren Geschlechtsorgane von Frauen und Mädchen aus nicht-medizinischen Gründen, stellt eine Verletzung mehrerer Rechte dar, etwa auf Gesundheit, Sicherheit und physische Integrität sowie von Kinderrechten. FGM wird in einigen Ländern mit Verweis auf die Tradition praktiziert, obwohl die UNO diese Form geschlechtsspezifischer Gewalt als Folter einstuft und sie beispielsweise in Kenia gesetzlich verboten ist.

FGM führt zu enormen körperlichen und psychischen Verletzungen und kann tödlich enden. Es hat auch soziale und wirtschaftliche Folgen, denn anschließend werden die oft sehr jungen Mädchen verheiratet, bekommen Kinder und besuchen keine Schule mehr).[1]

Together, we end FGM
Mädchen spielen Fußball
© Aktion Regen

THE RAIN WORKERS (vormals Aktion Regen) und ihre Partner*innen schützen gemeinsam seit 2021 gefährdete Mädchen in Kenia, indem sie diese während der Phasen, in denen FGM praktiziert wird, in Schutzcamps (Safe Camps) unterbringen. Sie arbeiten mit den Mädchen, aber auch mit (männlichen) Familienmitgliedern, die über die Durchführung von FGM jetzt (Eltern) oder künftig (Brüder) entscheiden. Im Zentrum steht dabei die Aufklärung über körperliche, psychische und gesellschaftliche Folgen sowie die sexuellen und reproduktiven Rechte der Mädchen.

Um das Einhalten des gesetzlichen Verbots zu fördern und ein gesellschaftliches Umdenken zu ermöglichen, kooperieren THE RAIN WORKERS mit staatlichen Vertreter*innen und lokalen Entscheidungsträger*innen, zum Beispiel mit der Polizei, Dorfvorsteher*innen und Frauen, die FGM durchführen. Dazu tragen auch Radioprogramme bei, die oft die einzige Nachrichtenquelle der Menschen sind. Darüber hinaus legen Bildungsaktivitäten und der gestärkte Selbstwert der Mädchen einen Grundstein, damit sie später einen Beruf ausüben und somit ein selbstbestimmtes Leben führen können.

Klicken, um das Video auf YouTube zu schauen.
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Partner*innen: Amina, Tukutane und Zinduka


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Fußnote

[1] WHO (31.01.2023): Female genital mutilation

Recht auf Leben

Icon Recht auf Leben
Icon Recht auf Leben

Das Recht auf Leben ist laut UN-Pakt über Bürgerliche und Politische Rechte[1] ein angeborenes Recht eines jeden Menschen und die Voraussetzung, alle anderen Menschenrechte in Anspruch nehmen zu können. Der Pakt legt fest, dass Staaten das Recht auf Leben schützen und ungeklärte Todesfälle untersuchen müssen. Die Anwendung der Todesstrafe, Folter und eine unmenschliche Behandlung sind nicht mit dem Recht auf Leben vereinbar.[2] Amnesty International dokumentierte jedoch im Jahr 2022 mindestens 883 Hinrichtungen in 20 Ländern – die höchste Zahl seit 2018.[3] Das Recht auf Leben von Menschenrechtsverteidiger*innen,[4] also von Menschen, die ihre Rechte und die Rechte ihrer Familien und Gemeinschaften verteidigen, wird in vielen Ländern weltweit besonders häufig verletzt.

Dieses Recht ist eng mit dem Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und auf ein Leben in Würde verbunden, wozu auch die Agenda 2030 und ihre Ziele für nachhaltige Entwicklung umfassend beitragen. Beispielsweise SDG 2 (kein Hunger) und SDG 3 (Gesundheit und Wohlergehen), aber auch SDG 16: Werden Frieden, Gerechtigkeit und Institutionen gefördert, ermöglicht das einen gleichberechtigten Zugang aller zur Justiz und schützt letztlich Menschenleben.

