Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
(09.08.2011) Anfang Juli hatte ich die Möglichkeit (und das Glück) eine Mitarbeiterin von Care Österreich, Silvia Kukla, bei einer Projektreise nach Burundi zu begleiten. Neben field visits, die uns in abgelegene Dörfer führten, empfand ich vor allem die Einblicke in die Arbeitsweise des Vor-Ort-Länderbüros als sehr interessant. Begeistert nahm ich bspw. die allumfassende Gender-Sensibilität der dort arbeitenden Männer (und Frauen) wahr.
Männer engagieren sich für GeschlechtergerechtigkeitKein Gender? Das ist doch Frauensache!, sondern ein klares Bekenntnis zur Gleichstellung von Mann und Frau, und zwar das weiß dort jede/r der ganzen Gesellschaft wegen. Dass für Care Burundi Geschlechtergerechtigkeit weit mehr als reine Frauenförderung ist, zeigt sich vor allem in den Projekten. Das Projekt Kirumara, das von der ADA gefördert wird, bezieht beispielsweise auch Männer intensiv mit ein.
In einem Dorf in der Nähe der Hauptstadt Bujumbura haben wir ein paar der Männer kennen gelernt, die den Wandel vom schlagenden Gatten zum Abatangemucho (=Lichtbringer) und somit zu einer gewaltfreien Beziehung vollzogen haben und stolz darauf sind. In einem Land mit einer traditionell hohen Quote an häuslicher, auch sexueller Gewalt (mind. jede vierte Frau ist betroffen) und im Alltag gebräuchlichen Redewendungen, die das Schlagen von Frauen als Merkmal echter Männlichkeit deklarieren, ein beachtliches Ergebnis.
Stärkung der Frauen auf vielen EbenenDas funktioniert u.a. darum, weil auf vielen verschiedenen Ebenen gearbeitet wird. Solidarity groups, die wie Spargruppen funktionieren, werden etabliert und ermöglichen den Familien ein zusätzliches Einkommen und den Frauen mehr finanzielle Unabhängigkeit. Dazu gibt es Trainings von außen: Frauen werden über ihre Rechte aufgeklärt das reicht von Reproduktionsrechten bis hin zum Zugang zu Land.
Daneben werden die Machtstrukturen innerhalb der gesamten Gesellschaft angesprochen Geschlechterungerechtigkeit dabei als eine von vielen Verletzungen des Gleichheitsgrundsatzes thematisiert. Jede/r, auch Männer, können Opfer von ungleicher Behandlung werden, ist das Fazit. Das sensibilisiert. Und führt zu Erfolgen. Da berichten Frauen von gewalttätigen, ja sogar mordenden, Ex-Ehemännern, die aufgrund von patriarchaler Traditionen vormals keine Verantwortung für ihr Tun übernehmen mussten, jetzt aber durch den Zusammenhalt der Frauen untereinander und die Unterstützung der Abatangemucho angezeigt und verurteilt werden.
Gesetzliche Grundlagen anpassenUnd freilich gilt es auch die gesetzlichen Rahmenbedingungen zu verändern, will man echte Gleichstellung. Kontinuierliches Lobbying von Care Burundi und anderen Organisationen im Land war diesbezüglich (vorausgesetzt die Regierung hält, was sie ankündigt) erfolgreich: ein neues Erbschaftsgesetz, das Frauen den Zugang zu Land ermöglicht, wird umgesetzt. All diese wichtigen Schritte werden von den MitarbeiterInnen, männlich wie weiblich, geplant und in Kooperation mit lokalen NRO umgesetzt.
Und zwar nicht nur im Rahmen EINES Projektes Care Burundi hat vielmehr bereits vollzogen, wovon ich Nord-NRO oft nur sprechen höre: den ‚programm-shift. Konkret bedeutet das, dass versucht wird, die einzelnen, von unterschiedlichen FördergeberInnen unterstützen Projekte im Rahmen des Programmes Geschlechtergerechtigkeit (eines von zwei Programmen von Care Burundi) zu verstehen, ein zu ordnen und in Verbindung zu setzen und auch zu evaluieren.
Nachhaltige Veränderungen inklusiveEine groß angelegte Studie zur Wirkung des Programmes ist geplant und wird in ein paar Jahren vermutlich ein subjektiver Blick in die Zukunft sei hier erlaubt feststellen, was schon jetzt gut sichtbar ist: dass ganzheitliches, fokussiertes Vorgehen auch nachhaltig Veränderungen für die Zielgruppe herbeiführen kann. Impact das habe ich u.a. in Burundi gelernt ist mehr als ein theoretisches Konzept.
Mehr noch als von der Professionalität der Care-Burundi-MitarbeiterInnen und dem enormen Einsatz der engagierten Ehrenamtlichen in den Dörfern, habe ich aber von der Zielgruppe selbst gelernt: Den starken Frauen Burundis, die bereit sind unter hohem persönlichen Risiko für die Gleichstellung der Frau zu kämpfen um ihrer willen, um ihrer Töchter willen, um der Gesellschaft willen.