Multiple Krisen machen deutlich: Es braucht ambitionierte Lieferkettengesetze

United States Mission Geneva / flickr.com

Beide Rechtsinstrumente sind von großer Bedeutung, um sicherzustellen, dass Unternehmen entlang ihrer Lieferketten Menschenrechte und Umweltstandards achten und somit einen effektiven Beitrag zur Erreichung der Agenda 2030 und der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung leisten.

Die internationale Arbeitsorganisation der UN (ILO) schätzt in einem neuen Bericht, dass im Jahr 2021 über 28 Millionen Menschen von Zwangsarbeit betroffen waren und stellt fest, dass diese Zahl seit 2017 deutlich zugenommen hat. Sie weist außerdem darauf hin, dass Kinderarbeit – unter anderem in Folge der COVID-19-Krise – ebenfalls ansteigt: 2021 mussten etwa 160 Mio. Kinder arbeiten, oft unter gefährlichen und ausbeuterischen Bedingungen. Die Nichtregierungsorganisation Global Witness wiederum berichtet, dass in den letzten zehn Jahren mehr als 1.700 Menschen ermordet wurden, die sich für den Schutz der Umwelt und den Zugang zu Land – zum Beispiel in Zusammenhang mit Landgrabbing – eingesetzt haben.

Diese dramatischen Zahlen zeigen, wie wichtig internationale, verbindliche Regeln sind, die Unternehmen dazu verpflichten, Risiken in ihren Lieferketten zu prüfen, Verletzungen von Menschenrechts- und Umweltstandards vorzubeugen, im Falle von Verletzungen diese zu beenden sowie Schäden wiedergutzumachen. Ebenso wichtig ist, dass Betroffene solcher Verletzungen Zugang zur Justiz haben, um ihre Rechte einzuklagen – unabhängig davon, in welchem Land ein Unternehmen, das zum Beispiel für eine Verletzung von Arbeitsrechten verantwortlich ist, seinen Sitz hat.

Verhandlungen über ein globales Lieferkettengesetz in Genf…

Als neu ernannter UN-Menschenrechtskommissar eröffnete der Österreicher Volker Türk die diesjährigen Verhandlungen in Genf, die fünf Tage (24. – 28.10.2022) andauern. Auch zivilgesellschaftliche Organisationen, darunter unsere Mitgliedsorganisationen Südwind und die Dreikönigsaktion der Katholischen Jungschar, sind vor Ort vertreten. Sie setzen sich dafür ein, dass sich Österreich und die EU engagiert in die Verhandlungen einbringen, damit diese vorankommen und eine verbindliche Regulierung von Unternehmen im Bereich der Menschenrechte auf globaler Ebene Realität wird. Sie stellen die Perspektive von Menschen am Beginn der Lieferketten im Globalen Süden in den Mittelpunkt, deren Rechte verletzt werden. Das sind zum Beispiel Näher*innen in der Textilindustrie oder Minenarbeiter*innen im Bergbau.

…und ein europäisches Lieferkettengesetz in Brüssel

Die Verhandlungen über ein europäisches Lieferkettengesetz, die sogenannte Richtlinie über gesellschaftsrechtliche Sorgfaltspflichten betreffend die Nachhaltigkeit, laufen derweil intensiv. Die österreichischen Ministerien für Justiz sowie für Arbeit und Wirtschaft konsultieren dazu regelmäßig die österreichische Zivilgesellschaft. Wir bringen gemeinsam mit dem zivilgesellschaftlichen Bündnis TNC Treaty Alliance unsere Anliegen für eine effektive Richtlinie ein. Denn aktuell sind noch viele entscheidende Fragen offen. Etwa: Für welche Unternehmen wird das neue Gesetz gelten? Laut Entwurf der Europäischen Kommission ist ein Schwellenwert (Anzahl der Mitarbeiter*innen sowie Umsatz) vorgesehen, wodurch vor allem große Unternehmen betroffen wären. Auch: Wie weit in der Lieferkette reichen die Sorgfaltspflichten? Welche Pflichten werden in Bezug auf (direkte) Zulieferer bestehen? Schließlich: Wie wird die Haftung ausgestaltet sein, wenn Unternehmen ihre Sorgfaltspflichten nicht wahrnehmen?

