bild3

Nachhaltige Entwicklung & Lebensperspektiven für Menschen

Die Regierung betont gleich zu Beginn des Abschnitts die Wichtigkeit der Instrumente der Entwicklungspolitik (i.e. Entwicklungszusammenarbeit, humanitäre Hilfe und entwicklungspolitische Bildung und Inlandsarbeit), der humanitären Prinzipien und der Grundprinzipien der Agenda 2030. Sie anerkennt die Rolle der EU als Global Player und bekennt sich zu einer stärkeren Hilfe vor Ort. Inhaltlich strebt die Regierung an, Menschen Lebensperspektiven in einem Umfeld sozialer und politischer Stabilität und eine nachhaltige Entwicklung – im Sinn der Agenda 2030 – zu ermöglichen. Die Förderung von Menschenrechten, Demokratisierung, Rechtsstaatlichkeit, Klimaschutz, die Unterstützung der Zivilgesellschaft vor Ort, Armutsbekämpfung und Kampf gegen Korruption werden explizit erwähnt. Auch Migration wird genannt, aber – wie später im Kapitel zur Migration deutlicher ausgeführt – in Bezug auf eine Minimierung von Fluchtursachen, wozu Entwicklungspolitik ja durchaus einen Beitrag leisten kann. Alles in allem orientiert sich die skizzierte Ausrichtung der Entwicklungspolitik im Regierungsprogramm überwiegend an den im EZA-Gesetz definierten Zielen (Bekämpfung der Armut, Sicherung des Friedens und menschlicher Sicherheit sowie die Erhaltung der Umwelt). Daher sehen wir in den Vorhaben eine gute Grundlage für eine engagierte und verstärkte Entwicklungspolitik.

Strategie für eine gesamtstaatliche Entwicklungspolitik

Mit der „Weiterentwicklung des Drei-Jahres-Programms der ADA zu einer Gesamtstrategie für eine kohärente, gesamtstaatliche und treffsichere Entwicklungspolitik mit Zielen und Zuständigkeiten“ (S.187) greift die neue Bundesregierung eine konkrete Empfehlung der AG Globale Verantwortung auf. [Anmerkung des Verfassers: das Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungspolitik 2019-2021 legt die Prinzipien, Zielsetzungen und Prioritäten der österreichischen Entwicklungspolitik fest. Es sollte demnach schon jetzt dem Anspruch einer Gesamtstrategie entsprechen und nicht nur für die ADA Gültigkeit haben.] Besonders positiv bewerten wir die Betonung einer interministeriellen Koordination in diesem Kontext, um sicherzustellen, „dass die Maßnahmen in der Wirtschafts-, Handels-, Finanz-, Landwirtschafts-, Migrations-, Sozial-, Klima- und Umweltpolitik die Erreichung der entwicklungspolitischen Ziele fördern“ (S.187). Erst durch diesen ganzheitlichen Ansatz kann Entwicklungspolitik seine volle Wirkung entfalten.

Erstmals: Eine Strategie für Österreichs Humanitäre Hilfe

Im Jahr 2020 werden laut UN 168 Millionen Menschen auf Humanitäre Hilfe angewiesen sein. Das ist jeder 45. Mensch auf der Welt und die höchste Anzahl seit Jahrzehnten. Die Klimakrise und zunehmende Konflikte werden die Situation in den nächsten Jahren verschärfen. Es ist daher besonders erfreulich  – und notwendiger denn je -, dass die Regierung erstmals für Österreichs Humanitäre Hilfe eine „Strategie mit Zielen und Zuständigkeiten erstellt“ (S.187). Ein Punkt, den die AG Globale Verantwortung angesichts des stetig steigenden Bedarfs an Humanitärer Hilfe schon lange vorschlägt. Damit kann Österreich Menschen in Notsituationen, vor allem bei langanhaltenden Krisen – Kriege dauern im Schnitt immer länger – koordinierter helfen.

Zukunftspakt mit Afrika

Die „Österreichische Initiative in der EU für einen EU-Zukunftspakt mit Afrika“ (S.188) ist im Regierungsprogramm zwar nicht näher konkretisiert, eine neue Partnerschaft auf Augenhöhe ist aber definitiv ein Gebot der Stunde. In Afrika befinden sich einige der ärmsten Länder der Welt, bittere Armut, Klimaschäden und unfaire Handelsbeziehungen rauben Menschen dort ihre Lebensperspektive und destabilisieren Staaten. Ein Viertel aller hungernden Menschen lebt auf diesem Kontinent. Mit einem umfassenden und in Zusammenarbeit mit afrikanischen Ländern erarbeiteten Zukunftspakt könnte die Regierung wesentliche Impulse für unseren Nachbarkontinent Afrika setzen: Infrastruktur schaffen, nachhaltige Landwirtschaft und Dienstleistungen ankurbeln, Menschenrechte und Demokratie fördern, lokale Märkte forcieren und Bildungsprogramme intensivieren, damit Menschen Arbeitsplätze finden und Perspektiven haben.

