Arbeitsgemeinschaft für Entwicklung und Humanitäre Hilfe
Kommentar der Anderen
Die größte multilaterale Konferenz für Frauenrechte und Geschlechtergleichstellung stand 2025 im Zeichen zweier wegweisender Jubiläen: dem 30-jährigen Bestehen der Pekinger Deklaration und Aktionsplattform – dem Abschlussdokument der vierten und bislang letzten Weltfrauenkonferenz 1995 – sowie dem 25-jährigen Jubiläum der UN-Resolution 1325 zu Frauen, Frieden und Sicherheit. Angesichts eines globalen Backlashs fragen wir uns: Wie stark ist der Pushback gegen Rechte von Frauen und LGBTIQ-Personen?
Ein Kommentar von Aleksandra Kolodziejczyk und Ifeoma Melissa Ofoedu
Die 69. Sitzung der UN-Frauenstatuskommission (Commission on the Status of Women, 69. CSW)[1] fand im März 2025 unter einer regen Beteiligung von zivilgesellschaftlichen Akteur*innen aus der ganzen Welt im Hauptquartier der Vereinten Nationen in New York statt. Österreich, bis Ende 2025 Mitglied der CSW, beteiligte sich mit einer Delegation von staatlichen und zivilgesellschaftlichen Vertreter*innen und (ko-)organisierte mehrere Veranstaltungen – teils in Partnerschaft mit der Republik Côte d’Ivoire und Ecuador.
Ein wichtiger Bestandteil der jährlich stattfindenden CSW ist ein dichtes Programm von Veranstaltungen, die von Regierungen und NGOs organisiert werden und die menschenrechtliche Situation von Frauen und LGBTIQ-Personen in verschiedenen Ländern ins Zentrum rücken.
Ein Thema, das auf der CSW präsent war, war die Situation von Frauen und Mädchen in Afghanistan. So wurde berichtet, dass die Einschulungsrate von Mädchen nach der Machtübernahme der Taliban auf 3% gesunken sei, was einen drastischen Rückgang gegenüber einer früheren Einschulungsrate von 39% bedeute. Zwar würden informelle oder Online-Angebote zur Weiterbildung existieren. Offiziell werden diese jedoch nicht anerkannt. Zudem seien unter den Taliban über 1.300 neue Schulen errichtet worden, die jedoch fast ausschließlich religiöse Inhalte vermitteln und Fächer wie Mathematik oder Naturwissenschaften vernachlässigen würden. Die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Frauen und Mädchen – ohne männliche Begleitung dürfen sie sich weder im öffentlichen Raum bewegen noch arbeiten – zeige bereits wirtschaftliche Folgen. Unternehmensumsätze seien um bis zu 40% eingebrochen.
Das wichtigste Ergebnis der CSW ist allerdings das Abschlussdokument (Agreed Conclusions/ 2025: Political Declaration), das jährlich von den UN-Mitgliedstaaten und dem Vatikan, der seit 1964 einen Beobachterstatus bei den Vereinten Nationen besitzt, ausverhandelt wird. Dieses ist zwar nicht rechtsverbindlich, dient aber vielen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen als wichtiges Instrument ihrer anwaltschaftlichen Arbeit auf nationaler Ebene. Anhand des Verhandlungsprozesses, des Abschlussdokuments und der abgegebenen Statements der Staaten werden auf der CSW die Bruchlinien zwischen progressiven und konservativen bzw. reaktionären Staaten deutlich sichtbar. Die Vereinten Nationen sind längst zu einem Ort der politischen Auseinandersetzung zwischen Frauenrechts-Befürworter*innen und Anti-Gender-Akteur*innen geworden.
Auch die Politische Deklaration,[2] die zu Beginn der 69. UN-Frauenstatuskommission anlässlich des 30-jährigen Jubiläums der Weltfrauenkonferenz in Peking angenommen wurde, ist ein Spiegelbild globaler anti-feministischer Entwicklungen. Mit dem Wechsel von der Biden- zur Trump-Administration in den USA ist ein weiteres Erstarken der reaktionären Akteur*innen auf UN-Ebene zu beobachten, die an der Zurückdrängung von Frauen- und LGBTIQ-Rechten und multilateralen Vereinbarungen arbeiten. So wurde mehrfach von Ländern wie den USA, aber auch von Russland, Nigeria und dem Vatikan, die Ablehnung des Begriffs Gender vorgebracht. Argentinien[3] äußerte sich irritiert wegen der häufigen Erwähnung von Gender in der Politischen Deklaration und plädierte – wie andere Staaten auch – für ein binäres Verständnis von Geschlecht, das sich auf Cis-Frauen und Cis-Männer[4] reduziere.
