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Unsere Aktivitäten im Vorfeld der Konferenz

AG Globale Verantwortung, KOO, ÖFSE und VIDC richteten am 10. Juni 2025 einen gemeinsamen Brief an Außenministerin Beate Meinl-Reisinger und Finanzminister Markus Marterbauer. Darin forderten wir unter anderem die Entschuldung hochverschuldeter Länder, die Einrichtung einer UN-Schuldenkonvention, die Unterstützung der UN-Steuerrahmenkonvention, eine klimaneutrale Entwicklungsfinanzierung sowie eine Stärkung der Rolle des UN Economic and Social Councils (ECOSOC). Unser Ziel: Eine gerechte, inklusive und verantwortungsvolle Wirtschafts- und Finanzarchitektur, die künftig auf UN-Ebene gestaltet wird, auf der auch die ärmsten Länder des Globalen Südens gleichberechtigt mitbestimmen dürfen.

Nach Verabschiedung des Abschlussdokuments Compromiso de Sevilla (17.06.2025) zwei Wochen vor der eigentlichen Konferenz in Sevilla wiesen wir in einer gemeinsamen Presseaussendung mit  KOO und VIDC (18.06.2025) darauf hin, dass dieses zwar minimale Fortschritte signalisiert. Doch blieb es weit hinter den Erwartungen und dem tatsächlichen Handlungsbedarf zurück. Die dringend benötigte finanzielle Unterstützung für nachhaltige Entwicklung und die Bewältigung globaler Krisen bleibt weiterhin aus.

Kurz vor Konferenzbeginn boten wir in einem Artikel (25.06.2025) und in Hintergrundinformationen für Journalist*innen (26.06.2025) einen Überblick über die Forderungen der internationalen Zivilgesellschaft und wie diese vom ambitionslosen Abschlussdokument konterkariert werden. So wird weiterhin der Globale Süden den Globalen Norden finanzieren und nicht umgekehrt. Die Schuldenrückzahlungen von Ländern des Globalen Südens übersteigen längst die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen des Nordens. 54 Staaten, fast die Hälfte davon in Afrika, geben über zehn Prozent ihrer Staatseinnahmen für Nettozinszahlungen aus. Für manche Länder sind diese Ausgaben sogar um ein Vielfaches höher. Diese ungenutzte Chance, weltweit zu wirtschaftlicher und finanzieller Gerechtigkeit beizutragen und eine bessere internationale Zusammenarbeit zu ermöglichen, könnte die globale Krisenspirale weiter befeuern.

Fragwürdige Prioritäten der österreichischen Regierung: Privatfinanzierung statt Verantwortung

Österreich bekannte sich vor der Konferenz zu den gemeinsamen EU-Positionen, die am Status quo festhalten anstatt eine Reform der internationalen Finanzarchitektur zu unterstützen. Am ersten Konferenztag sprach sich Österreich für eine stärkere privatwirtschaftliche und renditeorientierte Entwicklungsfinanzierung aus. Eine solche Ausrichtung darf allenfalls ergänzend sein, aber nicht zum Ziel der österreichischen Entwicklungsfinanzierung werden. Denn wie die gemeinsame Deklaration zivilgesellschaftlicher Organisationen festhält, hat der Private Finance First-Ansatz seit seiner Einführung 2015 die Verschuldung und Ungleichheiten in Ländern des Globalen Südens sogar weiter angeheizt. Er hat deren demokratische Rechenschaftspflicht und regulatorische Rolle untergraben und stattdessen eine Vereinnahmung der weltweiten nachhaltigen Entwicklung durch Konzerne begünstigt. Die ohnehin knappen öffentlichen Mittel werden genutzt, um private Investoren anzuziehen, anstatt sie in eine weltweite nachhaltige Entwicklung und in die drastisch unterfinanzierte Humanitäre Hilfe zu investieren.

Am dritten Konferenztag bekräftigte UN-Botschafter Gregor Kössler im Namen Österreichs die Positionen der EU-Mitgliedsstaaten und das Abschlussdokument im Plenum. Österreich sehe die Reformbestrebungen aus den Ländern des Globalen Südens und werde diese weiterhin unterstützen. Angesichts dieser Positionierung sowie der fehlenden österreichischen Initiativen in Sevilla hinterfragen wir diese Stellungnahme. Wir werden beobachten, wie sich Österreich in künftigen Reformprozessen verhält.

