Titelbild des PCSD-Berichts: Test of the EU’s Integrity Towards the 2030 Agenda
Screenshot / CONCORD

Ziel des Berichts unseres europäischen Dachverbands CONCORD ist es, Regierungen von Mitgliedsländern der EU und die Europäische Kommission dabei zu unterstützen, die Kohärenz aller Politikbereiche mit der Agenda 2030 zu verbessern. Denn Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung (Policy Coherence for Sustainable Development, PCSD) kann

  • Synergien zwischen Politikbereichen schaffen und
  • negativen Auswirkungen politischer Maßnahmen auf künftige Generationen sowie auf Länder des Globalen Südens entgegenwirken.

PCSD ist in Ziel 17.14 der nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) verankert und sieht vor, dass mehr Staaten Mechanismen nutzen, um PCSD zu verbessern. Die Autor*innen des Berichts prüften daher, welche Mechanismen in neun EU-Staaten (Österreich, Schweden, Belgien, Deutschland, Spanien, Slowenien, Niederlande, Italien, Tschechien) und der Europäischen Kommission bestehen und in wieweit diese die Kohärenz verbessern. Sie zogen dafür offizielle Quellen heran und führten Interviews mit Stakeholdern. Ihre Einschätzungen trafen sie entlang von Kriterien, die das Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) für Indikator 17.14.1 entwickelt hat. UNEP hat Kriterien entlang von acht Bereichen geordnet, um Fortschritte bei der Erreichung von SDG 17.14 messen zu können.

Diese Bereiche sind folgende:

  1. Institutionalisierung des politischen Bekenntnisses
  2. Langfristige Überlegungen bei der Entscheidungsfindung
  3. Interministerielle und sektorübergreifende Koordinierung
  4. Partizipative Prozesse
  5. Verknüpfungen von Politikbereichen („linkages“)
  6. Abgleich zwischen den Regierungsebenen („alignment“)
  7. Monitoring und Berichterstattung über Politikkohärenz
  8. Finanzierung für Politikkohärenz

Wie steht es um Politikkohärenz in Österreich?

Der Bericht zeigt auf, dass es in Österreich ein hohes politisches Bekenntnis zu Politikkohärenz im Interesse von Entwicklung (Vorgänger-Konzept zu Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung) durch die Verankerung im österreichischen Gesetz für Entwicklungszusammenarbeit, §1(5) sowie im Regierungsprogramm (2020-2024, im Kapitel Entwicklungszusammenarbeit) gibt. Die Verwaltung hat jedoch eingeschränkte Möglichkeiten, dieses Bekenntnis umzusetzen, da ihr das politische Mandat dazu fehlt und keine geeigneten Mechanismen zur Umsetzung bestehen. Der OECD DAC Peer Review Österreichs von 2020 empfahl der österreichischen Regierung daher auch, eine Institution zu ermächtigen und mit Ressourcen auszustatten, die Maßnahmen zu Politikkohärenz im Interesse von Entwicklung anleite, etwa einen Aktionsplan zu entwickeln, um wichtige Bereiche von Inkohärenzen zu behandeln.

Die interministerielle Arbeitsgruppe für die Umsetzung der SDGs (“IMAG“), die von Bundeskanzleramt und Außenministerium geleitet wird, könnte ein solches Gremium für die Stärkung von PCSD sein. Dafür müsste sie aber ein entsprechendes Mandat erhalten, um auch im Falle von Inkohärenzen aktiv werden zu können. Derzeit hat sie das Mandat sich über Aktivitäten zur Umsetzung der Agenda 2030 auszutauschen. Der Bericht betont, dass ein solcher Informationsaustausch nicht ausreicht, um PCSD zu erreichen.

Was können wir von anderen Ländern lernen?

Die Untersuchung der neun Länder zeigt auf, welche Mechanismen bereits angewandt oder entwickelt werden und hilfreich sein können:

  • Interministerielle Koordinierung zur Stärkung von PCSD,
  • Gremien unter Einbeziehung von Zivilgesellschaft und Wissenschaft, die politische Akteur*innen in der Verbesserung von PCSD beraten und eigene Stellungnahmen erstellen,
  • Strategien und Aktionspläne zur Verbesserung von PCSD mit konkreten Zielsetzungen in ausgewählten Politikbereichen (möglich als Teil von Strategien für nachhaltige Entwicklung), Berichterstattung über die Umsetzung von Strategien und Aktionsplänen,
  • Regelmäßige Abschätzungen der Auswirkungen politischer Maßnahmen auf die Erreichung der SDGs („Impact assessments“),
  • (Externe) Studien über mögliche negative Auswirkungen politischer Maßnahmen auf Länder des Globalen Südens sowie
  • Berichterstattung zu Indikator 17.14.1 als Teil der Freiwilligen Nationalen Berichte zur Umsetzung der SDGs.

Empfehlungen an die Mitgliedstaaten der EU

Der Bericht formuliert auf Grundlage der Analyse der Mechanismen Empfehlungen für Staaten.

Um die Stärkung von Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung voranzutreiben, sollten Regierungen:

  • die Erreichung von PCSD als zentrales politisches Ziel definieren,
  • Mechanismen dafür in die Umsetzung der Agenda 2030 einbetten,
  • die gesamte Regierung und alle Ministerien einbeziehen,
  • klare Ziele für PCSD definieren,
  • Auswirkungen aller nationalen Politiken auf Länder des Globalen Südens untersuchen, um negative Auswirkungen zu reduzieren,
  • mehr Forschung und Wissen über solche Auswirkungen anhand quantitativer und qualitativer Indikatoren (auch mittels externer Studien) ermöglichen,
  • effektive, inklusive und sinnvolle Partizipation der Zivilgesellschaft (inkl. Partner*innen aus dem Globalen Süden) sicherstellen,
  • eine zentrale politische Stelle einrichten, die im Falle von Inkohärenzen das Mandat hat, den Prozess zur Anpassung von Politiken anzuleiten,
  • ein System zur Überwachung des Fortschritts bei der Erreichung der Agenda 2030 inklusive PCSD einrichten sowie
  • ein Budget für die Kosten der nötigen Mechanismen zur Umsetzung von PCSD einplanen.

Der Bericht enthält außerdem eine Analyse sowie Empfehlungen an die Europäische Kommission, um PCSD auf europäischer Ebene zu verbessern.

Ein menschenwürdiges Leben für alle auf einem gesunden Planeten ist möglich. Entscheidend dafür ist, dass die Maßnahmen aller Politikbereiche die Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 nachhaltigen Entwicklungsziele weltweit unterstützen und nicht behindern. Dafür braucht es engagierte und konkrete Schritte von Regierungen, um dies sicherzustellen. Der vorliegende Bericht bietet dazu konkrete Anknüpfungspunkte.

Dieser Artikel wurde am 11.10.2022 überarbeitet.

Links:

CONCORD-Bericht: Test of the EU’s Integrity Towards the 2030 Agenda – The Status of Policy Coherence for Sustainable Development (PCSD)

(sv)