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Nach der Begrüßung durch Georg Pfeifer (Leiter des Informationsbüros des Europäischen Parlaments in Österreich) und den Veranstaltern (AG Globale Verantwortung, EU-Umweltbüro, ÖKOBÜRO) folgte die Keynote Speech von Ingeborg Niestroy (Wissenschaftliche Mitarbeiterin, International Institute for Sustainable Development (IISD) & SDG Watch Europe). Sie gab einen Überblick zu den Möglichkeiten und Herausforderungen der Umsetzung der SDGs in Europa und wies dabei auf die Publikation „How are we getting ready?“ des Deutschen Instituts für Entwicklungspolitik (DIE) hin, in der sie Maßnahmen zu Umsetzung der einzelnen Länder auflistet und miteinander vergleicht. Niestroy betonte, dass die SDGs ein umfassendes Rahmenwerk darstellen und eine konkrete Richtung vorgeben, diese jedoch noch auf nationalem Level umgesetzt werden müsse – dabei hob sie die Notwendigkeit einer Lückenanalyse, nationaler Zielesetzungen, einer Strategie, einer horizontalen Kooperation sowie einer Zusammenarbeit in Allianzen hervor. In ihrem Vortrag merkte sie kritisch an, dass Österreich im Gegensatz zu den meisten westeuropäischen Ländern noch nicht am High Level Political Forum (HLPF) der UNO teilgenommen hat und eine aktive Teilnahme erst für das Jahr 2020 geplant sei. Verbesserungspotential sehe sie auch bei der EU-Kommission, die während der SDG-Verhandlungen als Vorreiterin auftrat, jedoch seit der Verabschiedung der 2030 Agenda die Umsetzung nur schleppend vorantreibe. In ihrem Vortrag betonte sie zudem, dass zwar vermehrt die Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Themenbereichen beachtet werden müssen, aber dennoch nicht vom „Zerstören der Silos“ (breaking the silos) gesprochen werden sollte. Ein ganzheitlicher Ansatz bedeutete nicht, dass alles unter einem Dach (also z.B. in einem einzigen Ministerium) gelöst werden könne, sondern dass sich einzelne Fachbereiche besser vernetzen und abstimmen müssen. Anstatt „breaking the silos“ zu fordern sollten daher eher „dancing silos“ angestrebt werden.

Aneta Haimannová (Abteilung für Nachhaltige Entwicklung, Büro der Regierung der Tschechischen Republik) präsentierte konkrete Maßnahmen der tschechischen Regierung zur Umsetzung und gab dabei einen Überblick über die Regierungsstruktur im Bereich Nachhaltigkeit und die involvierten Arbeitsgruppen im Amt des Ministerpräsidenten. Nach der Verabschiedung der 2030 Agenda wurde die erste Analyse in Tschechien von einer NGO durchgeführt, wodurch erkannt wurde, dass für die Umsetzung einige Änderungen nötig seien – insbesondere dass Ministerien verstärkt zusammenarbeiten müssen. In der nationalen Umsetzungsstrategie „Tschechische Republik 2030“ gibt es sechs definierte Kernbereiche, durch welche die 2030 Vision erreicht werden solle. Durch zahlreiche Konsultationsprozesse mit der Beteiligung von insgesamt 300 Organisationen und durch die Eingliederung bereits bestehender internationaler Standards – wie beispielsweise der Pariser Deklaration – sei der Umsetzungsplan zustande gekommen. Ein erster Bericht wird noch dieses Jahr veröffentlicht und beim HLPF in New York präsentiert werden. Haimannová betonte die Notwendigkeit eines regelmäßigen Monitorings der Fortschritte in der Umsetzung alle fünf Jahre, bei denen auch das Feedback von zivilgesellschaftlichen Organisationen gewünscht und berücksichtigt werde. Durch Kampagnenarbeit werde das Wissen und Bewusstsein der Bevölkerung zu den SGDs gestärkt – als Beispiel nannte sie den SDG Award, bei dem jedes SDG durch eineN tschechischen ProminenteN in einer Videobotschaft vertreten wurde. Trotz der engagierten Strategie und dem konkreten Umsetzungsplan meinte Haimannová dennoch, dass noch ein langer Weg zu gehen sei und es wichtig ist, ehrlich und verantwortungsvoll mit der Thematik umzugehen.

Jussi Kanner (Advocacy Coordinator der finnischen NDGO-Plattform – KEHYS) berichtete über den aktuellen Stand der Umsetzung der 2030 Agenda in Finnland. Er stellte zu Beginn fest, dass Finnland zwar oft als eines der Musterländer im Bereich Nachhaltigkeit und der Umsetzung der SDGs geführt werde, er aufgrund seiner Position auch kritische Aspekte einbringen werde. Es gäbe nämlich einiges, das verbessert werden müsste – als Beispiel brachte er die angeblich nachhaltige Abholzung finnischer Wälder, welche Umweltorganisationen als überhaupt nicht nachhaltig kritisieren. Finnland publizierte bereits 2016 beim HLPF eine Umsetzungsstrategie, welche die 2030 Agenda in acht Unterzielen festsetzt. Diesbezüglich berichtete er über drei Schlüsselbereiche, die er für die Umsetzung als zentral erachtet: die Formulierung von Langzeit-Zielen, die Einbeziehung der Nachhaltigkeitsziele bei täglichen politischen Entscheidungen sowie Datensammlung und darauf aufbauende Berichterstattung. Die SDGs haben Eingang in die Regierungsarbeit gefunden, dabei habe man sich auf zwei Kernbereiche fokussiert: A carbon-neutral and ressource-wise Finland sowie a non-discriminating, equal and competent Finland. Zudem ist alle vier Jahre, am Ende jedes Wahlzyklus, ein Umsetzungsbericht vorgesehen.

