„Österreich befindet sich am richtigen Weg“ wird UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon in der aktuellen Ausgabe der „Weltnachrichten“ zitiert. Er zeige sich beindruckt vom österreichischen Engagement bei der Umsetzung der SDGs, berichtet die Publikation der ADA. Informationen darüber, wie Österreich die 2030 Agenda  umsetzen wird und welche konkreten Veränderungen die neue Agenda bringt, sind aber auch ein halbes Jahr nach deren Beschluss schwierig zu finden. Sucht man beispielsweise auf den Webseiten der beiden in Österreich zuständigen Ministerien (Bundeskanzleramt und Außenministerium) Informationen zur Umsetzung der 2030 Agenda, findet man kaum bis gar keine Hinweise auf die Existenz der Ziele, erst recht nicht zur Umsetzung.

Die im September 2015 von allen UN-Mitgliedstaaten beschlossene 2030 Agenda und die darin enthaltenen SDGs wurden mehrere Jahre von StaatenvertreterInnen vorbereitet, die Inhalte wurden teilweise hart verhandelt. Man müsste also davon ausgehen können, dass der Beschluss der neuen Agenda zahlreiche Veränderungen bringt und dass die politisch Verantwortlichen, welche die Agenda mitbeschlossen haben, ihre eigenen Beschlüsse bestmöglich umsetzen möchten. Deutschland hat zum Beispiel deutliche Erhöhungen der öffentlichen Entwicklungszusammenarbeit beschlossen und wird sich mit der Überarbeitung der Nachhaltigkeitsstrategie eine zentrale Umsetzungsstrategie schaffen. Die Koordination der Umsetzung liegt im Bundeskanzleramt, die Bundeskanzlerin äußerte sich bereits mehrfach zur Bedeutung der 2030 Agenda.

In Österreich ist bisher (scheinbar) keine übergeordnete Umsetzungsstrategie geplant, gemäß dem geltenden Ressortprinzip (jedes Ministerium ist für seine Bereiche zuständig) sollen allen Ministerien die 2030 Agenda „mainstreamen“, also in bestehende Strategien und Prozesse integrieren. Während in Deutschland ein Staatssekretär im Bundeskanzleramt sowie ein eigener Ausschuss sich mit der Umsetzung befassen, wurde in Österreich eine interministerielle Arbeitsgruppe ins Leben gerufen. Geleitet wird diese gemeinsam von BKA und BMEIA, unter besonderer Berücksichtigung von BMLFUW, BMASK und BMWFW und Miteinbeziehung aller anderen betroffenen Ressorts. Beschlossen wurde diese Konstruktion vom Ministerrat Anfang Jänner, also über drei Monate nach dem UN-Gipfel und dem Beschluss der Agenda (wobei die Inhalte schon lange davor feststanden). Der Ministerratsvortrag (also der formelle Beschluss im Ministerrat) ist nicht öffentlich zugänglich, die kolportierten Inhalte sind aber weitgehend in einem Fragebogen der UN-ECE zu finden.

Welche konkreten Aufgaben die neue Arbeitsgruppe erfüllt, inwieweit sie nur für Berichterstattung an die UN oder auch für Prioritätensetzung sorgen wird und wie es ihr gelingen wird das Ressortprinzip mit der Universalität und Interdependenz der Ziele zu vereinen wird sich in den kommenden Monaten und Jahren weisen. Bei den SDGs geht es nämlich nicht nur darum, einzelne Ziele zu erfüllen, sondern das große Ganze zu beachten: Welchen Einfluss haben konkrete Maßnahmen auf alle SDGs? Wie hängen nationale Politiken mit internationalen Herausforderungen zusammen (Stichwort Politikkohärenz im Interesse der Entwicklung)? Und wie kann man sicherstellen, dass wirklich niemand zurückgelassen wird („leave no one behind“ ist ein Grundsatz der neuen Agenda)?

Das neue Dreijahresprogramm der Österreichischen Entwicklungspolitik (2016-2018), welches gleichzeitig mit der 2030 Agenda in Kraft getreten ist, berücksichtigt die SDGs nur teilweise und punktuell. Wie die 2030 Agenda konkret – im Sinne eines gesamtstaatlichen Ansatzes und unter Berücksichtigung der Universalität und Unteilbarkeit der Ziele – von der Bundesregierung umgesetzt werden, findet keine besondere Erwähnung. Es werden hingegen die Prioritäten bei den Verhandlungen aufgelistet (S.7) jedoch nicht die tatsächlichen Schwerpunkte oder Aktivitäten der Österreichischen Entwicklungspolitik in Bezug auf die Umsetzung der 2030 Agenda.  Anstatt eine möglichst ganzheitliche und übergreifende Umsetzung zu planen, wird der Fokus auf wenige Themen angekündigt (hauptsächlich werden dabei die bisherigen Aktivitäten fortgeführt). Eine Prioritätensetzung erscheint in gewisser Weise natürlich sinnvoll, dennoch sollte die Universalität und die Interdependenz der Ziele verstärkt berücksichtigt werden. Ein Beispiel, wie es verabsäumt wurde, die 2030 Agenda durchgehend zu verankern, ist die beinahe vollständige Abwesenheit des Themas Ungleichheit (SDG 10). Das Wort Ungleichheit kommt nur einmal im gesamten Text vor (S.36), allerdings in einem regionalen Kontext und nicht als globales Problem. Während des Konsultationsprozesses haben NGOs vorgeschlagen, das Thema prominenter aufzunehmen. Die konkreten Textvorschläge dazu wurden von den Verantwortlichen aber nicht aufgenommen.

Bisherige Ankündigungen zur österreichischen Umsetzung der Agenda fokussieren also hauptsächlich darauf, wie man auf dem Bestehenden aufbaut („Stocktaking“ und „Mainstreaming“). Was allerdings auf diesem Fundament aufgebaut wird und welche Veränderungen die neue Agenda bringen wird, ist nach wie vor unklar. Im Sinne der angestrebten Partizipation der Zivilgesellschaft ersuchen die AG Globale Verantwortung und die KOO in einem Schreiben an die beiden Vorsitzenden der interministeriellen Arbeitsgruppe über den Diskussionsstand bei den einige Fragen zur Umsetzung Auskunft zu geben.

Links:
Lobbybrief „Umsetzung der 2030 Agenda und der SDGs durch Österreich“ (April 2016)
Gemeinsamer Brief von 95 NGOs an die Österreichische Bundesregierung: Die Umsetzung der 2030 Agenda und der UN-Ziele für Nachhaltige Entwicklung (Dezember 2015)

(jm)