Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
(16.11. 2011) Anfang dieser Woche einigten sich die europäischen Außenminister in Brüssel zur entwicklungspolitischen Position der EU für das High Level Forum in Busan. In der Vergangenheit brachte die EU immer wieder Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit als zentrale Bestandteile in die entwicklungspolitische Debatte ein. Im Vorfeld zu Busan sind jedoch zusehends Zugeständnisse gegenüber neuen Geberländern und dem Privatsektor zu erkennen. Wirksame EZA im Sinne einer nachhaltigen Reduktion von Armut ist damit gefährdet.
Bekenntnis zu Pariser Erklärung steht auf dem SpielDie EU bekräftigt zwar ihre Absicht, die bestehende aid effectiveness agenda nicht zu schwächen, lässt sich aber auf keine klaren Zielsetzungen ein. Im Gegenteil: Die EU strebt in Busan ein gemeinsames Abkommen aller Beteiligten an und möchte auch die neuen emerging donors und privatwirtschaftliche Player mit ins Boot holen. Es bleibt zu befürchten, dass dies zu Lasten bereits bestehender Prinzipien und Standards gehen wird.
Konkrete Standards für Privatsektor auch einfordern!Zwar ist diesbezüglich der Vorstoß der EU, auch für EZA-Partner aus der Privatwirtschaft konkrete Standards anzuregen, positiv zu werten. Mit einem vagen Vorschlag ist es allerdings nicht getan, die EU muss diese Forderung in Busan mit Nachdruck verfolgen. Der Privatsektor hat sich zu Menschen- und ArbeitnehmerInnenrechten zu bekennen, eine Nicht-Einhaltung ist zu sanktionieren. Andernfalls droht ein Ausbremsen entwicklungspolitischer zugunsten ökonomischer Interessen und wirksame EZA rückt in weite Ferne.
Schwächung der RechenschaftspflichtBislang wurden Geberländer hinsichtlich ihrer Umsetzung von Pariser Erklärung und Accra Agenda for Action in regelmäßigem Abständen auf Basis international akkordierter Indikatoren bewertet. Auch wenn die Evaluierungen kaum Fortschritte nachweisen konnten, ermöglichte dieses globale Monitoring den Empfängerländern, ihre Donoren zur Rechenschaft zu ziehen.
Die EU will nun und geht dabei konform mit den emerging donors Bewertungen nur mehr auf Länderebene durchführen und auch die Zahl der Indikatoren reduzieren.
Aufhebung der Lieferbindungen (untying of aid) kein ThemaTrotz wiederholter Forderungen von Empfängerländern und NGO-Seite hat sich bei der Aufhebung der Lieferbindungen für Entwicklungsländer nichts getan. Im vorliegenden Positionspapier ist dieses für die Mobilisierung lokaler Ressourcen und Stärkung der regionalen Wirtschaft der Empfängerländer so relevante Thema nicht einmal erwähnt. Hier ist ganz deutlich zu erkennen, dass die EU anders als in Paris und Accra nicht mehr dazu bereit ist, eine Vorreiterrolle einzunehmen und auch inhaltlich ihrer Rolle als weltgrößte Geberin von EZA-Mitteln gerecht zu werden.
Menschenrechte nicht prioritärEine Entwicklung, die sich auch andernorts fest stellen lässt: in Accra galt die EU als Unterstützerin des NRO-Anliegen, Menschenrechte und Geschlechtergerechtigkeit als Basis der EZA zu verankern. Im Vorfeld zu Busan machte die EU deutlich, dass sie bereit ist auch hier Zugeständnisse gegenüber emerging donors und Privatsektor zu machen. NRO fordern seit Beginn des Vorbereitungsprozesses ein starkes Bekenntnis zur Einhaltung und Förderung der Menschenrechte ein leider ohne Erfolg. Wie EZA ohne diese conditio sine qua non wirksamer werden kann, bleibt offen.
Gender-Ziel nicht umgesetztFrauen in Empfängerländern kommt bei der Umsetzung wirksamer Entwicklungszusammenarbeit besondere Bedeutung zu. Die EU hat sich sich im Plan of Action on Gender Equality and Womens Empowerment (2010-15) zum Ziel gesetzt, diesem Fakt auch bei der Erstellung des Busan Outcome Document (mittlerweile liegt der vierte Entwurf des Abschlussdokumentes vor, der bei der High Level Konferenz finalisiert werden soll) Rechnung zu tragen. Davon ist die vom Rat der Außenminister beschlossene Position weit entfernt. Immerhin finden sich darin aber Hinweise auf die Relevanz von Gender-Budgeting und auf die UN-Resolutionen 1325 und 1820.
Fortschritte im Bereich TransparenzPositives lässt sich im Bereich Transparenz vermelden: die EU fordert von allen Donoren, Informationen zu ihren geplanten EZA-Ausgaben in regelmäßigen Abständen, rechtzeitig und detailliert an die Empfängerländer weiterzuleiten. Bis 2015 soll ein gemeinsames System zur Offenlegung erarbeitet werden. Die EU selbst lässt allerdings konkrete Zusagen zum eigenen transparenteren Umgang mit EZA-Leistungen vermissen. Alignment und mutual accountability vageDie EU bekennt sich weiters dazu, die Beschaffungs- und Finanzsysteme der Entwicklungsländer gegenüber den eigenen zu bevorzugen (Prinzip alignment der Pariser Erklärung). Trotz der Verbesserung dieser Systeme in vielen Empfängerländern waren Geberländer allerdings bisher kaum bereit, darauf zurück zu greifen, wie der Rat der Außenminister feststellt. Wie diese Situation verändert werden soll, bleibt unklar. Ähnlich ist die Lage bezüglich der Prozesse und Systeme zur gegenseitigen Rechenschaftspflicht, die zwar im EU Operational Framework on Aid Effectiveness klar definiert sind, in der politischen Realität jedoch nach wie vor ihrer Umsetzung harren.
Keine starke Stimme für die ZivilgesellschaftIm Positionsdokument wird immer wieder die Wichtigkeit von enabling environment und democratic ownership hervorgehoben. Auch auf die Istanbul Principles – die Prinzipien wirksamer NRO-Arbeit, wird Bezug genommen. Dennoch fällt auf, dass die EU ihre Verantwortung diesbezüglich vor allem im Bereich enabling environment gerne auf die Entwicklungsländer überträgt und hier wiederum keine starke Position als Unterstützerin der Zivilgesellschaft einnimmt. Dies entspricht dem derzeitigen Trend, die Position der NRO vor allem in Geberländern – sukzessive zu entpolitisieren und damit auch zu schwächen.
Bekenntnis zu mehr Mitteln fehltWeder die Policy Coherence for Development, noch die Zusage, 0.7 Prozent des BNI für EZA auszugeben, fanden Eingang in die gemeinsame Position der EU. Zum Thema Klimafinanzierung findet sich ein optimistisch stimmender Hinweis, man solle die Aid Effectiveness Prinzipien auch auf die Klimafinanzierung anwenden. Die Notwendigkeit, frisches Geld dafür aufzuwenden, bleibt unberücksichtigt.
Wenig ambitioniert bei fragilen StaatenUnd auch in Bezug auf conflict and fragility bleibt die EU hinter den Erwartungen zurück: weder wurden die aktuellsten Erkenntnisse aus dem International Dialogue on Peacebuilding and Statebuilding berücksichtigt, noch konnte sich die EU dazu durchringen, bei der Bildung von legitimen Staaten, dem Aufbau demokratischer Mechanismen bzw. der Stärkung der Zivilgesellschaft eine aktive Rolle zu spielen.