Wir haben verglichen, welche unserer entwicklungspolitischen Forderungen bzw. damit verbundene Themen sich in den Wahlprogrammen der österreichischen Parteien, die zur Nationalratswahl am 29. September 2024 antreten, wiederfinden. Die Forderungen übermittelten wir Anfang Juni den Parteien, deren Antritt bei der Wahl zu diesem Zeitpunkt schon festgestanden ist. In unserem Forderungsdokument konkretisieren wir jede der folgenden Forderungen in mindestens drei Unterpunkten.

Werden die Parteien in der nächsten Legislaturperiode …

  • Prinzipientreue und bedarfsgerechte Humanitäre Hilfe sicherstellen
    Wir fordern die künftige österreichische Bundesregierung sowie die Abgeordneten zum Nationalrat dazu auf, sich entschieden für Humanitäre Hilfe sowie weltweite Katastrophenprävention einzusetzen. Es ist unabdingbar, dass Österreich seine Ressourcen und Bemühungen verstärkt, um effektiv auf akute Notlagen reagieren, das Leben von Menschen schützen und langfristig ihre Sicherheit gewährleisten zu können.
  • Mit Entwicklungspolitik für mehr Stabilität in der Welt sorgen
    Wir fordern die künftige österreichische Bundesregierung sowie die Abgeordneten zum Nationalrat dazu auf, Entwicklungszusammenarbeit und weitere Maßnahmen der internationalen Entwicklung verlässlich zu unterstützen. Sowohl durch verbesserte Rahmenbedingungen, zusätzliche Mittel als auch durch kohärente und glaubwürdige Politiken, die weltweit nachhaltige Entwicklung fördern.
  • Klimagerechtigkeit als globale Verantwortung priorisieren
    Wir fordern die künftige österreichische Bundesregierung sowie die Abgeordneten zum Nationalrat dazu auf, sich entsprechend der österreichischen Mitverantwortung an der Klimakrise für Klimagerechtigkeit einzusetzen. Zum Beispiel durch zusätzliche Klimaschutz- und Klimafinanzierungsmaßnahmen, die Menschen in Ländern des Globalen Südens dabei unterstützen, sich an die Auswirkungen der Klimakrise anzupassen oder Schäden und Verluste zu bewältigen.
  • Demokratie fördern und Zivilgesellschaft stärken
    Wir fordern die künftige österreichische Bundesregierung sowie die Abgeordneten zum Nationalrat dazu auf, Projekte zur Stärkung von Zivilgesellschaft und Menschenrechten weltweit sowie zu Bildungs- und Informationsarbeit in Österreich auszubauen. Diese schaffen eine wesentliche Grundlage für nachhaltige Entwicklung und fördern die Demokratie und Zivilgesellschaft.

Im Folgenden gehen wir genauer auf die Wahlprogramme und Positionierungen der Parteien ein:

ÖVP

Spitzenkandidat Karl Nehmammer

In ihrem Wahlprogramm bezeichnet die ÖVP effiziente Hilfe vor Ort als eine wichtige Säule, um die Lebensperspektiven von Menschen vor Ort zu verbessern. Ansonsten erwähnt die ÖVP die Entwicklungszusammenarbeit (EZA) nur in Zusammenhang mit Migration. So sollen bei mangelnder Kooperation im Bereich Migration und Rückführungen Mittel gestrichen werden, wobei die Tatsache, dass aus Österreichs Schwerpunktländern kaum Flüchtlinge kommen, unerwähnt bleibt. Details oder konkrete Maßnahmen finden sich im Wahlprogramm der ÖVP nicht.

Beim Thema Klimaschutz bekennt sich die ÖVP allgemein zu einem effektiven Umwelt- und Klimaschutz und zu den Pariser Klimaschutzzielen, spricht sich aber andererseits unter anderem gegen den Green Deal der EU aus und setzt auf Eigenverantwortung der Bürger*innen, sowie auf technische Innovation, die die Klimakrise lösen soll. Auf internationale Klimazielen und Finanzierung geht das Programm nicht ein.

SPÖ

Spitzenkandidat Andreas Babler

Die SPÖ widmet der Entwicklungspolitik in ihrem Wahlprogramm breiten Raum und nennt auch ganz konkrete Maßnahmen, wie etwa das 0,7%-Ziel gesetzlich festzulegen und den Auslandskatastrophenfonds weiter aufzustocken.

Eine gut aufeinander abgestimmte Politik, die eine nachhaltige Entwicklung unterstützt und diese nicht behindert, wird genauso erwähnt wie eine ambitionierte Umsetzung des Lieferkettengesetzes, das Eintreten für die EU-Entwaldungsverordnung und der Fokus auf Menschenrechte und das internationale Recht in der Außenpolitik. Ebenso finden sich eine Verstärkung der entwicklungspolitischen Bildungsarbeit, eine Stärkung der Zivilgesellschaft, Geschlechtergerechtigkeit und eine feministische Außenpolitik im Wahlprogramm der SPÖ.