Unternehmen, die bereits Regeln nationaler Lieferkettengesetze (etwa von Frankreich oder Norwegen) einhalten müssen und sich auf das ab 2023 geltende deutsche Lieferkettengesetz vorbereiten, verfolgen den Prozess ebenfalls mit großem Interesse. Mehr als 100 Unternehmen haben sich im Februar dieses Jahres in einem offenen Brief für ein effektives EU-Gesetz ausgesprochen, denn sie sehen in dem Gesetz die Chance auf einen Paradigmenwechsel, um Menschen und unsere Erde besser zu schützen. Sie formulieren in ihrem Brief die Überzeugung, dass ein solches Gesetz Unternehmen darin unterstützen kann, resilienter und zukunftsorientierter zu werden. Denn die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, dass verantwortungsvoll handelnde Unternehmen, die ihre Wertschöpfungsketten resilienter und nachhaltiger gestalten, besser durch die Krise kamen. 

Es braucht ein globales und ein europäisches Lieferkettengesetz

Eine Gruppe zivilgesellschaftlicher Organisationen betont in einem Statement, dass sowohl das UN-Abkommen als auch die EU-Richtlinie von großer Bedeutung sind und dass keines der beiden Instrumente das andere ersetzen kann. Ganz im Gegenteil, sie können sich – auch aufgrund ihrer jeweiligen Schwerpunkte – gegenseitig stärken und im Zuge der Verhandlungen gegenseitig inspirieren.

Die aktuellen, multiplen Krisen könnten dazu führen, dass die Anzahl von Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, auf 860 Mio. ansteigt. Daher ist es von besonderer Bedeutung, Menschenrechte, Umwelt und Klima besser zu schützen. Denn wenn Menschen für unangemessene Löhne unter gesundheitsschädigenden Bedingungen arbeiten oder ihre Ernte aufgrund von klimabedingten Dürren oder Überschwemmungen ausbleibt, sind sie gefährdet, in die Armut zu rutschen. Ambitionierte Lieferkettengesetze können einen wichtigen Beitrag leisten: Sie können sicherstellen, dass Unternehmen Maßnahmen treffen, um entlang ihrer Lieferketten Menschenrechte und Umweltstandards zu achten. Sie können dafür sorgen, dass Betroffene zu ihrem Recht – zum Beispiel einer Entschädigung – kommen. So können sie einen effektiven Beitrag zur Erreichung der Agenda 2030 und der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung leisten.


Links

UN-Prozess:

EU-Prozess:

(sv)

The Sustainable Development Goals Report 2022

Screenshot des Covers des SDG Reports 2022
Screenshot der Titelseite des SDG Report 2022
© United Nations 2022

Unter Verwendung der neuesten verfügbaren Daten und Schätzungen bietet der SDG-Bericht 2022 einen Realitätscheck über die verheerenden Auswirkungen multipler Krisen, die das Leben und die Lebensgrundlagen der Menschen beeinträchtigen. Weil immer noch erhebliche Datenlücken darüber bestehen, inwiefern Staaten dazu beitragen, die Agenda 2030 und ihre 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs) zu erreichen, ist es schwer, Fortschritte genau zu fassen.

Die COVID-19-Pandemie erreicht mittlerweile das dritte Jahr, hinzu kam dieses Jahr der Krieg gegen die Ukraine, welcher Nahrungsmittel-, Energie und humanitäre Krisen verschärft. Und das alles geschiet vor dem Hintergrund der Klimakrise sowie steigender Armut und Ungleichheiten. Um noch verheerendere Auswirkungen der Klimakrise zu vermeiden, ist es wesentlich, das die weltweiten Treibhausemissionen – wie im Pariser Klimaabkommen festgehalten – bis 2030 um 43% zurückgehen und bis 2050 auf netto null sinken. Tatsächlich drohen die weltweiten Treibhausgasemissionen aufgrund schwacher nationaler Klimaschutzmaßnahmen, zu denen sie sich Staaten freiwillig verpflichtet haben, bis 2030 um fast 14% anzusteigen.

Entwicklungen und Tendenzen der einzelnen Ziele:

Ziel 1: Keine Armut

Vor der Pandemie waren die Armutsschätzungen sehr viel niedriger angesetzt als die jetzigen Schätzungen
© United Nations 2022

Die COVID-19-Pandemie hat die stetigen Fortschritte bei der Armutsbekämpfung der letzten 25 Jahre zunichtegemacht. Durch die Pandemie ist die Zahl der Menschen in extremer Armut erstmals seit einer Generation wieder angestiegen. Die Inflation und die Auswirkungen des Krieges gegen die Ukraine haben unter anderem steigende Lebensmittelpreise zur Folge und verschlimmern dadurch den Trend zusätzlich. Der Bericht hält fest, dass die Zahl extrem armer Menschen aufgrund multipler Krisen auf über 650 Millionen Menschen gestiegen ist. Auch die Erwerbsarmutsquote ist weiter angestiegen. Die Zahl derjenigen, die in Armut leben, obwohl sie in einem Arbeitsverhältnis sind, ist auf acht Millionen Menschen gestiegen. Die beiden Regionen mit den höchsten Erwerbsarmutsquoten (Subsahara-Afrika und Ozeanien (ohne Australien und Neuseeland)) haben in den letzten zwei Jahren den stärksten Anstieg verzeichnet.

