Angesichts der dramatischen Einschnitte in Entwicklungshilfeleistungen (Official Development Assistance, ODA) durch die US-Behörde für Internationale Entwicklung (USAID) seit Beginn des Jahres 2025 verfolgen wir die weiteren angekündigten Kürzungen mit großer Besorgnis. Bereits im Jahr 2024 sanken die internationalen Leistungen drastisch, nämlich um ca. 7% in allen OECD-Staaten sowie um fast 9% in den EU-Mitgliedstaaten. Auch Österreichs Entwicklungshilfeleistungen werden im Jahr 2024 voraussichtlich auf 0,34% des Bruttonationaleinkommens (BNE) sinken, nachdem sie im Jahr 2023 bei 0,38% lagen. Daher ist es wichtiger denn je, bei der kommenden FfD4-Konferenz in Sevilla neue Weichen zu stellen und verbesserte Regelwerke für die Entwicklungszusammenarbeit sowie deren Entwicklungshilfeleistungen zu erarbeiten.

Warum ist eine neue Ordnung der Entwicklungszusammenarbeit notwendig?

Erhebliche Herausforderungen mit dem derzeitigen Governance-System erfordern eine neue Ordnung für die Entwicklungszusammenarbeit, insbesondere eine Konvention der Vereinten Nationen. In der derzeitigen Struktur findet die Entscheidungsfindung hauptsächlich im Entwicklungshilfeausschuss der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD-DAC) statt – einer Gruppe, die vorwiegend aus reichen Ländern und der EU besteht. Dies wird als exklusiv, nicht repräsentativ und nicht rechenschaftspflichtig kritisiert. Dieser ‚Club der reichen Länder‘ legt die Regeln für die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen oft hinter verschlossenen Türen fest. Das hat zum Beispiel der Modernisierungsprozess der ODA des OECD-DAC gezeigt. Die reichen Länder bestimmen im OECD-DAC die Regeln zu ihren Gunsten und können somit die ODA und deren Quantität und Qualität diktieren sowie in vielen Fällen auch die ODA-Zahlen übertreiben. Weil keine neuen Finanzströme in die armen Länder des Globalen Südens stattfinden, können diese von den überhöhten, umgeleiteten (engl. „inflated“) Zahlen überhaupt nicht profitieren.

Trotz bestehender Verpflichtungen in Bezug auf Qualität und Quantität der ODA sind bislang nur geringe Fortschritte erzielt worden. Das im Jahr 1970 festgelegte Ziel, 0,7% des BNE für Entwicklung auszugeben, wurde bisher von nur wenigen Staaten eingehalten. Für Österreich lag die Quote im Jahr 2024 voraussichtlich bei nur 0,34%. Die Nichteinhaltung dieser Verpflichtungen hat zu einer erheblichen ‚Hilfsschuld‘ gegenüber dem Globalen Süden geführt, die von Oxfam auf der Grundlage von OECD-Daten auf 7,2 Billionen US-Dollar geschätzt wird.

Darüber hinaus leidet das derzeitige System unter einer Zersplitterung mit verschiedenen Entscheidungsinstitutionen, die nicht immer aufeinander abgestimmt sind. Es gibt auch keine allgemein verständliche, hieb- und stichfeste Definition der Entwicklungszusammenarbeit. Dies kann dazu führen, dass diese nicht im Sinne ihres Kernauftrags – der Verringerung von Armut – eingesetzt wird. Beispiele hierfür sind die Begünstigung des Privatsektors zugunsten der geopolitischen Interessen eines reichen Landes. Die derzeitige Governance-Struktur ist insgesamt veraltet und dringend reformbedürftig.

Wie könnte eine neue UNO-Konvention zu Entwicklungszusammenarbeit aussehen?

Eine neue UNO-Konvention würde den Grundstein für einen Wandel in der internationalen Governance legen. Der neue Rahmen würde unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen stehen und sich von exklusiven Institutionen zu einem repräsentativeren und demokratischeren Prozess entwickeln, bei dem alle Länder gleichberechtigt mitwirken können.

Das Hauptelement eines möglichen Übereinkommens über internationale Entwicklungszusammenarbeit (inkl. ODA) wäre ein zentralisiertes, rechtsverbindliches Instrument, das alle relevanten Verpflichtungen abdeckt. Wesentliche Bestandteile wären robuste Überwachungs- und Rechenschaftsmechanismen, eine standardisierte Definition von Entwicklungszusammenarbeit und ODA, und die Einbeziehung verschiedener Akteur*innen, einschließlich derer, die an Süd-Süd- und Dreieckskooperationen beteiligt sind. Ziel wäre es, die Fragmentierung zu überwinden und ein universelles Verständnis sowie klare Vereinbarungen zu schaffen, die auf bestehenden Verpflichtungen aufbauen und gleichzeitig das Prinzip der gemeinsamen, aber differenzierten Verantwortung berücksichtigen.

