Portrait von Autorin Miriam Mukalazi
Autorin Miriam Mukalazi. © Minitta Kandlbauer

Sexualisierte und geschlechterbasierte Gewalt in bewaffneten Konflikten wird in internationalen Rechtsrahmen anerkannt.[1] Jedoch bleibt der Schutz der Überlebenden, die Aufarbeitung von Gewaltverbrechen sowie die Strafverfolgung der Täter extrem gering. In Kriegen üben nicht nur militärische Akteure, sondern auch die eigenen Familienangehörige, Mitarbeitende von UN-Friedensmissionen und Hilfsorganisationen sexualisierte Gewalt aus. Die Liste der Täter*innen ist lang, deren Strafverfolgung findet jedoch nur vereinzelt statt.[2]

Lücken bei der Aufarbeitung

Sexualisierte Gewalt dient in bewaffneten Konflikten dazu, politische Oppositionen und spezifische Bevölkerungsgruppen zu destabilisieren oder gar auszulöschen. Eine feministische Analyse von bewaffneten Konflikten ermöglicht es, sexualisierte Gewalt als Ausdruck patriarchaler Machtverhältnisse zu verstehen: Als Gewalt, die alle Altersgruppen und Geschlechteridentitäten betreffen kann, wobei Frauen und Mädchen sind weiterhin überproportional betroffen sind.

In der Ukraine etwa häufen sich Berichte über Männer, die in russischer Gefangenschaft gefoltert werden.[3] Dazu zählen die Androhung und Ausführung von Vergewaltigungen, erzwungene Penetrationen mit Fremdkörpern oder Elektroschocks an den Genitalien.[4] Allgemein ist zu beobachten: Täter handeln im Bewusstsein der schwierigen Strafverfolgung dieser Kriegsverbrechen und scheinen sich somit ihrer Amnestie sicher zu sein. Die Überlebenden hingegen bleiben oft unbeachtet, sei es in der medizinischen Versorgung, in der psychologischen Betreuung oder in der juristischen Aufarbeitung. Dies schreckt Überlende von sexualisierter Gewalt ab, ihre Fälle zu melden und aufzuarbeiten.

Des Weiteren wird die Situation von Kindern, die aus Vergewaltigungen hervorgehen, weiterhin kaum beachtet. Berichte aus dem Sudan zeigen, wie die traumatischen Erfahrungen der Mütter sich häufig auf die Kinder übertragen, da beide gemeinsam gesellschaftliche Ausgrenzung erfahren.[5] Nicht nur haftet den Kindern ein massives Stigma an, sondern ihnen fehlen oft auch elementare Dokumente wie Geburtsurkunden. Ohne diese Papiere existieren sie praktisch nicht, was eine juristische Aufarbeitung nahezu unmöglich macht. Diese Beispiele sind nicht neu. Sie stehen exemplarisch für historische, patriarchale Gewalt, die in der Kriegsführung bis heute normalisiert und akzeptiert wird.

Aufarbeitung und Prävention gehen Hand in Hand

Seit Jahrzehnten fordern Aktivistinnen wie Sandrine Lusamba die internationale Gemeinschaft auf, endlich den Überlebenden von sexualisierter Gewalt zu ihrem Recht zu verhelfen.[6] Mit ihrer NGO Solidarité féminine pour la paix et le développement intégral organisiert sie in der Demokratischen Republik Kongo mobile Gerichte und übernimmt sämtliche Kosten, von Transport über Unterkunft bis hin zu Anwaltsgebühren. So verschafft sie Überlebenden Gehör, die sich sonst keine Gerichtsverfahren leisten könnten und oft weit entfernt von zuständigen Gerichten leben. Dieses Beispiel zeigt, dass feministische Organisationen dort einspringen, wo Staaten und internationale Institutionen versagen.

Um die Aufarbeitung sexualisierter Gewalt langfristig zu sichern, braucht es eine stärkere internationale Finanzierung solcher Initiativen anstatt weiterer Budgetkürzungen. Gleichzeitig muss die Prävention noch stärker in den Vordergrund rücken. Der Friedensnobelpreisträger und Gynäkologe Dr. Denis Mukwege plädiert seit langem, aktiv Jungen und Männer in die Verantwortung zu nehmen und deren potenzielle doppelte Rolle als potenzielle Täter, aber auch als Überlebende von sexualisierter Gewalt zu adressieren.[7] Es braucht hierfür Investitionen in Aufklärungsarbeit zu sexualisierter und geschlechtsspezifischer Gewalt, sei es innerhalb militärischer Strukturen, in der zivilen Friedensarbeit oder der juristischen Aufarbeitung von Kriegsverbrechen.[8]

