Zusammenfassung der Diskussion

 

Petra Navara, Geschäftsführerin der AG Globale Verantwortung freute sich, am Donnerstag, 31.3.2011 im Rahmen einer Podiumsdiskussion im Sitzungssaal der Entwicklungshilfesektion im BMeiA ein volles Haus begrüßen zu können. Interessierte aus diversen Organisationen und viele Studierende waren gekommen, um die Diskussion zwischen drei ExpertInnen zum Thema endogene Entwicklung in Afrika zu hören. 

Aktuelle Entwicklungen in Nord-Afrika

Dabei sollte es vor allem um Prozesse und Entwicklungen in afrikanischen Ländern gehen, die uns nicht täglich von den Medien präsentiert und erklärt werden. Der AG Globale Verantwortung war es vor allem wichtig, auf endogene Dynamiken einzugehen. Dynamiken, die aus inneren Ursachen entstehen oder aus dem Inneren lokaler Systeme wirken.

 

Die ExpertInnen am Podium waren:

  • Walter Eberlei – Dekan am Institut für Politikwissenschaft und Professor im Fachbereich Sozial- und Kulturwissenschaften der Fachhochschule Düsseldorf.
  • Botschafterin Irene Freudenschuß-Reichl – Leiterin der Österreichischen Entwicklungszusammenarbeit im Bundesministerium für europäische und internationale Angelegenheiten, Buchautorin zum Thema Afrika mit den Schwerpunkten wirtschaftliche und soziale Entwicklung, Energie und Umwelt.
  • Professor Joachim Becker – Ökonom und Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt Afrikanistik, und Professor am Institut für Außenwirtschaft und Entwicklung der Wirtschaftsuniversität Wien.

 

Professor Becker zeichnete eingangs aus wirtschaftlicher Perspektive das Bild der Entwicklungspolitik der letzten zehn bis zwanzig Jahre nach. Er zeigte sich einerseits optimistisch, wenn er sagt, dass es nach den „verlorenen Jahrzehnten“ zwischen 1980 und 2000 seit rund zehn Jahren wieder einen Aufwärtstrend in der Revitalisierung der Industrie sowie in den Bildungs- und Gesundheitssystemen vieler Länder gebe.
Andererseits sei natürlich die Ungleichverteilung des Wohlstandes offensichtlich, und die Forderung der EU nach Liberalisierungen in Afrika, die trotz dieser Ungleichverteilung gestellt wird, behindere jene Diversifizierung der Wirtschaft, die er für grundlegend erachte, um Wachstum und damit steigenden Wohlstand für die breite Masse zu erreichen.

Parallelen zwischen den Ländern 

Professor Eberlei beschäftigt sich seit über zwanzig Jahren mit Entwicklungspolitik in Forschung, Lehre und Praxis. Seine jüngste Buchveröffentlichung ist „Afrikas Wege aus der Armutsfalle“. Er referierte über Demokratisierungsprozesse, die eine funktionierende und aktive Zivilgesellschaft brauchen und bestätigte dem Publikum, dass sich diese in Afrika im Aufbruch befinde. Dazu zeigte er Parallelen zwischen Ägypten und Polen in den 80er Jahren, oder in Südafrika in den 90er Jahren auf. Außerdem erläuterte er, dass die Zivilgesellschaft überall dort jetzt ihre Sprengkraft entfalten kann, weil sie nicht (mehr) im ersten Moment ihrer Aktivität niedergeschlagen wird.

Eberlei bescheinigte dieser Zivilgesellschaft in vielen afrikanischen Ländern eine kommunikative Macht, die einerseits durch die steigende Zahl der AkteurInnen, andererseits aber auch durch die zunehmende Handlungsfähigkeit derselben (durch bessere Ausbildung, Vernetzung und neue Technologien) gewachsen ist. Die lokalen zivilgesellschaftlichen Organisationen treten jetzt vermehrt in den Dialog mit den nationalen Regierungen, aber auch mit internationalen Geldgeber-Organisationen und können dadurch ihre Wirkungskraft entfalten. Insgesamt steige in vielen afrikanischen Ländern eine, wie er es nennt, „Binnennachfrage nach einer vernünftigen Politik“.

Zugang zu Recht, Bildung und Gesundheit

Botschafterin Freudenschuss-Reichl zeigte aus ihrer diplomatischen Perspektive auf, dass in vielen Ländern Afrikas die nationalstaatliche Identifikation – wegen der großen ethnischen Differenziertheit – seit jeher schwierig sei. Außerdem seien die in den Verfassungen der Nationalstaaten verankerten Organisationen, wie Parlamente, Justiz, Parteien – ebenso wie die Zivilgesellschaft – noch in Entwicklung begriffen.
Es sei jedoch wichtig, das Gebilde „Staat“ für Fragen der Sicherheit, der Gesundheit, für den Zugang zu Recht sowie zu Bildung und für die Umverteilung des Wohlstandes zu nützen. Wenn man weiß, dass z.B. in Uganda das ärmste Viertel der Gesellschaft noch immer nur rund 7% des Reichtums besitze, sieht man, dass sich dieser Hebel in den letzten zehn Jahren kaum bewegen habe lassen. Wichtig war Frau Freudenschuss-Reichl zu zeigen, dass das Volumen der EZA-Mittel zunehmend durch Eigenleistung an Steuern verdrängt werde.

 

Simon Inou, Kameruner Soziologe und Journalist und Moderator der Runde, lebt in Österreich und brachte sich aus seiner Perspektive des in der Diaspora Lebenden mit gezielten Fragen und Provokationen in die Diskussion ein.

 

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