Nachdem die Europäische Volkspartei (EVP) bei den Wahlen zum EU-Parlament Ende Mai die Mehrheit erhielt, wurde ihr Spitzenkandidat Jean-Claude Juncker am 15. Juli zum Präsidenten der Europäischen Kommission gewählt. Nun musste er sich um die Zusammenstellung seines neuen Teams an KommissarInnen bemühen. Bei der Auswahl der Personen hatte Juncker wenig Spielraum, sie werden von den Mitgliedstaaten gestellt. Seine Aufgabe war es, die einzelnen Personen den Ressorts zuzuteilen, die Arbeitsaufteilung anzupassen sowie weitere kleinere strukturelle Änderungen vorzunehmen. Nach langen Verhandlungen und Einzelgesprächen mit allen von den Mitgliedstaaten ernannten Personen präsentierte er am 10. September seinen Vorschlag für die Besetzung der EU-Kommission. Diese muss jedoch noch vom EU-Parlament bestätigt werden bevor sie am 1. November ihr Amt aufnehmen kann.

„Projektteams“ für eine bessere Zusammenarbeit
Bei der Präsentation der neuen Kommission betonte Juncker eine Wende von dem bisherigen individuellen Arbeiten der KommissarInnen zu vermehrter Teamarbeit. Deutlich gemacht wurde dies durch die Ernennung von sieben KommissarInnen als VizepräsidentInnen, die jeweils spezifische Aufgabenbereiche und „Projektteams“ aus mehreren anderen KommissarInnen leiten. Eine von ihnen ist die Federica Mogherini, die Hohe Vertreterin für Außen- und Sicherheitspolitik. Sie soll die verfügbaren Instrumente wirksamer kombinieren und insbesondere die Felder Europäische Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen, Handel, internationale Zusammenarbeit und Entwicklung sowie Humanitäre Hilfe und Krisenmanagement. Teilweise werden noch die Bereiche Klimapolitik und Energie, Migration und Inneres sowie Transport und Weltraum von ihr miteinbezogen (siehe Organigramm)

Interessante Änderungen gab es auch in der Themenaufteilung. Es wurden zum Beispiel die bisher separaten Ressorts für Umwelt und Fischerei (unter dem Malteser Karmenu Vella) zusammengelegt, ebenso wie die Gebiete Klima und Energie (unter dem Spanier Miguel Arias Cañete). Ein neuer Kommissarsposten zu Migration wurde geschaffen, mit dem der Grieche Dimitris Avramopoulos beauftragt wurde. Alle designierten KommissarInnen erhielten von Juncker sogenannte Mission Letter mit den dringlichsten Herausforderungen in ihren Arbeitsbereichen. Weitere Informationen zu den Neuerungen befinden sich hier.

Neue Kommissare für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Der bisherige Kommissar für Entwicklung, Andris Piebalgs, wird durch den Kroaten Neven Mimica ersetzt. Der Sozialdemokrat war seit Kroatiens EU-Beitritt im Juli 2013 Kommissar für Verbraucherschutz. Seine berufliche Laufbahn begann er im diplomatischen Dienst, ab 1997 war er in der kroatischen Regierung zunächst als Staatssekretär, dann als Minister tätig. Als stellvertretender Premierminister war er maßgeblich an den Beitrittsverhandlungen Kroatiens beteiligt. In seinem Mission Letter nennt Juncker folgende Fokusthemen für den Bereich Entwicklung: die Verhandlungen zur Post-2015 Agenda, Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung, Menschenrechte, Good Governance und Geschlechtergerechtigkeit, Koordination mit Mitgliedstaaten, die Verhandlungen zur Überarbeitung des Cotonou-Abkommens sowie die strategische Partnerschaft der EU mit Afrika.

