Brotpanzer – Protest gegen Aufrüstung

In der Tat sprach der junge Mann ein zentrales Problem an, das mit dem
enttäuschenden Abschlussdokument von gestern deutlich zu Tage tritt: die
internationale Politik, vielmehr ihre Fähigkeit zur Gestaltung der
drängenden globalen Probleme (also das was im Fachjargon mit Global
Governance umschrieben wird) ist in einer schweren Krise. Es spricht
Bände, wenn aus heutiger Sicht die Rio Konferenz von 1992 mit ihren
greifbaren Ergebnissen (Rio-Deklaration, Klimarahmenkonvention,
Artenvielfaltskonvention, Agenda 21, Wald-Prinzipien) als Meilenstein
bezeichnet werden muss. Die Appelle von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon
bei der heutigen Eröffnungszeremonie, dass die Staats- und
Regierungschefs die zweite Chance, welche Rio+20 zur Lösung der globalen
Probleme biete, nicht verpassen dürften, wirkten da bestenfalls
hilflos.

Es wäre allerdings falsch, die Verantwortung für das schwache Ergebnis
den Schwellen –und Entwicklungsländern in die Schuhe zu schieben. Deren
Vorbehalte gegen die Green Economy oder gegen Verpflichtungen, die ihre
Wachstumsmöglichkeiten einschränken, sind grundsätzlich berechtigt. In
der Tat gibt es für viele Umweltprobleme eine historische Verantwortung
der Industrieländer, nicht zuletzt beim Klimawandel. Das Prinzip der
geteilten, aber differenzierten Verantwortung ist hier ernst zu nehmen.
Die Bremser auf der Konferenz zu zentralen Punkten wie der Aufwertung
von UNEP oder dem Meeresschutz waren zudem Industriestaaten,
insbesondere die USA und Canada. Freilich wird die Bewältigung zentraler
globaler Umweltprobleme mittel- und langfristig davon abhängen, ob es
gelingt, die großen Schwellenländern wie China davon zu überzeugen, dass
Nachhaltigkeit auch in ihrem Interesse ist. Wie das konkret
funktionieren kann, ist derzeit noch nicht klar absehbar.

Szenenwechsel – Auf dem Programm des Gipfels der Völker stand heute
Mittwoch ein großer Aufmarsch im Stadtzentrum von Rio. Geschätzte 50.000
Menschen taten ihre Ablehnung des herrschenden Entwicklungsmodells und
ihre Forderungen nach einer sozialen und ökologischen Zukunft lauthals
kund. Die bunte Mischung aus Umwelt-, Bauern-/Bäuerinnen-, Indigenen,
Frauen- und Gewerkschaftsorganisationen erging sich in kreativem
Aktionismus, das fröhliche Treiben verlief in friedvoller Atmosphäre.
Die brasilianische Regierung und Präsidentin Dilma Rousseff, die
aufgrund ihres Hangs zu umweltzerstörerischen Großprojekten meist mit
Motorsäge karikiert wurde, kamen dabei nicht wirklich gut weg. Wenig
überraschend wurde auch gegen das geplante Megakraftwerksprojekt Belo
Monte im Amazonas protestiert.

Damit wurde auch der offensichtliche Widerspruch zwischen auf der einen
Seite einem ressourcen- und umweltintensivem Wachstumsmodell in
Brasilien, und auf der anderen Seite dem offensichtlichen Bemühen der
brasilianischen Regierung, sich als großzügigen und engagierten
Gastgeber zu präsentieren,  recht gut aufgezeigt.