Forderungen und Anliegen aus dem Globalen Süden bei den CSO-Foren vor der FfD4-Konferenz

Schon in den Tagen vor der FfD4-Konferenz reiste Karin Kuranda, entwicklungspolitische Fachreferentin der AG Globale Verantwortung, nach Sevilla, um an zwei zentralen Foren der internationalen Zivilgesellschaft teilzunehmen. Beim Feminist for Financing Forum und dem Civil Society Forum diskutierten über 1.000 Vertreter*innen aus dem Globalen Süden in hochrangig besetzten Panels. Themen waren etwa eine feministische Finanzierung, demokratische Reformen der Finanzarchitektur, die Bedeutung von Care-Arbeit sowie internationale Steuer- und Handelsregeln. Zu Beginn des Civil Society Forum richtete die spanische Ministerin für internationale Beziehungen Grußworte an die Teilnehmer*innen. In einer anschließenden Videobotschaft betonte UN-Generalsekretär António Guterres die zentrale Rolle der Zivilgesellschaft im Prozess der Entwicklungsfinanzierung.

Die Stimmen aus dem Globalen Süden stießen bei den zivilgesellschaftlichen Foren auf offene Ohren. Menschenrechte, Frauenrechte, Kinderrechte, etc. werden in vielen Ländern der Welt vernachlässigt und viel zu oft mit Füßen getreten. In Kriegs- und Konfliktsituationen leben die Menschen unter widrigsten Umständen. Sie wünschen sich mehr globale Solidarität, finanzielle Unterstützung und Reformen der internationalen Finanzstruktur. Dadurch könnten sich die Lebensrealität und die Zukunftschancen der Menschen in diesen Ländern wirklich verbessern.

Insbesondere Frauen- und Jugendorganisationen aus Ländern des Globalen Südens brachten einen dringenden Appell gegen Genozide, Kriege und Konflikte vor. Sie betonten, dass Frieden und Geschlechtergerechtigkeit entscheidend sind, um globale Krisen zu überwinden. Außerdem forderten sie die Transformation des Wirtschaftssystems hin zu einer fürsorgebasierten und gerechten Ordnung. Sie hoben die Dringlichkeit hervor, die vielfältigen, sich überschneidenden globalen Krisen anzugehen. In ihrem Aufruf verlangten sie, transformative feministische Politiken in den Fokus zu rücken. Zudem betonten sie, dass We, the People der Vereinten Nationen, unsere Stimme und Rechte zurückfordern müssen.

Power to the People lautete eine weitere Forderung der der Forumteilnehmer*innen. Macht soll von den vielen ausgehen und für die vielen wirken. So würden im Zentrum einer demokratisierten globalen Wirtschaft die Bedürfnisse der Menschen und der Erhalt der Umwelt stehen, anstatt Profite. Dafür brauche es neue Normen und Maßnahmen. Im Kontext der aktuellen Verhandlungen über eine UN-Steuerrahmenkonvention erinnerten die Teilnehmer*innen an die Sprache der Vorgängerkonferenz in Addis Abeba. Und sie forderten den Mut, internationale Steuerregeln neu zu denken – abseits der dominanten Stellung von Ländern wie der G20.

Die Organisator*innen der Foren übergaben ihre Abschlussdokumente – die CSO Declaration und die Feminist Declaration – an hochrangige Ländervertreter*innen wie die spanische Vizepräsidentin, den Premierminister Nepals und die stellvertretende UN-Generalsekretärin Amina Mohammed. Während alle die Notwendigkeit internationaler Finanzreformen betonten, kritisierte insbesondere Mohammed den Compromiso de Sevilla als zu wenig ambitioniert. Sie versprach, die Forderungen der Zivilgesellschaft in ihre eigenen Beiträge auf der Konferenz einzubinden.

Shrinking Space: Zivilgesellschaft systematisch bei Konferenz in Sevilla ausgegrenzt

Am 29. Juni demonstrierten über 700 NGO-Vertreter*innen in Sevilla für Schuldentilgung, faire Finanzregeln und wirtschaftliche Gerechtigkeit. Damit setzten sie ein starkes Zeichen für globale Solidarität. Diese Aktion lenkte einen Tag vor der FfD4-Konferenz die Aufmerksamkeit auf die Anliegen der Zivilgesellschaft und der Menschen im Globalen Süden. Und das, obwohl die Staatspolizei im vorab von den Demonstrant*innen verlangte, ihre Slogans zu verändern. Bei der offiziellen Konferenz war die Zivilgesellschaft mit weiteren Einschränkungen konfrontiert.

