Erdkugel mit Blättern rundherum
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Das Entwicklungszusammenarbeitsgesetz sieht vor, dass die Bundesregierung alle drei Jahre ein neues Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik erarbeitet. Das aktuelle Dokument für die Jahre 2022 bis 2024, das sie erst im vierten Quartal 2022 beschlossen hat, ist an der Agenda 2030 ausgerichtet und in die drei strategische Prioritäten (A) Armutsbekämpfung durch Förderung der wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung, (B) Sicherung des Friedens und der menschlichen Sicherheit und (C) Erhaltung der Umwelt und Schutz natürlicher Ressourcen[1] sowie Schwerpunkte und Unterkapitel unterteilt.

Welche Veränderungen hält das neue Programm bereit? Zum Beispiel beinhaltet es zwei neue, längst überfällige Unterkapitel: Erhöhung der Klimaresilienz und Katastrophenvorsorge sowie Digitalisierung. Der Begriff Klimaschutz zieht sich durch alle Kapitel und es hebt die Klimakrise als eine von drei globalen Herausforderungen, welche die Programmlaufzeit prägen könnten, hervor. Während das Vorgängerprogramm die Förderung von Frauen und Inklusion von Menschen mit Behinderungen noch unter einer gemeinsamen Überschrift behandelte, sind diesen Themen nun je ein Unterkapitel gewidmet, und sie sind generell in allen Programmteilen stärker verankert. Einen von der Zivilgesellschaft empfohlenen, durchgehenden Twin-Track-Approach, der die Inklusion von Menschen mit Behinderungen in allen entwicklungspolitischen Programmen und all ihren Planungs- und Ausführungsebenen sicherstellt, lässt das Dreijahresprogramm aber vermissen. Des Weiteren haben uns insbesondere Passagen zu Entwicklungsfinanzierung und den Prinzipien der österreichischen Entwicklungspolitik näher angeschaut.

Erhöhung des Budgets, jedoch ohne Prognoseszenario in Richtung des 0,7%-Ziels

Ein gravierendes Defizit des Dreijahresprogramms 2022 – 2024 ist das Fehlen eines Budgetpfads. Bisher beinhaltete es zumeist eine Vorausschau der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (Official Development Assistance, ODA) für den Zeitraum seiner Laufzeit. Im Hinblick auf das Regierungsprogramm 2020 – 2024, das eine schrittweise Erhöhung der ODA auf 0,7% des Bruttonationaleinkommens (BNE) vorsieht, wäre im Dreijahresprogramm ein Prognoseszenario, das den Weg zu diesem international vereinbarten Ziel skizziert, dringend von Nöten gewesen.

Zwar enthält das aktuelle Dokument ein Bekenntnis zum 0,7%-Ziel, doch statt eines Prognoseszenarios oder Stufenplans weist es lediglich Budgeterhöhungen für die Jahre 2023 und 2024 aus. So wird die Austrian Development Agency (ADA) um 12 Mio. Euro mehr Mittel für bilaterale Entwicklungszusammenarbeit erhalten, wobei die hohe Inflationsrate einen beträchtlichen Teil der Erhöhung absorbieren wird. Der Auslandskatastrophenfonds für Sofortmaßnahmen im Rahmen der Humanitären Hilfe verfügt 2023 über 77,5 Mio. Euro (ursprünglich waren 57,5 Mio. Euro geplant), die Mittel für das World Food Programme werden auf 20 Mio. Euro aufgestockt. In Summe sollen 2023 und 2024 rund 100 Mio. Euro mehr für ODA-relevante Leistungen der bilateralen und multilateralen Hilfe sowie für klimaschutzrelevante Projekte in Ländern des Globalen Südens zur Verfügung stehen.

Diese konkreten Erhöhungen sind sinnvoll und begrüßenswert, sie sollten jedoch der Startschuss für weitere sein. Denn angesichts multipler Krisen – etwa Konflikte und Kriege, Klimakrise, Gesundheitskrisen, zunehmende Hungerkrisen sowie steigende Armut – und deren Folgen werden sie bei weitem nicht reichen. Und die Erhöhungen tragen nur minimal dazu bei, dem 0,7%-Ziel näherzukommen. Zur Erinnerung: Österreichs ODA-Quote betrug im Jahr 2021 gerade einmal 0,31% des BNE. Ein entschlossenes Handeln, um Österreichs globales Engagement in Zeiten sich verstärkender multipler Krisen substanziell und langfristig abzusichern, ist im Dreijahresprogramm nicht zu erkennen.

Darüber hinaus begrüßen wir, dass die Bundesregierung im aktuellen Dokument erstmals manchen inhaltlichen Schwerpunkten ein operatives Budget zugeteilt hat – eine langjährige Empfehlung unserseits. Allerdings verwendet sie dabei uneinheitliche Bezugsgrößen: Einmal ist von 17 bis 20% des „Projektportfolios“, ein anderes Mal von mindestens 15% der „gestaltbaren Mittel“ oder nur von „jährlichen Budgetmitteln“ die Rede. Bei manchen Schwerpunkten ist gar kein operatives Budget angegeben. Die wichtige Empfehlung des OECD-Ausschusses für Entwicklungshilfe, mehr Mittel für die ärmsten Länder der Welt zur Verfügung zu stellen, fehlt im Dreijahresprogramm gänzlich. Leider, denn multiple Krisen können insbesondere für die ärmsten Menschen der Welt zu einer lebensbedrohlichen Spirale werden.