Ziel 2: Kein Hunger

Aktuelle multiple Krisen, die von Konflikten und Kriegen über COVID-19-Pandemie und Klimakrise bis hin zu steigender Armut und Ungleichheiten reichen, untergraben die Ernährungssicherheit weltweit: So leidet aktuell einer von zehn Menschen an Hunger. Der besorgniserregendste Anstieg ist auch hier in Subsahara-Afrika zu beobachten, gefolgt von Zentral- und Südasien sowie Lateinamerika und der Karibik. 149,2 Millionen Kinder unter fünf Jahren leiden an Mangelernährung. Um die Unterentwicklung bei Kindern bis 2030 um 50% zu reduzieren, müsste sich die jährliche Rückgangsrate verdoppeln (von 2,1 auf 3,9% pro Jahr). Der Krieg gegen die Ukraine und die damit zusammenhängenden Krisen führen zu Nahrungsmittelengpässen für die ärmsten Menschen der Welt, denn die Ukraine und Russland sind große Exporteure wichtiger Nahrungs- und Düngemittel, Mineralien und Energie. Zusammen gelten sie als Kornkammern der Welt, vor dem Krieg produzierten sie 30% des Weizens, 20% des Mais sowie 80% des Sonnenblumensaatgutes auf der Welt.

Ziel 3: Gesundheit und Wohlergehen

Die COVID-19-Pandemie bedroht weiterhin jahrzehntelange Fortschritte der globalen Gesundheit. Bis Mitte 2020 waren weltweit bereits mehr als 500 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert und 15 Millionen Menschen starben bis Ende 2021. Es starben allein 115.500 Angestellte im Gesundheitswesen. Die Pandemie hat dazu geführt, dass wichtige Gesundheitsdienste weltweit unterbrochen (in 92% der Länder) und Fortschritte bei der Bekämpfung gegen HIV, Tuberkulose und Malaria zunichte gemacht wurden. Zum ersten Mal seit 2005 ist die Zahl der Tuberkulose-Todesfälle wieder gestiegen (von 1,2 Millionen im Jahr 2019 auf 1,3 Millionen im Folgejahr). Eine Folge der Pandemie ist auch die steigende Zahl von Menschen, die an Angstzuständen sowie Depressionen erkrankten. Die weltweite Lebenserwartung ist insgesamt gesunken.

Ziel 4: Hochwertige Bildung

Die COVID-19-Pandemie hat die globale Bildungsungleichheit weiter verschärft: 147 Millionen Kinder verpassten zwischen 2020 und 2021 mehr als die Hälfte ihres Unterrichts. 24 Millionen Lernende (von der Vorschule bis zur Universität) werden möglicherweise nie wieder zur Schule gehen. Tief verwurzelte Ungleichheiten im Bildungswesen haben sich während der Pandemie noch verschlimmert und längere Schulschließungen haben das Risiko erhöht, dass 24 Millionen Lernende (von der Vorschule bis zur Universität) nicht mehr in ihre Bildungseinrichtung zurückkehren. Die psychosoziale Unterstützung für Schüler*innen wird häufig komplett vernachlässigt.

Ziel 5: Geschlechtergerechtigkeit

Anteil von Frauen in Führungspositionen in verschiedenen Weltregionen im Jahr 2015 und 2020
© United Nations 2022

Gewalt gegen Frauen und Mädchen gibt es in jedem Land der Welt und trifft diese in allen Altersstufen: Weltweit ist mehr als jede vierte Frau (das sind 641 Millionen) mindestens einmal in ihrem Leben Opfer von Gewalt in der Partnerschaft geworden. Es gibt keine Daten über nicht-binäre, queere Geschlechtsidentitäten.
Frauen sind immer noch selten in Führungspositionen vertreten, sowohl im politischen als auch im wirtschaftlichen Bereich. Anfang 2022 liegt bspw. der Anteil von Frauen in nationalen Parlamenten bei 26,2% gegenüber 22,4% im Jahr 2015. Bei diesem Tempo dauert es weitere 40 Jahre, bis Frauen und Männer in nationalen Parlamenten gleich stark vertreten sind. In vielen Ländern der Welt können Frauen immer noch nicht über ihren eigenen Körper entscheiden. Lediglich 57% der Frauen zwischen 15 und 49 Jahren können selbstbestimmte Entscheidungen im Bezug auf sexuelle Beziehungen, Verwendung von Verhütungsmitteln und reproduktive Gesundheit treffen. Generell ist zu beobachten, dass die Welt nicht auf dem Weg ist, die Gleichstellung der Geschlechter bis 2030 zu erreichen. Die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie haben die Situation noch weiter verschlechtert.