Beim Klimaschutz bekennt sich die SPÖ zur CO2-Neutralität bis 2040 und tritt für die EU-Entwaldungsverordnung ein. Weitere internationale Klimaziele enthält das Wahlprogramm nicht.

FPÖ

Spitzenkandidat Herbert Kickl

Im Wahlprogramm der FPÖ findet sich nur ein kurzer Absatz, der EZA an die Rücknahme von Geflüchteten koppelt und eine interessensgeleitete Entwicklungshilfe betont. Was interessensgeleitet bedeutet, erklärt die FPÖ nicht.

Die Grünen

Spitzenkandidat Werner Kogler

Die Grünen widmen im Vergleich mit den anderen Parteien der Entwicklungspolitik den meisten Platz in ihrem Wahlprogramm. Thematisch eingebettet in geopolitischen Fragestellungen, internationaler Politik und den Folgen der Klimakrise treten die Grünen für eine nachhaltige Entwicklungspolitik ein, die Ernährungssicherheit als Menschenrecht garantiert und die ärmsten Staaten vor allem bei Klimaschutz und Anpassungsmaßnahmen unterstützt.

Die Grünen wollen faire Handelsbeziehungen forcieren und das EU-Lieferkettengesetz ambitioniert umsetzen. Sie treten für den Ausbau von Menschenrechten und Demokratie und für die Einhaltung der humanitären Prinzipien ein. Zwar stehen konkrete Maßnahmen nicht im Vordergrund, jedoch werden die weitere Aufstockung der Mittel für Humanitäre Hilfe, sowie die Erfüllung des 0,7%-Ziels genannt.

Die Grünen bekennen sich zu einem umfassenden Klimaschutz, zu CO2-Neutralität bis 2040 und stehen für eine weitere Aufstockung der internationalen Klimafinanzierung. Die geforderte Abschaffung klimaschädlicher Subventionen betrifft allerdings nur das Inland.

NEOS

Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger

Das Wahlprogramm der NEOS enthält einen kurzen Absatz zur Entwicklungspolitik. Sie bekennen sich zu einer wertebasierten, nachhaltigen Außen- und Handelspolitik. Die NEOS betonen ihre internationale Ausrichtung, treten für fairen Handel und eine langfristig angelegte EZA basierend auf der Agenda 2030 und dem Pariser Klimaabkommen ein. Die liberale Demokratie sowie die internationale Rechtsordnung wollen sie stärken.

Die NEOS bekennen sich zur CO2-Neutralität bis 2040. Internationale Klimaziele und Finanzierung beinhaltet das Wahlprogramm nicht.

KPÖ

Spitzenkandidat Tobias Schweiger

Das Wahlprogramm der KPÖ hat kein Kapitel zur Entwicklungspolitik, tritt in anderem Zusammenhang aber dafür ein, der Zivilbevölkerung in Kriegs- und Krisengebieten zu helfen und sie beim Wiederaufbau zu unterstützen.

KEINE VON DENEN (Wandel)

Fayad Mulla

Das 100-Schritteprogramm auf der Webseite des Wandels ist kaum international ausgerichtet, Entwicklungspolitik, EZA und Humanitäre Hilfe werden nicht thematisiert. Entwicklungspolitisch relevant sind lediglich punktuelle Überschneidungen in Bezug auf internationale Verpflichtungen, wie das Engagement für ein Lieferkettengesetz. Sie treten für die Umsetzung von nationalen Klimazielen ein, ohne dabei globale Gerechtigkeitsfragen zu berücksichtigen. Auch über Demokratie spricht KEINE VON DENEN (Wandel) ausschließlich im nationalen Kontext und geht nicht auf die Rolle der Zivilgesellschaft ein.

Bierpartei

Spitzenkandidat Dominik Wlazny

Die Bierpartei konzentriert sich auf Reformen für politische Transparenz und Kompetenz. Zu konkreten Maßnahmen der internationalen Entwicklung und Humanitären Hilfe sowie Klimagerechtigkeit oder die Stärkung der Demokratie und Zivilgesellschaft positioniert sie sich nicht.

Liste Madeleine Petrovic

Spitzenkandidatin Madeleine Petrovic

Die Liste Madeleine Petrovic bezieht keine entwicklungspolitischen Positionen. Im Zuge des Nationalratswahlkampfs befasst sie sich mit Neutralitätspolitik und sieht Österreich dahingehend als potenziellen Vermittler in internationalen Konflikten sowie als Unterstützer der Humanitären Hilfe. Den Ausbau der österreichischen Humanitären Hilfe (z.B. eine Aufstockung des Auslandskatastrophenfonds) fordert die Partei nicht. Die Liste thematisiert die Klimakrise im österreichischen Kontext, aber nicht deren globale Dimension, und Demokratie im Sinne der Grund- und Freiheitsrechte in Österreich.