Wie die Dreikönigsaktion und ihre Partner*innen in Guatemala das Recht auf Leben stärken

In Guatemala werden Personen und Organisationen, die sich für Menschenrechte einsetzen, zunehmend kriminalisiert. Sie werden Opfer von Einbrüchen, Überfällen, Entführungen bis hin zu Morden, die in vielen Fällen weder gerichtlich verfolgt noch bestraft werden.[5] Anstatt ihre Rechte zu schützen, nutzt die Regierung das Rechtssystem, um Bäuer*innen, Gewerkschafter*innen, Indigene, Student*innen, LGBTIQ+-Personen und andere Menschenrechtsverteidiger*innen mit juristischen Verfahren unter Druck zu setzen und ihre Arbeit zu behindern.

Menschenrechtsverteidiger*innen in Guatemala stärken und schützen
Demonstrant*innen mit Transparent und Guatemala-Flaggen
© Dreikönigsaktion

Mehrere Partnerorganisationen der Dreikönigskation der Katholischen Jungschar dokumentieren seit vielen Jahren Menschenrechtsverletzungen in Guatemala. Etwa die Organisation UDEFEGUA, die andere Menschenrechtsorganisationen und -verteidiger*innen dabei unterstützt, Straftaten zur Anzeige zu bringen. UDEFEGUA bietet ihnen juristische Beratung, Strafverteidigung, psychologische Betreuung und Trainings, in denen sie erlernen, mit Bedrohungen umzugehen. Darüber hinaus erstellt UDEFEGUA mit gefährdeten Organisationen sowie Personen Sicherheitspläne und organisiert in akuten Fällen ihre Ausreise.

In einem jährlichen Bericht würdigt UDEFEGUA die bedeutende Arbeit von Menschenrechtsverteidiger*innen öffentlich, dokumentiert zunehmende Aggressionen und zeigt ein besorgniserregendes Bild staatlicher Untätigkeit. Die Organisation ruft die guatemaltekische Regierung sowie Vertreter*innen der EU und UNO regelmäßig dazu auf, schützende Maßnahmen zu treffen, damit diese Personen ihre Arbeit fortsetzen können. Und sie fordert, die weit verbreitete Straflosigkeit für Korruption und Gewaltdelikte in Guatemala zu beenden.

Klicken, um das Video auf YouTube zu schauen.
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Partner*innen: Unidad de Protección a Defensoras y Defensores de Derechos Humanos Guatemala (UDEFEGUA, Einheit zum Schutz von Menschenrechtsverteidiger*innen in Guatemala)


Links


Fußnoten

[1] OHCHR: International Covenant on Civil and Political Rights

[2] OHCHR: General comment No. 36 on article 6: right to life

[3] Amnesty International: Amnesty International Report zur Todesstrafe 2022

[4] AG Globale Verantwortung: Recht, Menschenrechte zu verteidigen

[5] Global Witness (24.05.2023): Attacks against UDEFEGUA: Defenders in Guatemala are under siege to claim democracy back

Arbeitsrechte

Icon Arbeitsrechte
Icon Arbeitsrechte

Wenn wir Elektrogeräte, Kleidung und Nahrungsmittel kaufen oder Dienstleistungen wie einen Lieferservice nutzen, sind uns die Menschen, die unseren Konsum ermöglichen, oft nicht bewusst. Viele arbeiten zu geringsten Löhnen in unsichtbarer Heimarbeit, unter gefährlichen Bedingungen in Textilfabriken, in Bergwerken oder auf Plantagen in Ländern, in denen Gewerkschaften eingeschränkt sind. Laut Internationaler Arbeitsorganisation (ILO), die konkrete Arbeitsstandards definiert, waren zuletzt sogar 27,6 Mio. Menschen von Zwangsarbeit betroffen.[1] Arbeiter*innen im Mittleren Osten und in Nordafrika galten im Jahr 2023 nach Angaben des Global Rights Index als besonders gefährdet.[2]

Solche Arbeitsrechtsverletzungen stehen im Widerspruch zum UN-Pakt über die Wirtschaftlichen, Sozialen und Kulturellen Rechte, der das Recht auf gerechte und günstige Arbeitsbedingungen enthält. Dazu zählen angemessene Löhne, sichere und gesunde Arbeitsbedingungen und Gewerkschaftsrechte. Diskriminierung, beispielsweise von Frauen, ist nicht zulässig – allen Menschen steht das gleiche Entgelt für gleichwertige Arbeit zu.[3] Derzeit wird in der EU ein dringend benötigtes Lieferkettengesetz[4] verhandelt, das Unternehmen dazu verpflichten wird, Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferketten zu verhindern.