Ziel 6: Sauberes Wasser und Sanitäranlagen

Gewässerbezogene Ökosysteme werden weiterhin in einem alarmierenden Tempo geschädigt. In den letzten 300 Jahren sind über 85% der weltweiten Feuchtgebiete verloren gegangen. Über 733 Millionen Menschen, das sind 10% der Weltbevölkerung, leben in Ländern mit hohen oder kritischem Wasserstress. Wasserstress ist eine Messgröße für Wasserknappheit und erfasst in welchem Ausmaß ein Land seine jährlich verfügbaren und erneuerbaren Wasservorkommen nutzt. Tendenziell gilt, dass Konflikte und Umweltschäden umso wahrscheinlicher auftreten, je höher der Anteil des genutzten Wasservorkommens ist.

Ziel 7: Bezahlbare und saubere Energie

Die bisherigen, schnellen Fortschritte bei der Elektrifizierung verlangsamen sich, weil es immer schwieriger wird, abgelegene Gebiete zu erreichen. Um globale Klimaziele zu erreichen, müssen die Fortschritte bei der Energieeffizienz beschleunigt werden. Internationale Finanzströme in Länder mit niedrigem Einkommen für erneuerbare Energien sind das zweite Jahr in Folge zurückgegangen.

Ziel 8: Menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum

Die Erholung der Weltwirtschaft wird durch multiple Krisen behindert, etwa durch den Krieg in der Ukraine, neue Wellen der COVID-19-Pandemie, steigende Inflation, unterbrochene Versorgungsketten, politische Unsicherheiten und Herausforderungen auf Arbeitsmärkten. Eines von zehn Kindern ist weltweit von Kinderarbeit betroffen; das entspricht 60 Millionen Kindern insgesamt (Stand: 2020). Kinderarbeit verstößt gegen Menschenrechte und ist darüber hinaus gesundheits- und sicherheitsgefährend. Zusätzliche wirtschaftliche Schocks und Schulschließungen wegen der COVID-19-Pandemie hatten noch längere Arbeitszeiten und schlechtere Arbeitsbedingungen zur Folge. Schätzungen zufolge könnten bis Ende 2022 weitere 9 Millionen Kinder in Kinderarbeit gedrängt werden.

Ziel 9: Industrie, Innovation und Infrastruktur

Die COVID-19-Pandemie hat gezeigt, wie wichtig technologische Innovation und widerstandsfähige Infrastruktur für den Wiederaufbau und die Verwirklichung der SDGs sind. Volkswirtschaften mit einem diversifizierten Industriesektor und einer starken Infrastruktur (z.B. Verkehr, Internetanbindung und Versorgungsdienste) erlitten weniger Schäden und erholen sich schneller. In den ärmsten Ländern der Welt (Least Developed Countries, LDC) verlief die Erholung schleppender. Industrien mit höherem Technologieniveau sind in Krisen weitaus widerstandsfähiger als ihre Pendants mit geringerem Technologieniveau. Industriezweige wie die Textil- oder Bekleidungs- oder die Kohleindustrie sind bislang unter dem Niveau vor der Pandemie zurück geblieben.

Ziel 10: Weniger Ungleichheiten

Einkommensungleichheiten sind aufgrund der Pandemie erstmals seit einer Generation länderübergreifend wieder angestiegen. Für Menschen auf der Flucht war das Jahr 2021 das tödlichste Jahr seit 2017: Mindestens 5.895 Menschen verloren 2021 ihr Leben auf der Flucht. Nicht nur der Krieg in der Ukraine trägt zur bereits hohen Zahl Schutzsuchender bei: Auch die Auswirkungen der Pandemie zwangen viele Menschen dazu, auf der Suche nach Sicherheit oder menschenwürdiger Arbeit ihre Heimat zu verlassen. Diskriminierung ist nach wie vor ein globales Problem: In etwa jeder fünfte Mensch erlebt Diskriminierung, das zeigen Daten aus 49 Ländern. In den Ländern, in denen entsprechende Daten verfügbar sind, erleben Frauen doppelt so häufig Diskriminierung wie Männer. Ein Drittel aller Menschen mit Behinderungen berichten, dass sie Diskriminierung erfahren haben.

