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Mit dem Jahr 2015 hätten die EU und ihre Mitgliedstaaten 0,7% ihres Bruttonationaleinkommens (BNE) für öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) aufbringen sollen – dieses alte Versprechen wurde unzählige Male seitens der Staaten wiederholt. Tatsächlich erreicht haben dieses Ziel fünf Staaten: Luxembourg, Schweden, Dänemark, die Niederlande und das Vereinigte Königreich. Österreich kam 2015 gerade einmal auf 0,35% ODA und befindet sich damit weit hinter vergleichbaren Ländern. Nummer Eins ist Österreich hingegen im Bericht, wenn es darum geht die Zahlen zu schönen: 74% der österreichischen bilateralen EZA sind eigentlich Phantomhilfe. Damit sichert sich Österreich den ersten Platz vor Italien (68%) und Griechenland (54%). Neben der großzügigen Einberechnung von Phanthomhilfe hat das schlechte Abschneiden einen weiteren Grund: die echte bilaterale Hilfe Österreichs ist im Vergleich zu anderen EU-Staaten, äußerst bescheiden. Abzüglich der Phantomhilfe läge Österreichs ODA bei 0,2% des BNE, so der Bericht. Im Vergleich zu 2014 ist dies aber immerhin eine Steigerung um 0,02 Prozentpunkte. Die Erhöhung des Auslandskatastrophenfonds um 15 Mio. Euro und die beschlossene Erhöhung der EZA um 17 Mio. Euro für 2017 sind zwar wichtige Schritte, werden aber am schlechten Abschneiden im EU-Vergleich und an der Gesamt-ODA kaum etwas ändern (siehe Factsheet zur österreichischen ODA 2015).

Mittels der „Inflated Aid Methodology“ wird im Bericht zwischen „echter Hilfe“ (genuine aid) und „Phantomhilfe“ (inflated aid) unterschieden. Letztere bezeichnet Ausgaben, die zwar gemäß der geltenden OECD-Regelungen in die ODA einberechnet werden dürfen, aber nicht unmittelbar entwicklungsrelevant sind:

Indirekte Kosten für Studierende aus ODA-Empfängerländern: Momentan stehen auf der Liste der ODA-Empfängerländer des DAC 146 Staaten. Die indirekten Studienplatzkosten für alle Studierenden mit einer dieser Staatsangehörigkeiten (darunter befinden sich u.a. die Türkei, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien) können in die ODA eingerechnet werden. Die ODA beinhaltet daher jene Leistungen, die Studierende aus Entwicklungsländern theoretisch an Kosten für Universitäten und Hochschulen verursachen. Ob Entwicklungsländer von dieser statistischen Maßnahme profitieren, wird dabei völlig außer Acht gelassen. Österreich berechnete 2015 für die indirekten Studienplatzkosten 93,5 Millionen Euro, deutlich mehr als das gesamte Budget für operationelle Maßnahmen der ADA.

Ausgaben für Flüchtlinge in Österreich: Laut OECD-DAC dürfen die Kosten für Flüchtlinge und AsylwerberInnen, die in den ersten zwölf Monaten ihres Aufenthalts anfallen, in die ODA eingerechnet werden. Der entwicklungspolitische Mehrwert dieser Ausgaben wird von NGO-Seite stark bezweifelt. Durch die Einrechnung der Kosten für AsylwerberInnen konnte Österreich seine ODA 2015 um 395,7 Millionen Euro steigern.

Entschuldungsmaßnahmen: Obwohl Entschuldungen zweifelsohne von höchster Dringlichkeit für Entwicklungsländer sind, sollten diese nach Ansicht der NGOs nicht in die ODA einberechnet werden. Erstens handelt es sich dabei nicht um direkte budgetäre Aufwendungen für EZA. Zweitens entsprechen die hier einberechneten Gelder keinerlei den tatsächlich angefallenen Kosten, da die exorbitant hohen Summen oft erst durch Zinsen und Zinseszinsen zu Stande kommen. Außerdem wird nicht darauf geachtet, ob die Kredite überhaupt für entwicklungsrelevante Ausgaben aufgenommen wurden. Oft sind hohe Verschuldungen das Resultat staatlicher Garantien für Exportgeschäfte. So belaufen sich beispielsweise die Schulden des Sudan gegenüber Österreich auf 1,66 Milliarden Euro (2010), also deutlich mehr als die gesamte ODA. Entstanden sind diese Schulden in den 1970er Jahren aus bundesgarantierten Exportgeschäften im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes – ursprünglich waren es etwa 200 Millionen Euro, die sich über die Jahre durch hohe Zinsen vermehrt haben. 2015 fielen kaum Entschuldungen an (0,5 Mio. EUR), laut dem Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungspolitik sollen sie aber 2016-2018 auf über 500 Millionen Euro jährlich ansteigen.

Gebundene Hilfe: Als Tied Aid bezeichnet man jene Mittel, die an Konditionalitäten bei der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen gebunden sind. Die Restriktionen bei der Beschaffung beschränken die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer und verringern die Wirksamkeit sowie die Effizienz der Maßnahmen, wenn diese nicht in Entwicklungsländern, sondern oft teurer in den jeweiligen Geberländern erfolgt. AidWatch schätzt, dass durch ineffiziente Tied Aid die österreichische ODA 2015 um 29 Millionen Euro teurer wurde.

Eine häufige Replik auf die Kritik der Einberechnung von Flüchtlings- und Studienplatzkosten ist, dass alles korrekt einberechnet werde, man halte sich an die Vorgaben der OECD. Hier gilt es aber zu beachten, wie diese Vorgaben entstanden sind. Im Komitee für Entwicklungszusammenarbeit der OECD (OECD-DAC) bestimmen die Mitgliedstaaten darüber, was einberechnet werden darf – und blockieren alle Reformen, die zu sinkenden ODA-Zahlen führen könnten. Österreich setzt sich also auf der einen Seite in den zuständigen OECD-Gremien dafür ein, dass Flüchtlingskosten im Inland einberechnet werden dürfen, um später zu erklären, man halte sich bloß an die Richtlinien der OECD.  Dass es auch anders geht, beweist zum Beispiel Irland: Mit 0,36% ODA ist man zwar ebenfalls weit entfernt vom 0,7% Ziel, dafür verzichtet man auf jegliche Einberechnung von „Phantomhilfe“. Schweden, welches zwar noch mehr Flüchtlingskosten als Österreich einberechnet, kommt selbst nach Abzug der Phantomhilfe auf 0,75% ODA.

Die Inhalte der österreichischen Länderseite wurden gemeinsam von der AG Globale Verantwortung, der KOO und der ÖFSE erstellt.

Der AidWatch Bericht 2016 als Download

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(jm)