Die Nachfolge der Kommissarin für Humanitäre Hilfe Kristalina Georgieva – sie ist von nun an Vizepräsidentin und für Budget und Personalangelegenheiten zuständig – wird der Zyprer Christos Stylianides antreten. Er war seit Mai 2014 Mitglied des Europäischen Parlaments in der Fraktion der Europäischen Volkspartei. Davor war er Parlamentarier in Zypern. In seinem Mission Letter hat Juncker folgende Prioritäten für diesen Arbeitsbereich dargestellt: die Steigerung der Effinzienz und die Einhaltung der finanziellen Zusagen (im Hinblick auf die Zahlungsschwierigkeiten der DG ECHO), eine enge Beziehung zur UNO, zu NGOs und der Zivilgesellschaft, enge Kooperation mit dem Entwicklungskommissar, eine Erweiterung der Kapazitäten des neuen Emergency Response Coordination Centre sowie die verstärkte Kooperation mit anderen AkteurInnen des Zivilschutzes.

Johannes Hahn in einer außenpolitischen Schlüsselposition
Von Österreich wurde Johannes Hahn wieder als Kommissar nominiert. Er wechselt von der Regionalpolitik in die Nachbarschaftspolitik und Erweiterungsverhandlungen. Dort soll er als rechte Hand der Außenbeauftragten Mogherini zur Seite stehen. Beide Bereiche, Nachbarschaftspolitik und Erweiterung,  stehen in enger Verbindung zu Entwicklungspolitik, da fast alle der Staaten, die in seine Arbeitsfeldern liegen, als Entwicklungsländer gelten.

Zur Europäischen Nachbarschaft werden 16 Staaten im Süden und Osten der EU gezählt: Ägypten, Algerien, Armenien, Aserbaidschan, Georgien, Israel, Jordanien, Libanon, Libyen, Moldawien, Marokko, Palästina, Syrien, Tunesien, Ukraine und Weißrussland. Mit ihrer Nachbarschaftspolitik möchte die EU die bilateralen Beziehungen zu diesen Ländern zu vertiefen. Als Grundlage dafür bezeichnet die EU das gemeinsame Bekenntnis zu folgenden Werten: Demokratie und Menschenrechte, Rechtsstaatlichkeit, verantwortungsbewusste Regierungsführung, marktwirtschaftliche Prinzipien und nachhaltige Entwicklung.
Implementiert wird die Nachbarschaftspolitik von der Generaldirektion Entwicklung (DG Europeaid) und dem Europäischen Nachbarschaftsinstrument (ENI), welches von 2014-2020 mit insgesamt 15,4 Milliarden Euro ausgestattet ist.

Nachdem Präsident Juncker bereits klarstellte, dass es in den kommenden fünf Jahren keine EU-Erweiterungen geben werde, wurde die Zuständigkeit des Kommissars von Erweiterungen zu Erweiterungsverhandlungen abgeändert. Länder, die den offiziellen Status eines Beitragskandidaten zuerkannt bekommen haben, sind: Albanien, Island, Mazedonien, Montenegro und Serbien. Hinzu kommen Bosnien und Herzegowina sowie der Kosovo. Zuständig für diese Länder ist das Generaldirektorat Erweiterung (DG Enlargement) welches über das Instrument für Heranführungshilfe (IPA) verfügt. Mit diesem unterstützt die EU Reformen in den „Erweiterungsländern“ durch finanzielle und technische Hilfe. Im EU-Finanzrahmen 2014-2020 stehen dem IPA insgesamt 11,9 Milliarden Euro zur Verfügung.

Die weiteren Schritte
Das Europäische Parlament muss nun dem gesamten Kollegium – einschließlich des Präsidenten und der Hohen Vertreterin der Union für Außen- und Sicherheitspolitik – seine Zustimmung erteilen. Vom 29. September bis 3. Oktober finden die Anhörungen der designierten KommissarInnen in den zuständigen EU Parlamentsausschüssen statt. Danach hat das Parlament Zeit die Anhörungen zu evaluieren. Am 21. Oktober muss die designierte Kommission vom Europäischen Parlament bestätigt werden. Das Parlament kann allerdings nur die gesamte Kommission annehmen oder ablehnen, nicht jedoch einzelne KommissarInnen. Am 23. Oktober muss die designierte Kommission noch vom Rat der Europäischen Union, also vom Gremium der Mitgliedstaaten, abgesegnet werden. Wenn diese Schritte erfolgt sind, wird die neue Kommission am 1. November ihr Amt aufnehmen.

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(jm)