Der Schutz von Arbeitsrechten ist die Voraussetzung für die Verwirklichung anderer Rechte, wie zum Beispiel das Recht auf einen angemessenen Lebensstandard und ein Leben in Würde. Aber auch für das Erreichen von SDG 1 (keine Armut), SDG 8 (menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) sowie SDG 12 (nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster).

Wie Südwind und seine Partner*innen weltweit Arbeitsrechte stärken

Die globale Bekleidungsindustrie ist von der Missachtung grundlegender Arbeitsrechte geprägt: Armutslöhne, riskante und ungesunde Arbeitsplätze, Verfolgung von Gewerkschafter*innen sowie mangelnde soziale Absicherung sind weit verbreitet. In den meisten Produktionsländern arbeiten überwiegend Frauen in Textilfabriken, sie berichten regelmäßig von sexuellen Übergriffen.  

Frau mit Schild "I made your clothes with GBV"

2023 erzeugte der Protest bangladeschischer Textilarbeiter*innen gegen den viel zu geringen Mindestlohn, der sie in Armut gefangen hält, internationale Aufmerksamkeit.[5] Ein besonders dramatischer Vorfall in Bangladesch war der Einsturz der Textilfabrik Rana Plaza im Jahr 2013, bei dem mehr als 1.100 Menschen starben. Erst nach zwei Jahren zahlten involvierte globale Textilkonzerne geringe Entschädigungen an die Familien der Opfer sowie Arbeiter*innen, die aufgrund ihrer Verletzungen nicht mehr arbeiten konnten.[6]

Clean Clothes Kampagne für Arbeitsrechte in der Bekleidungsindustrie

Südwind koordiniert in Österreich seit 2001 die Clean Clothes Kampagne (CCC), die Teil eines internationalen Netzwerks, das sich für faire Arbeitsbedingungen in der Bekleidungs- und Sportartikelindustrie in Europa, Asien und Afrika einsetzt, ist. Die Kampagne unterstützt Arbeiter*innen im Rahmen von Trainings und ihrer Selbstorganisation dabei, ihre Rechte durchzusetzen und sie vor Ausbeutung und ungesunden Arbeitsbedingungen zu schützen.

CCC dokumentiert Fälle von Arbeitsrechtverletzungen, analysiert Lieferketten und Geschäftsmodelle und fordert Modeunternehmen auf, Missbrauch und Rechtsverletzungen zu beseitigen. Der Dialog mit Unternehmen spielt eine wichtige Rolle, aber auch Kampagnen, die eine internationale Öffentlichkeit über systematische Rechtsverletzungen informieren und motivieren, die Durchsetzung von Arbeitsrechten in Produktionsländern zu unterstützen.

Partner*innen: Partnerorganisationen der Clean Clothes Kampagne in Österreich und international


Links


Fußnoten

[1] ILO: Forced labour, modern slavery and human trafficking

[2] Global Rights Index: Worker’s rights in 2023

[3] OHCHR: International Covenant on Economic, Social and Cultural Rights

[4] AG Globale Verantwortung (30.05.2023): Bedeutung des EU-Lieferkettengesetzes für nachhaltige Entwicklung weltweit

[5] Clean Clothes Kampagne (13.11.2023): Beschämende 106 Euro Mindestlohn im Monat

[6] Südwind: Gedenkkundgebung: 10 Jahre Rana Plaza

Rechte von Kindern

Icon Kinderrechte
Icon Kinderrechte

Laut UN-Kinderhilfswerk lebt eines von sechs Kindern auf der Welt von kaum mehr als 2 US-Dollar pro Tag, in Summe leben 333 Mio. Kinder in extremer Armut.[1] Sie haben keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung, Bildung und angemessener Nahrung, was ihre körperliche und geistige Entwicklung beeinträchtigt. Das schränkt auch ihre Chance auf ein besseres Leben als Erwachsene massiv ein. Laut Internationaler Arbeitsorganisation arbeiten 160 Mio. Kinder regelmäßig mehrere Stunden täglich, davon 79 Millionen unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen.[2]