Menschenrechte, Politikkohärenz und Konditionalität: Prinzipien, an denen die Regierung ihre Entwicklungspolitik ausrichtet

Im Dreijahresprogramm 2022 – 2024 nennt die Bundesregierung Prinzipien, an denen sie Österreichs Entwicklungspolitik in den verbleibenden Jahren ausrichten möchte. Auf drei gehen wir in diesem Kommentar ein, darunter der menschenrechtsbasierte Ansatz: Mit ihm bekennt sich die Regierung dazu, dass entwicklungspolitische Programme und politischer Dialog die Maßstäbe „Partizipation, Transparenz, Rechenschaftspflicht und Nicht-Diskriminierung“ umsetzen sollen. Gender-Mainstreaming und Gender-Impact-Assessments, die unter anderem Geschlechtergerechtigkeit, reproduktive Gesundheit sowie die Beendigung von Gewalt gegen Frauen zur Maxime machen, sind laut Dreijahresprogramm für alle „außenpolitischen Tätigkeiten“ zentral. Ebenso soll sich Österreichs Entwicklungspolitik für die Rechte vulnerabler Menschen – Kinder, Menschen mit Behinderungen, alte Menschen, LGBTIQ+-Personen – sowie benachteiligter Gruppen und Minderheiten einsetzen, wofür „(…) der Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung und Sozialschutz eine entscheidende Rolle“ einnehme. Die Ergebnisse einer Evaluierung, die sich mit der Umsetzung des menschenrechtsbasierten Ansatzes im Rahmen der österreichischen Entwicklungspolitik auseinandergesetzt hat, fanden im Dreijahresprogramm jedoch keinen Eingang.[2]

Ein weiteres Prinzip ist Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung (PCSD), das sicherstellen soll, dass Maßnahmen der Wirtschafts-, Handels-, Finanz-, Landwirtschafts-, Sicherheits-, Migrations-, Sozial-, Gesundheits-, Bildungs-, Klima- und Umweltpolitik dazu beitragen, die Agenda 2030 und ihre 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung zu erreichen – also mit ihnen kohärent sind. Wir begrüßen, dass das neue Dreijahresprogramm PCSD mehr Platz als bisher einräumt und vorsieht, dass konkrete Maßnahmen in „(…) interministeriellen Abstimmungen definiert und deren Umsetzung auf den Weg gebracht werden (sollen)“. Ein Bericht[3] des europäischen Dachverbands CONCORD zeigte nämlich, dass in Österreichs Verwaltung zentrale Mechanismen fehlen, um politische Maßnahmen mit entwicklungspolitischen Zielen in Einklang zu bringen. Die Regierung ist gefragt, rasch geeignete Mechanismen einzusetzen.

Fraglich ist, weshalb die Bundesregierung erneut die sogenannte Konditionalität – und damit Migrationspolitik – als Prinzip in das Dreijahresprogramm integriert hat. Mit dem entsprechenden Absatz behält sie sich vor, die „Zuweisung von finanziellen Mitteln“ an die Bereitschaft von Empfängerländern zu koppeln, ihre Staatsbürger*innen, die ohne rechtmäßigen Aufenthaltstitel in Österreich leben, zurückzunehmen. Die entsprechenden Texte sind zwar abgeschwächt (so ist im Text von „Zusammenarbeit bei Rücknahmen“ die Rede), im Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik aber dennoch deplatziert. Einerseits gibt es in Österreich kaum Menschen aus Empfängerländern, die das betreffen würde, und andererseits entspricht diese Koppelung nicht der gesetzlich festgelegten Aufgabe von Entwicklungszusammenarbeit, Armut zu bekämpfen.

Was es beim nächsten Dreijahresprogramm zu beachten gilt

Fazit: Das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2022 – 2024 ist ein taugliches Grundlagendokument mit Luft nach oben, zumal es über weite Strecken unverbindlich bleibt und konkrete, spezifische Ziele fehlen. Im nächsten Dreijahresprogramm 2025 – 2027 gilt es unter anderem, zu priorisieren, zu fokussieren, konkreter und verbindlicher zu benennen, wie Österreich die gesetzten Ziele erreichen wird, Ziele und Maßnahmen stärker an Resultaten und Indikatoren auszurichten, inhaltlichen Schwerpunkten klare Budgets mit einheitlichen Bezugsgröße zuzuordnen und ein Prognoseszenario mit einem konkreten Stufenplan zur Erreichung des 0,7%-Ziels vorzulegen. Zuvor gilt es aber, das aktuelle Dokument in den verbleibenden zwei Jahren umzusetzen, denn darauf kommt es gerade in Zeiten multipler Krisen an. Das Dreijahresprogramm dient letztlich dazu, die Lebensperspektiven von Menschen zu verbessern und ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen.

(AG Globale Verantwortung)


Fußnoten

[1] Das Programm der Jahre 2019 bis 2021 enthielt eine vierte Priorität, Wirtschaft nachhaltig gestalten, die nun Teil von Priorität A ist.

[2] Austrian Development Agency (März 2021): Evaluation Brief #9, March 2021. Strategic Evaluation of the Human Rights-Based Approach (HRBA) within Austrian Development Cooperation

[3] AG Globale Verantwortung (21.01.2022): CONCORD: Test of the EU’s Integrity Towards the 2030 Agenda – The Status of Policy Coherence for Sustainable Development


Links

BMEIA (Nov. 2022): Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik 2022 bis 2024