„We must rise higher to rescue the Sustainable Development Goals – and stay true to our promise of a world of peace, dignity and prosperity on a healthy planet.“

António Guterres, Secretary-General of the United Nations

Ziel 11: nachhaltige Städte und Gemeinden

Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung lebt heute in Städten. Bis 2050 werden schätzungsweise sieben von zehn Menschen in städtischen Gebieten leben. Während Städte einerseits Motoren des Wirtschaftswachstums sind und zu 80% des globalen BIP beitragen, sind sie gleichzeitig auch für mehr als 70% der weltweiten Treibhausgasemissionen verantwortlich. Mittlerweile leben eine Milliarde Menschen auf der Welt in sogenannten „Slums“, also in überfüllten, ärmlichen oder informellen Unterkünften ohne angemessenem Zugang zu Trinkwasser, sanitären Einrichtungen sowie Verfügungsgewalt über Grund und Boden. Die Region mit dem höchsten Prozentsatz an Slumbewohner*innen ist Subsahara-Afrika, hier leben mehr als die Hälfte der Stadtbevölkerung in Slums. Um das der Agenda zugrundeliegende Prinzip Leave no one behind zu erreichen, muss der Fokus verstärkt auf Slumbewohner*innen gelenkt werden.

Ziel 12: Verantwortungsvolle Konsum und Produktionsmuster

Anteile der Lebensmittelverluste nach Regionen © United Nations 2022

Nicht-nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sind auch eine der Hauptursachen multipler Krisen. Die Klimakrise, der Verlust der Biodiversität sowie Umweltverschmutzung bedrohen das menschliche Wohlergehen und das Erreichen der SDGs. Wenn der vorherrschende, nicht nachhaltige Entwicklungspfad beibehalten wird, wird die Kapazität der Erde nicht ausreichen, um die Lebensgrundlagen heutiger und künftiger Generationen zu sichern. Beispielsweise gehen weltweit zu viele Lebensmittel verloren oder werden verschwendet. Lebensmittelverschwendung hat erhebliche ökologische, soziale und wirtschaftliche Folgen. Weggeschmissene Lebensmittel verursachen 8 – 10% der weltweiten Treibhausgasemissionen. In den Ländern Subsahara-Afrikas ist die Ernährungsunsicherheit am größten, aber gleichzeitig auch der Anteil der Lebensmittelverschwendung.

Ziel 13: Maßnahmen zum Klimaschutz

Der Bericht verdeutlicht, dass die Erde am Rande einer Klimakatastrophe steht und die Zeitfenster, um sie abzuwenden, sich immer schneller schließen. Der globale Temperaturanstieg hält unvermindert an und führt zu immer mehr Wetterextremen. Zunehmende Hitzewellen, Dürren und Überschwemmungen beeinträchtigen Menschen auf der ganzen Welt und verursachen potenziell irreversible Veränderungen in globalen Ökosystemen.

© United Nations 2022

Die energiebedingten CO2-Emissionen stiegen 2021 um 6% und damit auf den höchsten Stand aller Zeiten. Die Klimafinanzierung bleibt hinter den zugesagten 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr zurück. Im Jahr 2019 stellten die Industrieländer stattdessen lediglich 79,6 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung für Länder des Globalen Südens zur Verfügung.

„The scientific evidence is unequivocal: climate change is a threat to human well-being and the health of the planet. Any further delay in concerted global action will miss a brief and rapidly closing window to secure a livable future.“

IPCC-Report 2022 (Intergovernmental Panel on Climate Change)

Ziel 14: Leben unter Wasser

Das größte Ökosystem der Erde, der Ozean, ist stark gefährdet. Die zunehmende Versauerung bedroht das Leben im Meer und schränkt die Fähigkeit des Ozeans ein, die Klimakrise abzumildern. Der Ozean absorbiert etwa ein Viertel der weltweiten jährlichen CO₂-Emissionen. Plastikverschmutzung ist ein globales Problem: mehr als 17 Millionen Tonnen Plastik gelangten 2021 ins Meer. Prognosen zufolge wird sich die Menge bis 2040 verdoppeln oder verdreifachen, wenn keine Maßnahmen dagegen unternommen werden.

Ziel 15: Leben an Land

Gesunde Ökosysteme und die von ihnen getragene biologische Vielfalt sind eine Quelle für Nahrung, Wasser, Medizin, Unterkunft und andere materielle Güter. Menschliche Aktivitäten haben jedoch tiefgreifende Folgen: So werden jedes Jahr 10 Millionen Hektar Wald zerstört, das ist eine Fläche so groß wie Island. Fast 90% der weltweiten Entwaldung ist auf die Ausweitung der Landwirtschaft zurückzuführen. Weiterhin sind rund 40.000 Arten nachweislich in den nächsten Jahrzehnten vom Aussterben bedroht.

