Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
(21.06.2012) Was heute Donnerstag auf der Konferenz passiert, ist diplomatische Routine. Jeder anwesende Regierungsvertreter bzw. jede anwesende Regierungsvertreterin hat einen fünfminütigen Auftritt vor dem Plenum. Mal sind die Reden ambitionierter, mal auch nur voll mit höflichen Floskeln für die brasilianischen Gastgeber. Mal werden aktuelle Themen angesprochen, mal geht es nur darum, die eigenen Aktivitäten in ein gutes Licht zu stellen. Nach der Absage von Umweltminister Berlakovich hatte hier heute am späten Abend Staatssekretär Waldner seinen Auftritt.
Dazwischen gibt es Empfänge auf Einladung von global leaders wie Ban Ki-Moon oder Dilma Rousseff. Die High-Level Diskussionen mit Nobelpreisträgern und Super-Promis sind für normale Delegierte nicht zugänglich. Bleiben die vielen Side-Events der UN-Organisationen und NGOs, die zum Teil auf gutem Niveau stattfinden.
Morgen geht die Konferenz zu Ende. Zeit also für ein kurzes vorläufiges Resümee: ganz offensichtlich bleibt Rio+20 umweltpolitisch vieles schuldig. Weder hat man sich auf das phasing-out von Subventionen für fossile Brennstoffe geeinigt, noch ein Implementierungsabkommen für die UN-Seerechtskonvention beschlossen. Die institutionelle Aufwertung der Umweltpolitik im UN-System bleibt bescheiden, wenn gleich das neu eingerichtete High Level Panel for Sustainable Development ein Fortschritt ist. Zu vielen anderen Themen finden sich bestenfalls Absichterklärungen, deren Umsetzung in den nächsten Jahres keineswegs gesichert ist.
Aus entwicklungspolitischer Sicht ist das wesentliche Ergebnis der Beschluss zur Ausarbeitung von Sustainable Development Goals. Diese sollen bis Ende 2014 beschlossen werden. Von der Abschlusserklärung hervorgehoben wird, dass diese SDGs alle drei Dimensionen von Nachhaltiger Entwicklung in ausgewogener Form beinhalten sollen. Zudem sollen sie den Fokus nicht von der Erreichung der Milleniumsentwicklungsziele lenken. Es bleibt abzuwarten, ob der Ausarbeitungsprozess wie angekündigt wirklich transparent und einschließend sein wird. Offen bleibt aus heutiger Sicht auch, wie verbindlich die SDGs letztendlich sein werden.
Letztendlich entscheidend für die Fortschritte in den nächsten Jahren wird aber die weltwirtschaftliche und geopolitische Situation sein. Deutlich geworden ist auch in Rio die sich verändernde Machtbalance in der Welt. Selbstbewusst auftretende Schwellenländer fordern ihr Recht auf Entwicklung ein, womit sie im Wesentlichen einen ressourcen- und umweltintensiven Wachstumsprozess meinen. Sich hier zum Zweck ökologischer Nachhaltigkeit in internationale Vereinbarungen einbinden zu lassen, fällt ihnen schwer. Zu sehr hängt die Legitimität vieler Regierungen z.B. China, Indien, Brasilien, Türkei – an der raschen Verbesserung des Lebensstandards ihrer zunehmend urbanen Bevölkerungen. Ähnliches gilt für die USA. Der Schwerpunkt auf Wirtschaftswachstum war auch hier deutlich ausgeprägt. Auf der anderen Seite haben wir eine Europäische Union erlebt, deren traditionelle umweltpolitische Vorreiterrolle ob der schweren Wirtschaftskrise deutlich angeschlagen war. Letztlich stimmte die EU einem Abschlussdokument zu, in dem zentrale ihrer Forderungen nicht enthalten waren. Dazu haben auch interne Meinungsdivergenzen maßgeblich beigetragen.
Rio+20 wird daher im besten Fall als Durchhänger, im schlimmsten Fall als Wendepunkt in die Geschichte der internationalen Nachhaltigkeitspolitik eingehen.