Zwischen 30. Juni und 3. Juli erwarteten die Konferenzteilnehmer*innen – darunter 6.000 Vertreter*innen aus dem Privatsektor und 1.000 Vertreter*innen der Zivilgesellschaft – rund 500 Nebenveranstaltungen in Sevilla. Von den offiziellen Formaten wie dem Plenum sowie runden Tischen waren letztere am ersten Konferenztag allerdings ausgeschlossen. Zudem forderte das Sicherheitspersonal dazu auf, keine T-Shirts, Taschen oder Fächer mit Slogans zu tragen. Politische Aufkleber mussten die Teilnehmer*innen von ihren Laptops entfernen. Die Zugangsbeschränkungen und das Unsichtbarmachen der Zivilgesellschaft sorgte für Irritationen, zumal sie den Grundprinzipien der EU widersprechen. Nach einer offiziellen Beschwerde bei den Organisator*innen der Konferenz, allen voran Spaniens Regierung sowie der Hauptabteilung Wirtschaftliche und Soziale Angelegenheiten der Vereinten Nationen (Department of Economic and Social Affairs, UNDESA), einigten sich diese darauf, der Zivilgesellschaft mehr Handlungsspielraum einzuräumen und eine bevorstehende Kundgebung zu genehmigen.

Trotz dieser Widrigkeiten gelang es dem CSO Mechanism sich einzubringen. Der Zusammenschluss aus über 400 zivilgesellschaftlichen Organisationen organisierte zwei Pressekonferenzen und gab Statements bei einigen offiziellen runden Tischen ab. Der CSO Mechanism sprach bei der abschließenden Pressekonferenz und hielt eine historische, medienwirksame Kundgebung auf dem Konferenzgelände mit Bannern, Plakaten und Fahnen auf dem Konferenzgelände ab. Auch Vertreter*innen der internationalen Zivilgesellschaft luden zu zahlreichen, gut besuchten Nebenveranstaltungen, teils zusammen mit Staaten und Regierungsmitgliedern. Amina Mohammed wiederholte zum Abschluss der Konferenz ihr Versprechen, die zivilgesellschaftlichen Forderungen zu unterstützen. Bei künftigen Konferenzen dieser Größe wolle sie auf eine bessere Einbindung der Zivilgesellschaft achten.

Fazit: Sevilla bleibt eine vertane Chance

Die FfD4-Konferenz war nicht darauf ausgelegt, die Zivilgesellschaft wirklich einzubeziehen. Kritische Stimmen aus dem Globalen Süden und Norden zum ambitionslosen Abschlussdokument von Sevilla schienen offenbar unerwünscht. Die Lebensrealitäten von Milliarden benachteiligten und gefährdeten Menschen wurden ausgeblendet. Die EU-Staaten präsentierten sich geschlossen und feierten den Kompromiss als Erfolg. Darin vernachlässigten die verhandelnden Länder jedoch die inhaltliche Tiefe und versäumten konkrete Reformen. Auch wenn einzelne Staaten wie Spanien und Frankreich neue Initiativen unter dem Schirm der Sevilla Platform for Action präsentierten, bleibt die FfD4-Konferenz aus zivilgesellschaftlicher Sicht eine vertane Chance für echte Fortschritte in der Entwicklungsfinanzierung.

Eins bleibt unbestritten: Nur Prozesse auf UN-Ebene bieten allen Staaten die Möglichkeit, gleichberechtigt am Verhandlungstisch mitzubestimmen. Hinter dem pointierten Slogan aus dem Globalen Süden ‚If you are not at the table, you are on the menu‘ („Wenn du nicht mit am Tisch sitzt, stehst du auf der Speisekarte“) verbirgt sich deutliche Kritik an den bislang undemokratischen und trägen Reformprozessen, wie sie etwa im Rahmen des Entwicklungsausschusses der OECD (OECD DAC), der G20 zu Steuerpolitik sowie des IWF und Weltbank zu Schuldentilgung praktiziert werden. Daher werden wir uns weiterhin für demokratische Reformprozesse mit internationalen bzw. multilateralen und UN-geleiteten Prozessen in der Entwicklungsfinanzierung einsetzen.

(kk)


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