Ziel 16: Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen

Seit 1946 erlebt die Welt die größte Anzahl an gewaltsamen Konflikten. Damit lebt ein Viertel der Weltbevölkerung in konfliktbetroffenen Regionen. Im Mai 2022 galten 100 Millionen Menschen weltweit als gewaltsam vertrieben. Bewaffnete Konflikte zu beenden, Institutionen zu stärken und Menschenrechte einzuhalten sind notwendige Voraussetzungen für eine nachhaltige Entwicklung.

Ziel 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

Die Zusammensetzung der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (ODA) zwischen 2015 – 2021 © United Nations 2022

Die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen haben im letzten Jahr einen neuen Höchststand erreicht. Dies ist vor allem auf COVID-19 bezogene Hilfe zurückzuführen. Die vorläufigen Zahlen des Jahres 2021 lauten:

  • Die öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen (Official Development Aid, ODA) der OECD-Staaten erreichten 2021 mit voraussichtlich 177,6 Milliarden US-Dollar einen neuen Netto-Höchststand; im Vergleich zum Vorjahr stiegen sie um 3,3% an. Diese Summe entspricht 0,33% des Bruttonationaleinkommens (BNE) der Geberländer und erreicht das international vereinbarte Ziel von 0,7% des BNE noch nicht einmal zur Hälfte.
  • Rücküberweisungen (Remittances) betrugen 605 Milliarden US-Dollar, ein Plus von 8,6 % gegenüber 2020.

Viele Länder des Globalen Südens erholen sich nur mit viel Mühe von der Pandemie. Sie haben mit Inflation, hohen Zinssätzen und einer steigenden Schuldenlast zu kämpfen.

Empfehlungen der Vereinten Nationen

  1. Bewaffnete Konflikte müssen ein Ende nehmen. Denn dies ist eine Vorbedingung für nachhaltige Entwicklung. Denn Krieg bedeutet auch immer Verlust von Leben und Ressourcen.
  2. Es müssen kohlenstoffarme, widerstandsfähige und integrative Entwicklungspfade eingeschlagen werden.
  3. Umgestaltung der internationalen Finanz- und Schuldenarchitektur ist erforderlich, um die Ziele zu erreichen.

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United Nations Department of Economic and Social Affairs and Social Inclusion (2022): The Sustainable Development Goals Report 2022

(pk)

„It has never been more expensive to be poor“: Oxfam schätzt, dass 2022 zusätzlich eine Viertelmilliarde Menschen in extreme Armut rutschen

Screenshot der Titelseite der 2022 erschienenen Studie von Oxfam "Profiting from Pain"

Die wichtigsten Erkenntnisse auf einen Blick

  • Die COVID-19-Pandemie hat jahrzehntelange Fortschritte in der weltweiten Bekämpfung extremer Armut zunichtegemacht
  • Oxfam schätzt, dass im Jahr 2022 zusätzlich eine Viertelmilliarde Menschen (263 Mio.) in extreme Armut rutschen werden, womit die Gesamtzahl auf 860 Mio. Menschen steigen würde.
  • An Anteilen ihres Einkommens gemessen geben Menschen in einkommensschwachen Ländern doppelt so viel für Lebensmittel aus wie Menschen in reicheren Ländern.
  • Gleichzeitig hat die Pandemie mehr als 573 neue Milliardär*innen geschaffen: Während alle 30 Stunden eine Million Menschen in extreme Armut rutschen, kommt ein neuer Milliardär hinzu. 
  • In den ersten 24 Monaten der Pandemie ist das Vermögen von Milliardär*innen stärker gestiegen als in den letzten 23 Jahren zusammen.
  • Entsprach das Gesamtvermögen aller Milliardär*innen 2000 noch 4,4% des globalen BIP, hat es sich mittlerweile auf 13,9% im Jahr 2022 verdreifacht.
  • Die zehn reichsten Männer der Welt besitzen mehr Vermögen als die ärmsten 40%, also 3,1 Mrd. Menschen, zusammen.
  • Das Vermögen der reichsten 20 Milliardäre der Welt (19 Männer und eine Frau) ist höher als das BIP aller Länder Subsahara-Afrikas zusammengerechnet.
  • Um das Gleiche wie eine Person der reichsten 1% in einem einzigen Jahr zu verdienen, müsste eine der ärmsten 50% 112 Jahre lang arbeiten.
  • Oxfam fordert die Einführung von verschiedenen Vermögenssteuern.
Screenshot der Titelseite der 2022 erschienenen Studie von Oxfam "Profiting from Pain"
© Oxfam 2022

Für den Großteil der Menschheit hat die COVID-19-Pandemie negative Auswirkungen. Sie bedeutet Leid, Unsicherheit und höhere Kosten durch die Inflation. Doch für Milliardär*innen dieser Welt ist momentan eine extrem profitable Zeit. Die diesjährige Untersuchung von Oxfam zeigt, wie Unternehmen der Energie-, Lebensmittel- und Pharmabranche, in denen Monopole besonders verbreitet sind, seit Beginn der Pandemie extrem hohe Gewinne verbuchen. Der Reichtum der Milliardär*innen, die hinter diesen Unternehmen stehen, ist seither sprunghaft angestiegen. Die Zentralbanken pumpten mehrere Milliarden US-Dollar in Volkswirtschaften, um einen Wirtschaftszusammenbruch zu verhindern. Ein Nebenprodukt dieser finanziellen Unterstützung ist ein Vermögensanstieg von Superreichen. Denn die Geldpolitik trieb die Vermögenswerte in die Höhe und somit auch das Nettovermögen von Milliardär*innen.