Bekenntnis zum 0,7 % Ziel & Maßnahmen zur Erreichung des Ziels

Bisher zählte Österreich zu den Schlusslichtern bei Entwicklungsleistungen, das könnte sich mit den Vorhaben im Regierungsprogramm nun ändern. Denn die Regierung bekennt sich zu einer schrittweisen Erhöhung der Entwicklungsgelder, um das international vereinbarte Ziel, 0,7% des BNE für Entwicklungsleistungen zur Verfügung zu stellen, zu erreichen.  Auch wenn ein konkreter Zeitrahmen zur Erreichung dessen leider fehlt, werden Maßnahmen und Schritte skizziert, ein Novum:

  • „Substantielle Erhöhung der Hilfe vor Ort: Aufstockung der humanitären Hilfe (u.a. für Flüchtlingslager vor Ort, aber auch für den Auslandskatastrophenfonds)
  • Ausweitung der finanziellen Mittel im Bereich der bi- und multilateralen EZA mit Fokus auf bilaterale Mittel
  • Aufwertung und ausreichende Finanzierung der entwicklungspolitischen Inlandsarbeit,um das Verständnis für globale Zusammenhänge und die Agenda 2030 zu fördern.“

Die Regierungsspitze hat mittlerweile bereits mehrfach bekräftigt,  die Hilfe vor Ort auszubauen.  Daher sind wir zuversichtlich, dass die Regierung die  Weichen für eine starke, engagierte Entwicklungspolitik bereits im nächsten Budget stellt. Das Leben von Millionen von Menschen  könnte dadurch verbessert werden. Österreich könnte beispielsweise mit 100 Millionen Euro eine Million Menschen in Äthiopien vor dem Hunger bewahren und eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung vorantreiben.

Förderung von Frauen & Gleichstellung der Geschlechter

Begrüßenswert ist, dass die Regierung die Förderung von Frauen und Gleichstellung der Geschlechter im nächsten Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungspolitik weiterführen will. Wir hoffen daher darauf, dass spezielle Programme für Frauen in den im Regierungsprogramm angeführten Themen wie Bildung, rechtliche Gleichstellung und Gewaltschutz ausgebaut werden.

Entwicklungspolitische Inlandsarbeit & Bildung

Ebenfalls begrüßenswert ist das Vorhaben der Regierung, die entwicklungspolitische Inlandsarbeit und Bildung aufzuwerten und ausreichend zu finanzieren – auch das ist ein Punkt, den wir als Dachverband immer wieder vorgeschlagen haben. Besonders in Bezug auf die Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung in Österreich kann diese Förderung ein wichtiger Hebel sein.

Entwicklungspolitik & Klimakrise

Zusätzlich zu den bereits genannten Erhöhungen der bi- und multilateralen EZA und der Humanitären Hilfe strebt die Regierung auch eine „Signifikante Erhöhung des österreichischen Beitrags zum Green Climate Fonds“ (S. 188) an. Das ist eine wichtige Maßnahme, zumal die Auswirkungen der Klimakrise ärmere Länder und arme oder sozial benachteiligte Menschen am meisten betreffen und nachhaltige Entwicklung oft verhindern beziehungsweise diesbezügliche Fortschritte oft wieder zunichtemachen. Es geht vor allem um Gebiete in Sub Sahara Afrika, kleine Inselstaaten und um die am wenigsten entwickelten Länder   (Least Developed Countries). Menschen in diesen Gebieten hängen von der Landwirtschaft ab, wo sich Klimaverschlechterungen besonders stark auswirken. Klima- und Entwicklungspolitik stehen in Wechselwirkung zueinander, sind aber dennoch zwei genuine Politikfelder. Es gilt zu beachten, dass Mittel für den Green Climate Fonds nicht auf Kosten entwicklungspolitischer Leistungen, insbesondere der Armutsbekämpfung gehen, sondern zusätzlich zu entwicklungspolitischen Leistungen (0,7% ODA – Quote) aufgebracht und nach sozialen und ökologischen Standards eingesetzt werden. Wenn die Regierung in beiden Politikfeldern zusätzliche finanzielle Mittel zur Verfügung stellt, kann sie Mensch und Umwelt gleichermaßen schützen.

Resümee

Sollten die Punkte im Kapitel zur Entwicklungszusammenarbeit  tatsächlich so umgesetzt werden, dann stärkt Österreich nicht nur sein Ansehen in der Welt, sondern nimmt auch seine internationale Verantwortung wieder stärker wahr und trägt letztlich dazu bei, ein gutes Leben für alle auf einem gesunden Planeten zu ermöglichen. Das ist wichtig, denn in einer globalisierten Welt wirken Krisen bis zu uns. Damit wir alle – auch in Österreich – in Frieden und Sicherheit leben können, braucht es politische Stabilität und soziale Sicherheit für alle Menschen auf der Welt. Vor allem aber Lebensperspektiven.

Alle Quellenangaben beziehen sich auf das Regierungsprogramm „Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020 – 2024“

Das Regierungsprogramm zum Download:
Aus Verantwortung für Österreich. Regierungsprogramm 2020 – 2024