Hochrangige Podiumsdiskussion des High-Level-Events (12.10.2023). V.l.n.r.: BM Leonore Gewesseler, Edeltraud Glettler (BMGSKP) und Expertin Elizabeth Nsimadala © Eugenie Sophie

Den Auftakt des diesjährigen SDG Dialogforum Österreichs 3.0 machten am 3., 5. und 11. Oktober 2023 wieder vier öffentliche Diskussionsrunden, zu denen Bundesministerien gemeinsam mit dem Ban Ki-moon Centre for Global Citizens (BKMC) und Mitgliedsorganisationen der zivilgesellschaftlichen Plattform SDG Watch Austria einluden: Drei sogenannte Innovationspools und ein Reflexionspool, der an Ergebnisse des entwicklungspolitischen Innovationspools des Vorjahres und eine daraus entstandene Umsetzungspartnerschaft anknüpfte.

Innovationspools 2023: Gesamtgesellschaftliche und globale Lösungen für aktuelle Herausforderungen gefragt

Monika Froehler, Geschäftsführerin des Ban Ki-moon Centre, eröffnete das High-Level-Event (12.10.2023) © Eugenie Sophie

Es reiche nicht aus, wenn die Politik individuelle Kompetenzen fördere, um zu einer nachhaltigen Entwicklung und in weiterer Folge zur Umsetzung der Agenda 2030 und ihrer 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) beizutragen. Stattdessen sollten kollektive bzw. gesamtgesellschaftliche Kompetenzen von Organisationen und der Verwaltung im Fokus stehen, waren sich zahlreiche Teilnehmende von Skills für 2030, dem hybriden Innovationspool unter Schirmherrschaft des BMAW, einig.

Die Diskussionsteilnehmenden von Niemanden zurücklassen – sozialer Zusammenhalt und Solidarität in Zeiten multipler Krisen (BMSGPK) kamen zum Schluss, dass zwar SDG 1 (keine Armut) in Österreich formal als erreicht gelte, aber es in Anbetracht der Multidimensionalität von Armut noch genug zu tun gebe. Diese berücksichtigt den Zugang zur Gesundheitsversorgung (inklusive Ernährungssicherheit) und zu Bildung sowie den Lebensstandard der Einwohner*innen eines Landes. Um weltweit Ungleichheiten zu verringern, brauche es zudem eine fairere Weltwirtschaft, mehr Mittel für die österreichische Entwicklungszusammenarbeit und Schuldenerlässe für Staaten, die aufgrund hoher Schulden nicht in ihre Sozialsysteme einzahlen und in nachhaltige Entwicklung investieren können.

Die Keynote des Innovationspools Schutz der Biosphäre – Nachhaltige Entwicklung innerhalb planetarer Grenzen (BMK) behandelte das Konzept der sozialen Kipppunkte, das in Bezug auf die Klimakrise zunehmend an Bedeutung gewinne. So könne das Schmelzen der Gletscher nur aufgehalten werden, wenn die Gesellschaft an einem Punkt angelangt, der einen kollektiven Übergang zu klimafreundlichem Verhalten auslöst. Dazu wollen zum Beispiel Klima- und Umweltschutzinitiativen beitragen. Eine anschließende Diskussionsgruppe kam in ihrer Diskussion zum Schluss, dass es für eine weltweite nachhaltige Entwicklung strengere Maßnahmen brauche, beispielsweise ein umfassendes Lieferkettengesetz und eine effektive öko-soziale Steuerreform.

Expert*innen aus Globalem Süden betonten notwendige Ernährungssicherheit

Elizabeth Nsimalda und Million Belay diskutierten beim Reflexionspool (11.10.2023) © Globale Verantwortung

Beim entwicklungspolitischen Reflexionspool, zu dem wir gemeinsam mit dem BMEIA, der Universität für Bodenkultur (BOKU) und der Koordinationsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz für internationale Entwicklung und Mission (KOO) am 11. Oktober einluden, diskutierten zwei internationale Landwirtschaftsexpert*innen über Resilienz in der Ernährungssicherheit im Globalen Süden:

Elizabeth Nsimadala berichtete, klimabedingte Naturkatastrophen in bisher unbekanntem Ausmaß zu erleben. Die Kleinbäuerin aus Uganda ist Präsidentin der Eastern Africa Farmers‘ Federation, Direktorin für Frauenfragen der Pan Africa Farmers‘ Organization sowie Afrika-Vertreterin im Vorstand der World Farmers‘ Organisation. Aufgrund der langen Dürre zwischen April und August verlor sie 80% ihrer Setzlinge, neues Saatgut sei extrem teuer und schwer zu bekommen. Die Kosten für Dünger haben sich seit dem Krieg gegen die Ukraine verdoppelt. Für Frauen in afrikanischen Ländern sei die Situation besonders fatal: Sie stemmen 60% der Landwirtschaft, seien aber weitgehend von Entscheidungen ausgeschlossen, so die Nsimadala. 