So gibt es nach zwei Jahren Pandemie 573 neue Milliardär*innen, alle 30 Stunden überschreitet eine*r die Vermögensgrenze von einer Milliarde US-Dollar. Gleichzeitig rutschen für jede*n zusätzliche*n Milliardär*in ca. 1 Mio. Menschen in Armut ab. Das Gesamtvermögen der Milliardär*innen beläuft sich inzwischen auf 12,7 Billionen US-Dollar (= 12700 Milliarden), was 13,9% des weltweiten BIP entspricht – eine Verdreifachung gegenüber dem Jahr 2000, als der Anteil bei 4,4% lag.

Während Lebensmittel weltweit immer teurer werden (im Jahr 2021 um über 30%), steigt das durchschnittliche Einkommen nicht ausreichend an. Durch die hohe Inflation sinkt der Reallohn sogar teilweise. So stürzen die aktuellen Lebenshaltungskosten Hunderte Millionen Menschen in extreme Armut. Oxfam schätzt, dass im Jahr 2022 zusätzlich 263 Mio. Menschen in extreme Armut gedrängt werden könnten. Grund dafür ist weiterhin die COVID-19-Pandemie, aber auch damit zusammenhängende globale Ungleichheiten sowie steigende Lebensmittel- und der Energiepreise, die durch den Krieg gegen die Ukraine zusätzlich steigen.

Anteil des Einkommens, der für Lebensmittel ausgegeben wird in USA, Mosambik und
Peru © Oxfam 2022

Menschen in einkommensschwachen Ländern geben seit der Pandemie mehr als doppelt so viel ihres Einkommens für Lebensmittel aus wie Menschen in reicheren Ländern. Steigende Preise treffen arme Menschen finanziell also weitaus härter als reiche Menschen. Während Menschen in vielen Ländern des Globalen Nordens ca. 17% ihres Geldes für Lebensmittel ausgeben, sind es bspw. in Ländern südlich der Sahara 40%. Das Balkendiagramm bestätigt, dass auch Menschen innerhalb eines Landes unterschiedlich hohe Anteile ihres Einkommens für Lebensmittel ausgeben. “It has never been more expensive to be poor”, resümiert Oxfam.

Eine Folge von weltweit rekordhohen Lebensmittelpreisen seien unter anderem zunehmend soziale und politische Unruhen. Die UNO schätzt, dass mehr als 193 Mio. Menschen in 53 Ländern unter akutem Hunger leiden. Allein in Ostafrika seien bspw. 28 Mio. Menschen von Hunger bedroht. Grund dafür seien unter anderem die Folgen der Klimakrise, denn verlängerte Dürreperioden würden zu Hungersnöten und humanitären Krisen führen. Ein weiterer Vergleich zeigt, dass das Vermögen der reichsten 20 Milliardäre größer ist als das gesamte BIP afrikanischer Länder südlich der Sahara.

Die Pandemie der Ungleichheit

Seit Pandemiebeginn sind Ungleichheiten sprunghaft angestiegen, etwa in Bezug auf Vermögen, Einkommen, Geschlechtergerechtigkeit, Gesundheitsversorgung, aufgrund von Rassismus, aber auch Ungleichheiten zwischen Ländern. Einige Beispiele:

  • Vermögensungleichheit

Es gibt mittlerweile 2.668 Milliardäre auf der Welt (Stand: April 2022), das sind 573 mehr als noch im Jahr 2020. Die reichsten 10 Männer auf der Welt verfügen über mehr Vermögen als die ärmsten 40% zusammen. Elon Musk, der aktuell reichste unter ihnen, könnte theoretisch 99% seines Vermögens verlieren und würde trotzdem noch zu den Top 0,0001% der reichsten Menschen gehören. Sein Vermögen ist seit 2019 um 699% auf mehr als 219 Mrd. US-Dollar gestiegen.

  • Einkommensungleichheit

Wie bereits erwähnt, hat die Pandemie Einkommensungleichheiten massiv vergrößert. Das Einkommen von 99% der Menschheit ist aufgrund von COVID-19 gesunken. Im Jahr 2021 verzeichneten die ärmsten 40% den stärksten Einkommensrückgang.

