Während die Reaktionen auf C. Ashtons Anhörung zurückhaltend ausfallen und ihre Aussagen als „diplomatisch nichtssagend“ qualifiziert werden, war man mit der Performance des angehenden Entwicklungskommissars Andris Piebalgs zufrieden. Der Lette, der in der vergangenen Legislaturperiode Kommissar für Energie war, gilt als offen gegenüber zivilgesellschaftlichen Anliegen. Die Grundsaussagen während der Anhörung stimmten Ausschussmitgliedern und NRO zu Recht zuversichtlich. Er überzeugte durch Kompetenz für die angesprochenen Themen und Enthusiasmus für den auszufüllenden Posten. Dennoch: Nicht in allen Punkten vertritt Piebalgs die Positionen der europäischen Zivilgesellschaft.

Piebalgs Statements zu Kohärenz

Bei der Anhörung betonte der ehemalige lettische Bildungsminister die Notwendigkeit von kohärentem Vorgehen im Kampf gegen Armutsbekämpfung: „It would be wrong to give money with one hand and take it away with another policy“. Den von der Kommission erst kürzlich vorgelegten Whole-of-the-Union-Ansatz, der unter anderem eine Einengung des Kohärenzprinzipes auf fünf Felder vorsieht, solle man laut Piebalgs kritisch betrachten, aber auch als Chance verstehen: In diesen Bereichen sei Fortschritt auch wirklich möglich, eine Konzentration darauf also pragmatisch. Eine wenig zufriedenstellende Einstellung aus NRO-Sicht, weiß man, dass besagter Ansatz für die Entwicklung so wichtige Felder wie Handel und Landwirtschaft außen vor lässt.

Gleichzeitig hält Piebalgs in einem vor der Anhörung verfassten Dokument (Antwort auf einen parlamentarischen Fragenkatalog) aber ausdrücklich fest, dass er das Streben, die Entwicklungsagenden in die Bereiche Klimawandel, Landwirtschaft, Energie, Bildung, Migration und Handel zu integrieren, als eine seiner Hauptaufgaben versteht. Die Zielsetzung sei, so Piebalgs, die MDG zu erreichen. Als wichtigste Maßnahme auf dem Weg dorthin beschreibt er das Bestreben „to create the conditions for economic growth and integration of developing countries into the world economy“. Auch seine Betonung der Durchsetzung von “rule of law” zur Förderung einer ökonomiefreundlichen Umgebung dürfte nicht ganz den zivilgesellschaftlichen Erwartungen entsprechen.

0,7 Prozent ODA und „frisches Geld“ für Klimawandel

Klar hingegen sein Statement bezüglich dem EZA-Volumen: An der Einhaltung der Verpflichtung, 0,7 Prozent des BNI für EZA aufzuwenden, hält er fest; die Bereitstellung von „frischem“ Geld, um die Folgen des Klimawandels in den Entwicklungsländern zu bekämpfen, befürwortet er uneingeschränkt. Auch die Erschließung neuer Finanzquellen kann er sich vorstellen: Der Einführung der Tobinsteuer steht er positiv gegenüber, private Geldflüsse (Überweisungen, Privatinvestitionen, etc.) hält er für eine zusätzlich nutzbare Ressource, Entwicklung voranzutreiben. Ein wohltuender Unterschied zur Einstellung der Kommission, die im Rahmen des ODA+-Prinzipes, die privaten Geldflüsse (sowie Exportkredite) in die offizielle EZA miteinrechnen möchte (s. Whole-of-the-Union-Approach).

Das nächste Jahr bringt für Piebalgs vor allem auch die Mid-Term-Review des Cotonou-Agreements mit sich, das von Seiten der NRO überaus kritisch gesehen wird (EPA, CSP, etc.). Ein erstes, als positiv zu bewertendes Statement, bezog sich darauf, Möglichkeiten legaler Zuwanderung im überarbeiteten Übereinkommen zu verankern, „we must open up to legal immigration, otherwise the risks are greater for illegal immigration“. Die strukturellen Veränderungen, die mit der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages einhergehen, will Piebalgs für sich nutzen, „without allowing development policy to be seen in any way as simply a tool to achieve wider political goals for the EU“.

Unklarheit über neue Zuständigkeiten im Rahmen von Lissabon

Der von C. Ashton geleitete European External Action Service (EEAS) wird die außenpolitischen Agenden der EU in den jeweiligen Ländern übernehmen und auch MitarbeiterInnen der Generaldirektion für Entwicklung inkludieren, die allerdings, wie Piebalgs betont, seiner Autorität unterstehen werden. Eine Quelle für künftige Konflikte sieht er darin nicht, die Zusammenarbeit mit Catherine Ashton stellt er sich vielmehr „fruitful“ vor. Schließlich sei die Trennung der Agenden klar, Planung, Implementierung und Finanzierung der EZA seien ausschließlich ihm zugeordnet.

NRO-Berichten zufolge ist die Trennung aber noch nicht so klar: Das DCI – das Finanzierungsinstrument für Entwicklung, das bisher in den Tätigkeitsbereich des DG Dev (Generaldirektion für Entwicklung) fiel, wird möglicherweise dem EEAS unterstellt sein. Was nicht nur zur Fragmentierung der EZA beiträgt, sondern auch das gesamte System unübersichtlicher werden lässt. Über die mögliche Handhabe Piebalgs über den EEF (Europäischen Entwicklungsfonds, stellt Ressourcen für AKP-Länder bereit), der bisher (und vermutlich weiterhin) außerhalb des EU-Budgets situiert war bzw. ist, herrscht Unklarheit.