Durch diese Umdeutung des Begriffs Gender wird Personen mit diversen geschlechtlichen Identitäten und sexuellen Orientierungen die Verwirklichung ihrer Menschenrechte abgesprochen. Frauen werden von diesen Staaten auf die Rolle der Mutter und Ehefrau in einer heteronormativen Familie reduziert. Damit einher geht die Ablehnung sexueller und reproduktiver Gesundheit und Rechte. Diese spricht Frauen und LGBTIQ-Personen das Recht auf Selbstbestimmung über den eigenen Körper ab und stellt sich gegen Schwangerschaftsabbruch, Empfängnisverhütung und sexuelle Bildung.
Trotz des spürbar zunehmenden Backlashs gegen Frauenrechte und Geschlechtergerechtigkeit zeigten sich progressive Staaten und Staatengruppen, wie u.a. die EU, die Mountain Group (Australien, Island, Liechtenstein, Neuseeland und Kanada), Mexiko oder Brasilien mit den Inhalten der Politischen Deklaration zufrieden. Verweise auf Menschenrechte haben sich im Vergleich zur Deklaration 2020 fast verdoppelt. Der Schutz vor sexueller und geschlechterbasierter Gewalt, auch jener in Konfliktsituationen, hat trotz des Widerstands Eingang in den Text gefunden. Erstmals wird in einer Deklaration der Begriff Menstrual Health erwähnt und eine Verbindung zwischen Frauenrechten und Digitalisierungsprozessen gezogen. Die Deklaration ermutigt die UN-Mitgliedstaaten, Kandidatinnen für das Amt des*der Generalsekretär*in zu nominieren. 2027 könnte es erstmals die erste Generalsekretärin in der mehr als 80-jährigen Geschichte der UNO geben.
Auch auf der CSW konnte die Abwendung der USA von multilateralen Vereinbarungen beobachtet werden. So haben die USA angekündigt, sich aus der Agenda 2030 zurückzuziehen und die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) nicht weiter zu verfolgen. Angesichts des Backlashs gegen Frauen- und LGBTIQ-Rechte in vielen Ländern der Welt und den massiven Kürzungen bei der Entwicklungszusammenarbeit und Humanitären Hilfe in den USA und vielen europäischen Ländern – darunter auch Österreich – braucht es dringend staatliche und nichtstaatliche Akteur*innen, die sich für eine starke multilaterale Zusammenarbeit, rechtstaatliche Prinzipien und die Verwirklichung der Menschenrechte einsetzen. Ohne ausreichende finanzielle Mittel wird dies schwer zu bewerkstelligen sein. Die Verwirklichung von Frauenrechten und Geschlechtergerechtigkeit darf kein Lippenbekenntnis bleiben.
[1] UN WOMEN (o.D.): CSW69 / Beijing+30 (2025). Abgerufen unter: https://www.unwomen.org/en/how-we-work/commission-on-the-status-of-women/csw69-2025, Zugriff am 03.06.2025
[2] United Nations Economic and Social Council. Political declaration on the occasion of the thirtieth anniversary of the Fourth World Conference on Women. Abgerufen unter: https://docs.un.org/en/E/CN.6/2025/L.1, Zugriff am 3.6.2025
[3] Journal of the United Nations (21.03.2025): Commission on the Status of Women. Sixty-nith session. Abgerufen unter: https://journal.un.org/en/new-york/meeting/officials/166d3d6e-2190-4854-8dff-f582c4fa4939/2025-03-21, Zugriff am 03.06.2025
[4] Bundeszentrale für politische Bildung (o.D.): Cisgender. Abgerufen unter: https://www.bpb.de/themen/gender-diversitaet/geschlechtliche-vielfalt-trans/500908/cisgender/, Zugriff am 30.06.2025
Aleksandra Kolodziejczyk ist Geschäftsleiterin des feministisch-entwicklungspolitischen Vereins Frauen*solidarität. Als Mitglied der österreichischen Regierungsdelegation hat sie 2025 an der 69. Frauenstatuskomission in New York teilgenommen.
Ifeoma Melissa Ofoedu ist Senior Technical Advisor bei Caritas Österreich, spezialisiert auf Genderökonomie und nachhaltige Entwicklung. Sie verfügt über langjährige Erfahrung in geschlechtersensibler Programmumsetzung und internationaler Zusammenarbeit.
In der Rubrik Kommentar der Anderen bietet die AG Globale Verantwortung Expert*innen die Möglichkeit, aktuelle und relevante entwicklungspolitische Themen zu kommentieren sowie ihre Meinung zu präsentieren. Das Ziel ist, Debatten über Entwicklungspolitik zu ermöglichen, den demokratischen Diskurs zu fördern und die Bedeutung der Umsetzung der Agenda 2030 hervorzuheben. Die inhaltliche Verantwortung für den Text liegt ausschließlich bei den Autor*innen. Die AG Globale Verantwortung teilt nicht notwendigerweise die vorgetragenen Ansichten.