Im Vorfeld des Workshops hatten zwei Unternehmen und drei entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen (NROs) fünf konkrete Herausforderungen (Challenges) formuliert, vor denen sie in ihrer Arbeit im Globalen Süden stehen. Für jede Challenge stellten wir gezielt ein Team von Expert*innen zusammen, wobei wir darauf achteten, dass sich die Expertisen der einzelnen Teammitglieder optimal ergänzen. Zentrale Mitglieder jedes Teams waren außerdem lokale Expert*innen, die ihr spezifisches Wissen einbrachten und sicherstellten, dass die Bedürfnisse der lokalen Zielgruppe im Mittelpunkt der Diskussionen standen. Insgesamt machten sich beim diesjährigen Workshop 41 Expert*innen auf die Suche nach Lösungen.

Zuerst verstehen, dann lösen

Den ersten Teil des Workshops verbrachten die Teams damit sich mit verschiedenen Facetten ihrer Challenge auseinanderzusetzen und ein Gefühl für die Bedürfnisse der Zielgruppe zu entwickeln – ohne bereits über konkrete Lösungen nachzudenken. Anschließend präzisierten die Teams ihre ursprüngliche Fragestellung und entwickelten erste Ideen und Lösungsansätze. Die vielversprechendste Idee visualisierten sie schließlich auf einem Miro-Board, um nochmals eine andere Perspektive einzunehmen.

In kurzen Follow-Up Sessions zwei Wochen später kamen die einzelnen Teams noch einmal zusammen, um den Austausch zu vertiefen und gemeinsam nächste Schritte zur Umsetzung der entwickelten Lösungen zu planen.

Gemeinsam mehr erreichen

Im intensiven Austausch mit Menschen, die aufgrund ihrer unterschiedlichen Erfahrungen und Expertisen die Herausforderungen aus unterschiedlichen Blickwinkeln betrachteten, entwickelten alle fünf Teams kreative Ideen zur Lösung ihre Challenge. Viele Teilnehmer*innen äußerten sich motiviert, an den Ideen dranzubleiben und diese gemeinsam mit anderen Teammitgliedern weiterzuentwickeln und vereinbarten bereits Termine für Follow-Up Gespräche.

Der Workshop und die darauf aufbauenden Follow-Up Sessions wurden von Shift11, einer Wiener Agentur für kundenzentrierte Innovation und Experience Design, begleitet.

Die Challenges 2023 im Überblick

Geschäftsmodelle zur lokalen Entwicklung von assistierender Technologie für blinde und sehbehinderte Menschen in Zimbabwe (Tetragon) 

Das österreichische Start-Up Tetragon hat ein Konzept für Braille-Geräte entwickelt, das blinden und sehbehinderten Menschen in Ländern des Globalen Südens Zugang zu einer leistbaren assistierenden Technologie ermöglichen und durch die Fertigung vor Ort zugleich lokale Wertschöpfung generieren könnte. Beim Workshop ging das Team rund um Tetragon der Frage nach, wie eine Partnerschaft zwischen Akteuren aus Österreich und Ländern des Globalen Südens aufgesetzt werden kann, um gemeinsam ein Geschäftsmodell für die Umsetzung des Konzepts zu entwickeln. Zentral war für das Team die Erkenntnis, wie wichtig es ist, Zeit in die Suche nach zuverlässigen Partnern entlang der gesamten Lieferkette zu investieren und diese und ihre Bedürfnisse gut zu verstehen. Einige Teilnehmer*innen legten während des Workshops bereits den Grundstein für eine zukünftige Geschäftsbeziehung.

Weniger Plastikmüll auf dem Manaslu-Trek in Nepal (Weltweitwandern) 

Das Team rund um Weltweitwandern, einem österreichischen Anbieter nachhaltiger Wanderreisen, ging der Frage nach, wie der in den Dörfern am Manaslu-Trek in Nepal anfallende Plastikmüll ordnungsgemäß gesammelt und wiederverwertet werden und dadurch ein (wirtschaftlicher) Mehrwert für die lokale Bevölkerung entstehen kann. Das Team entwickelte ein Konzept für ein Abfallentsorgungssystem, welches die Etablierung von dezentralen Abfallsammelstellen in den Dörfern und zentralen Sortierzentren vorsieht sowie Überlegungen zum Transport des Abfalls umfasst. Ebenso diskutierten die Teammitglieder über Bewusstseinsbildungskampagnen für die lokale Bevölkerung sowie Möglichkeiten zur Schaffung lokaler Jobs durch lokales Abfallrecycling. Auch dieses Team äußerte sich motiviert, das Vorhaben gemeinsam weiterzuverfolgen.

Landkonflikte in Brasilien: Dokumentation von Übergriffen (Welthaus Graz)

Im Mittelpunkt der Challenge, die die entwicklungspolitischen NRO Welthaus Graz gemeinsam mit ihrer brasilianischen Partnerorganisation CPT (Comissão Pastoral da Terra) eingereicht hatte, stand die Frage, wie Betroffene von Landkonflikten in Brasilien Übergriffe rasch und sicher mittels technischer Hilfsmittel dokumentieren können. Gemeinsam mit IT-Experten diskutierten die beiden Organisationen während des Workshops bereits existierende technische Lösungen und identifizierte einen Favoriten, mit dem das Welthaus Graz nun Kontakt aufnehmen wird.

Jobchancen für Jugendlichen durch Plastikmüllrecycling im ländlichen Äthiopien (Menschen für Menschen)

Das Team rund um die entwicklungspolitische NRO Menschen für Menschen ging der Frage nach, wie junge Menschen im ländlichen Äthiopien dabei unterstützt werden können, durch das Sammeln und Recyclen von Plastikmüll ein Einkommen zu generieren. Das Team erarbeitete eine konkrete Projektidee, welche die Ausstattung von kleinen, lokalen Kooperativen mit Plastikrecyclingmaschinen und die Vermittlung von handwerklichen und unternehmerischen Kompetenzen an die Mitglieder der Kooperativen umfasst. Als entscheidend identifizierte das Team die Auswahl der richtigen Produkte, welche aus dem gesammelten Plastik hergestellt werden sollen, um die Bedürfnisse des lokalen Marktes gut zu bedienen. Besonders attraktiv erscheint die Herstellung von Kunststofflatten, welche anstelle von Holzlatten eingesetzt werden könnten, womit zugleich auch noch ein Beitrag gegen die Abholzung der äthiopischen Wälder geleistet werden könnte. Die Mitglieder des Teams führten bereits konkrete Follow-Up Gespräche und sind motiviert für eine gemeinsame Umsetzung des Projekts.

Curriculum zur Förderung von Unternehmertum und Umweltbewusstsein in mehreren afrikanischen Ländern (SOS Kinderdorf International)

SOS Kinderdorf International plant in mehreren afrikanischen Ländern die Umsetzung von Upcyclingprojekten, mit denen Einkommensmöglichkeiten für Jugendliche geschaffen werden sollen. Gemeinsam mit einem Team  von internationalen Expert*innen diskutierte SOS Kinderdorf International während des Workshop über die Frage, wie die Entwicklung eines Curriculums für diese Projekte gelingen kann, um langfristig Innovationsgeist, Unternehmertum und Umweltbewusstsein von Jugendlichen zu fördern und ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt nachhaltig zu verbessern. Teil des Teams waren auch zahlreiche Vertreter*innen lokaler SOS-Organisationen, die den starken Wunsch nach einem regelmäßigen Austausch äußerten, um ihre Projekte gemeinsam weiterzuentwickeln.

(ir)