Million Belay, der auf Einladung der AG Globale Verantwortung am SDG Dialogforum 3.0 teilnahm, verwies darauf, dass der internationale kommerzielle Landwirtschafts- und Nahrungsmittelsektor die Ernährungssicherheit im Globalen Süden in Bedrängnis bringe. Der Koordinator der Alliance for Food Sovereignty in Africa, der unter anderem auch Mitglied des International Panel of Experts on Sustainable Food Systems ist, verwehrte sich gegen das Narrativ, dass kleinbäuerliche Anbaumethoden rückständig seien und es gentechnisch modifiziertes Saatgut, künstlichen Dünger und Pestizide brauche. Denn nicht höhere Erträge machen notwendigerweise satt, sondern gesundes und nahrhaftes Essen, das der Ernährungsweise der Menschen entspreche und die Umwelt wie auch Biodiversität schone. Wie der Innovationspool Niemanden zurücklassen kam auch Belay zum Schluss, dass die Schuldenkrise es vielen Staaten unmöglich mache, selbstständig auf Katastrophen zu reagieren, geschweige denn, präventive Maßnahmen zu setzen.

Die zwei Expert*innen begrüßten, dass BMEIA, BOKU, KOO und AG Globale Verantwortung im Anschluss an den entwicklungspolitischen Innovationspool des letzten Jahres eine Umsetzungspartnerschaft eingingen, um gemeinsam Empfehlungen für Resilienz in der Ernährungssicherheit für die österreichische Entwicklungspolitik auszuarbeiteten. Million Belay betonte, dass mehr Flexibilität und längere Projektlaufzeiten notwendig seien. Die Stärkung der Rechte von Kleinbäuer*innen sowie die Förderung eines agrarökologischen Ansatzes sollten im Fokus stehen und gentechnisch modifiziertes Saatgut nicht gefördert werden. Außerdem sei es wesentlich, Ernährungssicherheit zum Gegenstand von Politikkohärenz im Interesse nachhaltiger Entwicklung (PCSD) zu machen.

Minister*innen-Diskussion: Österreich trage Verantwortung für weltweite nachhaltige Entwicklung

Vetreter*innen des Rebels of Change Jugendforums beim High-Level-Event (12.10.2023) © Eugenie Sophie

Mit dem abschließenden High-Level-Event am 12. Oktober in den Wiener Sofiensälen erreichte das SDG Dialogforum Österreichs 3.0 schließlich seinen Höhepunkt: Raporteur*innen präsentierten die Ergebnisse der vorangegangenen Innovations- und Reflexionspools. Drei Projekte, die auf Landesebene zur Umsetzung der Agenda 2030 beitragen, wurden ausgezeichnet, und Vertreter*innen des Rebels of Change Jugendforums stellten ihr Manifest für ein nachhaltigeres Österreich vor. So forderten die Jugendlichen etwa von der Politik, Reichtum umzuverteilen, Nachteile für Patient*innen ohne Sonderklasse abzuschaffen, das Ende der fossilen Brennstoffe sowie des Überkonsums einzuläuten und für mehr Diversität im Lehrkörper, feministische Bildung, einen besseren Schutz für queere Personen und gleiche Bezahlung für alle Geschlechter zu sorgen.

Hochrangige Podiumsdiskussion des High-Level-Events (12.10.2023). V.l.n.r.: BM Martin Kocher, BM Leonore Gewesseler, Moderatorin Gundula Geiginger, Edeltraud Glettler (BMGSKP) und Expertin Elizabeth Nsimadala © Eugenie Sophie

Bei der anschließenden Podiumsdiskussion mit den Bundesminister*innen Karoline Edtstadler, Leonore Gewessler und Martin Kocher sowie mit Edeltraud Glettler, Sektionsleiterin im BMGSKP, erklärte Elizabeth Nsimadala, dass die Natur die Lebensversicherung von Kleinbäuer*innen sei und forderte mehr Unterstützung, auch im Klimaschutz. Ministerin Gewessler bestätigte, dass Österreich weltweit Verantwortung zu übernehmen habe und daher in den Anpassungsfonds einzahle und bilaterale Projekte finanziere. Die Minister*innen Kocher und Gewessler waren sich einig, dass es einen New Global Financial Pact, bessere Hebel für Privatsektorinvestitionen und eine Umgestaltung Internationaler Finanzinstitutionen brauche. Minister Kocher betonte zudem, dass Wachstum in Ländern des Globalen Südens grün sein sollte.

(ke/hh)


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