Bekenntnis der österreichischen Regierung zu feministischen Prinzipien ausstehend

Der dramatische Anstieg sexualisierter Gewalt fällt mit einem historischen Höchststand von 185 bewaffneten Konflikten zusammen. Laut der Universität Uppsala wurden 2024 weltweit so viele Konflikte verzeichnet wie nie zuvor seit Beginn der Datenerhebung 1946.[9] Diese Zahlen sollten für die österreichische Bundesregierung ein Weckruf sein, zumal sich diese um einen temporären Sitz im UN-Sicherheitsrat bemüht. Allerdings untergräbt die Regierung ihr dahingehendes friedens- und sicherheitspolitisches Engagement durch ihre jüngsten Budgetkürzungen in der Entwicklungszusammenarbeit, Humanitären Hilfe und entwicklungspolitischen Inlandsarbeit.

Auch die immense weltweite Militarisierung und das Erstarken autoritärer Regime[10] verlangt nach einem klaren politischen Bekenntnis zu feministischen Prinzipien in der Aufarbeitung von Kriegsverbrechen sowie in der Konfliktprävention, die mit der Prävention von sexualisierter Gewalt einhergeht. Eine menschenrechtsbasierte Außenpolitik Österreichs soll nicht nur auf Krisen reagieren, sondern muss auch patriarchale Gewaltstrukturen als Ursachen von Konflikten anerkennen und diese bekämpfen. Neben dem Engagement für den UN-Sicherheitsrat bieten dafür die nationale Umsetzung der Resolution 1325 mit der Agenda Frauen, Frieden und Sicherheit sowie das Dreijahresprogramm der österreichischen Entwicklungspolitik den geeigneten politischen Rahmen.

Mehr zur UN-Resolution 1325

Dieses Jahr feiert die UN-Resolution 1325 ihr 25-jähriges Jubiläum. Verabschiedet im Jahr 2000 markiert sie einen Meilenstein feministischer Ansätze in der Friedens- und Sicherheitspolitik. Auch Österreich bekennt sich mit seinem Nationalen Aktionsplan zu den vier Säulen der Agenda 1325: Konfliktprävention, Schutz von Überlebenden sexualisierter Gewalt, inklusive Beteiligung von Frauen an Friedensprozessen sowie nachhaltigem Wiederaufbau von Konfliktgesellschaften.


Fußnoten

[1] siehe beispielsweise Römer-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs, UN-Resolution 1820 über sexuelle Gewalt in Konflikten sowie die Genfer-Konventionen.

[2] Weltsichten (25.03.2025): Beschützer werden zur Gefahr

[3] Human Rights Council (18.03.2024): Report of the Independent International Commission of Inquiry on Ukraine to the Human Rights Council, A/HRC/55/66, 2024

[4] Kseniya Kvita (08.10.2024): Opinion: Silent victims of sexual violence, Ukraine’s male POWs deserve real support

[5] SIHA Network (25.04.2024): The Aftermath of Rape: Unwanted Pregnancies and Abandoned Children

[6] Sandrine Lusamba (11.12.2023): Briefing des UN-Sicherheitsrats zur Demokratischen Republik Kongo von Sandrine Lusamba

[7] Denis Mukwege (10.12.2018): Nobel Prize lecture

[8] MenEngage Alliance (22.10.2025): Men, Masculinities, and Feminist Foreign Policy

[9] Uppsala Universitet (11.06.2025): Uppsala Conflict Data Program

[10] United Nations (o.D.): The true cost of peace. Rebalancing world military spending for a sustainable and peaceful future


Über die Autorin

Miriam Mona Mukalazi ist promovierte Politikwissenschaftlerin und arbeitet am VIDC zu Afrikapolitik, Frieden und Sicherheit. Zuletzt organisierte sie eine Veranstaltung zu Legal Accountability and Feminist Peacebuilding in der Schwedischen Botschaft in Wien.


In der Rubrik Kommentar der Anderen bietet die AG Globale Verantwortung Expert*innen die Möglichkeit, aktuelle und relevante entwicklungspolitische Themen zu kommentieren sowie ihre Meinung zu präsentieren. Das Ziel ist, Debatten über Entwicklungspolitik zu ermöglichen, den demokratischen Diskurs zu fördern und die Bedeutung der Umsetzung der Agenda 2030 hervorzuheben.

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