Für Österreich gaben Norbert Feldhofer (BKA, Abteilungsleiter Wirtschaft, Arbeit, Energie, Bundeskanzleramt) und Sylvia Meier-Kajbic (BMEIA, Abteilungsleiterin Multilaterale Entwicklungszusammenarbeit, BMEIA) einen Überblick über den aktuellen Stand der Umsetzung. Feldhofer griff die Tanz-Metapher von Niestroy auf und zog einen Vergleich der österreichischen SDG-Umsetzung mit dem Wiener Walzer, welcher langsam beginne und dann immer schneller und dynamischer werde. Für ihn sei es wichtig, die SDGs als interagierende Kreise zu denken. Er führte an, dass es in Österreich einige bereits integrierte Strategien gebe, an die – im Sinne des österreichischen Mainstream-Ansatzes – angeknüpft werden müsse, auch gebe es bereits existierende Strukturen in den Ministerien, auf die aufgebaut werden könne. Österreich stehe einerseits bei einigen SDGs relativ gut da, wie beispielsweise im Bereich erneuerbare Energien, andererseits gibt es auch Gebiete wo Österreich größeren Aufholbedarf habe, wie etwa bei der Geschlechtergerechtigkeit. 2016 entschied die Regierung „im Sinne der Politikkohärenz“ einen Mainstreaming-Ansatz als strategischen Rahmen festzulegen, in dem die SDGs in sämtlichen Politikentscheidungen mitgedacht und in bestehende Aktivitäten integriert werden sollen. Er führte anschließend an, dass die Erstellung von eigenen Strategien wie z.B. zur Umsetzung der 2030 Agenda sehr zeitintensiv seien aber nicht immer zum gewünschten Outcome führten, vor allem, wenn man den Wahlzyklus berücksichtige. Als konkretes bisheriges Ergebnis nannte er die Website www.sdg.gv.at, auf welcher ein Bericht über Beiträge der Bundesministerien zur Umsetzung der 2030 Agenda veröffentlicht wurde. Österreich plane den ersten Umsetzungsbericht beim HLPF im Jahr 2020 zu präsentieren.
Sylvia Meier-Kajbic legte dar, dass es in Österreich durch den Ministerratsvortrag ein klares Mandat gebe, die SDGs in die täglichen politischen Entscheidungsprozesse zu integrieren. Essentiell für die Umsetzung sei jedoch auch, EntscheidungsträgerInnen dazu zu bringen, gemeinsam an einem Strang zu ziehen. Momentan werde intensiv am Dreijahresprogramm der Entwicklungspolitik für 2019-2021 gearbeitet, in welches auch die SDGs stark einbezogen werden sollen.

Bei der anschließenden Diskussionsrunde kreisten die Fragen vor allem um das Thema Umsetzung der SDGs in Österreich. Unter anderem wurde gefragt, inwieweit eine horizontale Koordination mit einer politischen Spitze für die Umsetzung der 2030 Agenda sinnvoll wäre, wie die Umsetzung konkret koordiniert werde und wie verstärktes Bewusstsein für die 2030 Agenda erlangt werden könnte? Aneta Haimannová sieht ein starkes politisches Mandat für die Umsetzung als sehr wichtig an, dabei sei es auch relevant, zu koordinieren und mögliche Auswirkung verschiedener Politikfelder in Betracht zu ziehen. Zudem brauche es eine adäquate personelle Ausstattung. Jussi Kanner fügte hinzu, dass er es in Finnland für die richtige Entscheidung hält, dass die Umsetzung bei der Regierungsspitze, dem Premierminister, angesiedelt ist und dass es sowohl vertikale als auch horizonale Koordination braucht, obwohl die meisten Aktivitäten, die bislang etabliert wurden, das Resultat einer Koordination auf horizontalem Level waren. Meier-Kajbic betonte, dass das Außenministerium eine spezielle Rolle in Bezug auf Entwicklungspolitik hätte, dennoch müsse auch der Dialog zwischen den Ministerien gestärkt werden und mit konkreten Beispielen gearbeitet werden. Es werde daran gearbeitet, dass sich durch die Zusammenarbeit mit verschiedenen Sektoren nach und nach „ein Bild ergibt“, wobei sie auch auf die Zusammenarbeit mit dem Parlament zähle.

Auf die Frage, wie die SDG-Umsetzung konkret auf Arbeitsebene funktioniert, erklärte die tschechische Referentin, dass sie gemeinsam mit einem siebenköpfigen Team unter dem Premierminister arbeite. Bei der nationalen Strategie im Government Council befassten sich zirka 14 MitarbeiterInnen damit. Der finnische Referent meinte, dass im finnischen Koordinierungsbüro die meiste Arbeit von zwei bis drei Personen geleistet wurde, welche von anderen Ministerien unterstützt werden. Bildungsarbeit werde in Tschechien – auch dank Förderungen Seitens der EU –  gut finanziert, sie findet zwar weniger in Schulen statt, jedoch gebe es zahlreiche andere Aktivitäten. Jussi Kanner fügte hinzu, dass es in Finnland für Bildungsarbeit kaum Ressourcen gäbe. Wichtig sei es jedoch, in Städten und Gemeinden aktiv zu sein. Ein freiwilliges Engagement-tool sehe er als nützliches Werkzeug, verschiedene AkteurInnen zum Handeln zu bewegen.
 
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Wir danken der Austrian Develoment Agency und dem BMLFUW für die finanzielle Unterstützung.

 (kkr)