Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
(20.06.2012) Das sagte mir Dienstag Abend ein brasilanischer Schüler bei der Heimfahrt im Shuttlebus, der seiner Enttäuschung Luft machte, dass der vorgesehene Passus zur Rolle der Jugend zur Umsetzung nachhaltiger Entwicklung aus dem Abschlussdokument gestrichen worden war. Auf der Konferenz hatte es ein Jugendforum gegeben, an dem hunderte Jugendliche aus der ganzen Welt teilgenommen hatten.
In der Tat sprach der junge Mann ein zentrales Problem an, das mit dem enttäuschenden Abschlussdokument von gestern deutlich zu Tage tritt: die internationale Politik, vielmehr ihre Fähigkeit zur Gestaltung der drängenden globalen Probleme (also das was im Fachjargon mit Global Governance umschrieben wird) ist in einer schweren Krise. Es spricht Bände, wenn aus heutiger Sicht die Rio Konferenz von 1992 mit ihren greifbaren Ergebnissen (Rio-Deklaration, Klimarahmenkonvention, Artenvielfaltskonvention, Agenda 21, Wald-Prinzipien) als Meilenstein bezeichnet werden muss. Die Appelle von UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon bei der heutigen Eröffnungszeremonie, dass die Staats- und Regierungschefs die zweite Chance, welche Rio+20 zur Lösung der globalen Probleme biete, nicht verpassen dürften, wirkten da bestenfalls hilflos.
Es wäre allerdings falsch, die Verantwortung für das schwache Ergebnis den Schwellen und Entwicklungsländern in die Schuhe zu schieben. Deren Vorbehalte gegen die Green Economy oder gegen Verpflichtungen, die ihre Wachstumsmöglichkeiten einschränken, sind grundsätzlich berechtigt. In der Tat gibt es für viele Umweltprobleme eine historische Verantwortung der Industrieländer, nicht zuletzt beim Klimawandel. Das Prinzip der geteilten, aber differenzierten Verantwortung ist hier ernst zu nehmen. Die Bremser auf der Konferenz zu zentralen Punkten wie der Aufwertung von UNEP oder dem Meeresschutz waren zudem Industriestaaten, insbesondere die USA und Canada. Freilich wird die Bewältigung zentraler globaler Umweltprobleme mittel- und langfristig davon abhängen, ob es gelingt, die großen Schwellenländern wie China davon zu überzeugen, dass Nachhaltigkeit auch in ihrem Interesse ist. Wie das konkret funktionieren kann, ist derzeit noch nicht klar absehbar.
Szenenwechsel Auf dem Programm des Gipfels der Völker stand heute Mittwoch ein großer Aufmarsch im Stadtzentrum von Rio. Geschätzte 50.000 Menschen taten ihre Ablehnung des herrschenden Entwicklungsmodells und ihre Forderungen nach einer sozialen und ökologischen Zukunft lauthals kund. Die bunte Mischung aus Umwelt-, Bauern-/Bäuerinnen-, Indigenen, Frauen- und Gewerkschaftsorganisationen erging sich in kreativem Aktionismus, das fröhliche Treiben verlief in friedvoller Atmosphäre. Die brasilianische Regierung und Präsidentin Dilma Rousseff, die aufgrund ihres Hangs zu umweltzerstörerischen Großprojekten meist mit Motorsäge karikiert wurde, kamen dabei nicht wirklich gut weg. Wenig überraschend wurde auch gegen das geplante Megakraftwerksprojekt Belo Monte im Amazonas protestiert.
Damit wurde auch der offensichtliche Widerspruch zwischen auf der einen Seite einem ressourcen- und umweltintensivem Wachstumsmodell in Brasilien, und auf der anderen Seite dem offensichtlichen Bemühen der brasilianischen Regierung, sich als großzügigen und engagierten Gastgeber zu präsentieren, recht gut aufgezeigt.