Das Development Cooperation Forum (DCF) der Vereinten Nationen wird als möglicher Sitz für die Konvention und die neue globale Governance vorgeschlagen, sofern es gestärkt und mit einem robusteren Mandat ausgestattet wird. Bestehende Institutionen wie der OECD-Entwicklungshilfeausschuss (DAC) würden nicht notwendigerweise aufhören zu existieren. Stattdessen könnten sie in verschiedenen Funktionen wie Peer-Learning oder technischer Expertise fortbestehen. Auch die Global Partnership for Effective Development Cooperation (GPEDC) könnte den neuen UN-Prozess mit ihren Beiträgen zur Wirksamkeit der Entwicklungszusammenarbeit unterstützen.

Welche Bedeutung hätte eine neue UNO-Konvention für Länder im Globalen Süden?

Das derzeitige Governance-System basiert im Wesentlichen auf Ungleichheit. Eine ausgewählte Gruppe reicher Länder trifft Entscheidungen, die erhebliche Auswirkungen auf Staaten haben, die nicht durch sie vertreten werden. Länder des Globalen Südens wiederum sitzen oft nicht mit am Tisch, wenn diese wichtigen Entscheidungen verhandelt werden.

Die Folgen dieser Nichtrepräsentation sind erheblich. Regeländerungen wie der ODA-Modernisierungsprozess des OECD-DAC hatten weitreichende Auswirkungen auf das ODA-Volumen und die ODA-Zuweisung. Beispielsweise floss weniger ODA in den Globalen Süden. Dies ist vor allem für die ärmsten Länder der Welt (Least Developed Countries, LDCs) besorgniserregend, die einen großen Teil ihrer externen Entwicklungsfinanzierung aus der ODA beziehen – teilweise bis zu 60% aller externen Mittel im Budget. Ihre ODA-Zuweisungen bleiben weiterhin hinter den vereinbarten Zielen zurück.

Das derzeitige System wird kritisiert, weil es die Einhaltung der Hilfszusagen, die den Ländern des Globalen Südens zugute kommen sollen, nicht sicherstellen kann. Insbesondere am Beispiel der jüngsten Einstellung der USAID-Mittel sehen wir, dass Menschen kurz- und langfristig von diesen Einschneidungen direkt betroffen sind. Ein Beispiel ist Malawi, das zu einem großen Anteil von USAID-Zahlungen im staatlichen Budget abhängig war. Jetzt kann das Land die Ausgaben für Bildung und Gesundheit nicht mehr stemmen. Gleichzeitig muss Malawi jedoch einen hohen Anteil aus dem staatlichen Budget für Schuldenrückzahlungen an den Globalen Norden aufbringen. Eine UNO-Konvention mit universeller Mitgliedschaft würde sicherstellen, dass die Länder des Globalen Südens einen Sitz am Verhandlungstisch haben und ihr Wissen zur Priorisierung der Wirkung der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen einbringen können. Sie spiegelt den dringenden Bedarf an einer besseren Vertretung des Globalen Südens innerhalb der globalen Finanzarchitektur wider.

Welche Auswirkungen hätte eine neue Verordnung oder eine UNO-Konvention?

Eine UNO-Konvention zur Entwicklungszusammenarbeit hätte wichtige Auswirkungen:

  • Sie würde einen einheitlichen und rechtsverbindlichen Rahmen für alle Verpflichtungen im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit schaffen, die dann mit höherer Wahrscheinlichkeit eingehalten werden würden.
  • Es würde alle Partnerländer – traditionelle und nicht-traditionelle – unter einem Dach vereinen und gemeinsamen Standards, Transparenzanforderungen und Rechenschaftsmechanismen unterwerfen. Dies würde gleiche Wettbewerbsbedingungen schaffen und die Rechenschaftspflicht nicht-traditioneller Geberländer verbessern.
  • Eine UNO-Konvention würde dazu beitragen, eine Verwässerung der Verpflichtungen zu verhindern. Sie würde sicherstellen, dass alle Regeländerungen die Legitimität und Zustimmung aller UN-Mitglieder haben.
  • Sie würde eine klare, allgemein akzeptierte Definition und ein eindeutiges Mandat für die Entwicklungszusammenarbeit schaffen und gewährleisten, dass die Mittel effektiv für die Entwicklungsziele der Empfängerländer eingesetzt werden.
  • Durch die Stärkung des multilateralen Systems und die Förderung von Reformen könnte die Konvention erhebliche Auswirkungen auf die Quantität und Qualität der Mittel haben, die die Länder des Südens erhalten.
  • Sie könnte die Ursachen für die mangelnde transformative Wirkung der ODA adressieren und dazu beitragen, die Legitimität und Glaubwürdigkeit der ODA-Statistiken wiederherzustellen.
  • Der Abschluss eines multilateralen Vertrags im Rahmen der Vereinten Nationen könnte zu einer hohen Akzeptanz der vereinbarten Verpflichtungen führen.

Letztlich zielt ein Übereinkommen im Rahmen der Vereinten Nationen darauf ab, die Steuerung der Entwicklungszusammenarbeit zu demokratisieren und sicherzustellen, dass sie fair und rechenschaftspflichtig ist. So kann sie die Entwicklungsprioritäten der Länder, denen sie dienen soll, wirksam unterstützen. Bei der vierten internationalen Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung Ende Juni in Sevilla werden diese Fragen diskutiert. Wir fordern gute Ansätze für Lösungen, die über politische Zugeständnisse hinaus eine positive Wirkung im Globalen Süden haben werden.

(kk, ab)


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