Kinder sind besonders verletzlich, weshalb der Schutz ihrer Rechte von zentraler Bedeutung ist. Sie haben die gleichen Menschenrechte wie Erwachsene, aber auch spezifische Kinderrechte, die in der UN-Kinderrechtskonvention[3] – das von den meisten Staaten unterstützte Menschenrechtsabkommen – definiert sind. Dazu zählen das Recht auf Entwicklung, auf Bildung und das Recht zu spielen. Erwachsene und Staaten sind dazu verpflichtet, bei Entscheidungen, die sich auf Kinder auswirken, das Wohl der Kinder vorrangig zu berücksichtigen. Dafür ist entscheidend, dass Kinder auch in politische Entscheidungen einbezogen werden, beispielsweise im Umwelt- und Klimaschutz. Weil die Folgen der Klimaerhitzung Kinder und künftige Generationen am härtesten treffen, sind Staaten gar verpflichtet, wirksame Klimaschutzmaßnahmen zu setzen, um Kinder und ihre Rechte zu schützen.[4]

Aber nicht nur das klimazentrierte SDG 13, sondern alle 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung betreffen Kinder. Besondere Bedeutung haben SDG 4, das auf hochwertige Bildung abzielt, und SDG 5, das für die Ermächtigung und gleiche Chancen von Mädchen zentral ist.

Wie Jugend Eine Welt und seine Partner*innen in Indien Rechte von Kindern stärken

In Indien werden Kinderrechte häufig verletzt, insbesondere von Kindern und Jugendlichen aus benachteiligten Bevölkerungsgruppen. Kinderarbeit und -heirat sind trotz gesetzlichem Verbot sowohl in ländlichen Gebieten als auch in Großstädten verbreitet. Viele Kinder und Jugendliche brechen die Schule ab, um zum Überleben ihrer Familien beizutragen. Die Fälle von Gewalt gegen Kinder, Entführungen und sexuellen Übergriffen nehmen zu. Während der Staat Indien im Jahr 2013 1.353 Verbrechen an Kindern meldete, verzeichnete er 2021 einen mehr als fünffachen Anstieg, auf 7.261 Fälle.[5] Viele Kinder sind unterernährt und haben kaum Zugang zu notwendiger Gesundheitsversorgung.

Mädchen in einem Sitzkreis zeigen auf
© Jugend Eine Welt / BREADS
Kindern in Karnataka eine Stimme geben

2012 startete Jugend Eine Welt mit ihren Partner*innen im südindischen Bundesstaat Karnataka CREAM, eine Bildungs- und Kinderrechtsbewegung, die sich an benachteiligte Kinder und Jugendliche in Slums und ländlichen Gebieten richtet. Seitdem wurden knapp 900 Kinderrechtsclubs in Schulen gegründet und über Workshops, Trainings sowie Informationskampagnen mehr als 190.000 Kinder und Jugendliche erreicht. Sie werden über ihre Rechte aufgeklärt und geben ihr Wissen an andere Kinder weiter.

Mädchen am Schulgang
© Jugend Eine Welt / BREADS

Aber auch Erwachsene sind Zielgruppe von CREAM: So klärten unter anderem sogenannte Kinderrechtskomitees bereits über 30.000 Lehrer*innen, Vertreter*innen von Behörden, Polizist*innen, Gemeindevertreter*innen sowie Mitarbeiter*innen von Jugendgruppen, Nichtregierungsorganisationen, Kirchengruppen etc. über Kinderrechte und Kinderschutz auf und forderten eine stärkere Beteiligung von Kindern ein.

Jugend Eine Welt und seine Partner*innen konnten alleine in den letzten drei Jahren in 47 Fällen die Zwangsverheiratung von Minderjährigen verhindern und ermöglichten 238 Kinderarbeiter*innen wieder die Schule zu besuchen und so ihr Recht auf Bildung wahrzunehmen.

Partner*innen: BREADS – Bangalore Rural Educational and Development Society


Links


[1] UN News (13.09.2023): Over 330 million children worldwide living in extreme poverty

[2] ILO (10.06.2021): Child labour rises to 160 million – first increase in two decades

[3] UNICEF: A Summary of the UN Convention on the Rights of the Child

[4] UNICEF (19.09.2023): General Comment der UN: Kinderrechtlicher Auftrag zum Klimaschutz – auch in Österreich

[5] Deccan Herald (12.11.2022): Crimes against kids: Cases go up fivefold in eight years


Foto einer Zeitung