  • Geschlechterungerechtigkeit

Auch die Ungleichheit zwischen den Geschlechtern ist durch COVID-19 größer geworden. Lautete die Prognose vor der Pandemie noch, dass es rund 100 Jahre dauern würde, bis sich das Lohngefälle schließt, sind es mittlerweile 136 Jahre. Weil Schließungen und Social Distancing vor allem jene Gewerbe betrafen, die stark weiblich geprägt sind (etwa Pflege, Gastgewerbe oder der Dienstleistungssektor), wurden seit 2020 Frauen unverhältnismäßig öfter aus ihrer Beschäftigung gedrängt.

  • Ungleichheit aufgrund von Rassismus

Überall auf der Welt trifft die Pandemie rassifizierte Personengruppen am stärksten. So sind beispielsweise Schwarze Menschen in den USA ihren Auswirkungen unverhältnismäßig stark ausgesetzt.

  • Gesundheitsversorgung

Gute Gesundheitsversorgung ist eigentlich ein Menschenrecht, jedoch können sich Menschen mit mehr Geld Zugang zu (besserer) medizinischer Versorgung leisten und führen statistisch betrachtet ein längeres und gesünderes Leben. Als COVID-19 ausbrach, hatten 52% der Afrikaner*innen keinen Zugang zu Gesundheitsversorgung. 83% hatten kein Sicherheitsnetz, auf das sie zurückgreifen konnten, als sie ihren Arbeitsplatz verloren oder krank wurden. Infolge der Pandemie sind in ärmeren Ländern viermal mehr Menschen gestorben als in reichen Ländern.

  • Ungleichheit zwischen Ländern

Vor der Pandemie hat sich die Ungleichheit zwischen reichen und ärmeren Ländern drei Jahrzehnte lang angeglichen. Die Pandemie hat diesen Trend nun vollständig umgedreht. Besonders besorgniserregend ist die enorme Schuldenlast, mit der viele Länder jetzt konfrontiert sind. Diese untergräbt jede Hoffnung auf einen Aufschwung und hindert sie daran, ihre Bevölkerung vor den steigenden Preisen zu schützen. Der Schuldendienst führt zu dramatischen Kürzungen und Einschnitten bei öffentlichen Dienstleistungen wie Gesundheit und Bildung. 60% der Länder mit niedrigem Einkommen stehen heute am Rande der Schuldenkrise.

Billionaires’ fortunes have not increased because they are now smarter or working harder. Workers are working harder, for less pay and in worse conditions. The super-rich have rigged the system with impunity for decades and they are now reaping the benefits. They have seized a shocking amount of the world’s wealth as a result of privatization and monopolies, gutting regulation and workers’ rights while stashing their cash in tax havens — all with the complicity of governments,”

Gabriela Bucher, Executive Director of Oxfam International

Welche Branchen profitieren am meisten von der Pandemie? 

Während es Milliarden Krisenverlierer*innen gibt, gibt es einige Branchen, die besonders stark von der Pandemie und der instabilen Lage profitieren. So sind es vor allem die Lebensmittelbranche, Gas- und Ölunternehmen, die Pharmaindustrie sowie der Technologiesektor, die ihre Gewinne vervielfachen konnten. 

Oxfam empfiehlt drei Steuern einzuführen: 

Nach Einschätzung der Oxfam-Autor*innen ist es für Länder des Globalen Südens vollkommen unmöglich, eigenständig die Rezession aufzuhalten und ihre Wirtschaft zu stärken. Daher fordern die Autor*innen fünf tiefgreifende Maßnahmen, um Ländern, die von extremer Armut bedroht sind, zu helfen:

  • Einführung einer befristeten Steuer auf Krisengewinne der größten Konzerne, um zu verhindern, dass Unternehmen von Krisen profitieren können. Oxfam schätzt, dass eine solche Steuer, die derzeit nur 32 multinationale Unternehmen beträfe, Einnahmen von rund 104 Mrd. US-Dollar generieren könnte.
  • Einführung einer einmaligen Solidaritätssteuer auf pandemische Gewinne von Milliardär*innen, um die Unterstützung von Menschen zu finanzieren, die mit steigenden Lebensmittel- und Energiekosten konfrontiert sind. Beispielsweise hat Argentinien eine einmalige Sonderabgabe eingeführt.
  • Einführung einer permanenten Vermögenssteuer, um extremen Reichtum, Monopolmacht sowie den übermäßigen Kohlenstoffemissionen der Superreichen einzudämmen. Eine jährliche Vermögenssteuer für Millionäre, die bei 2% beginnt, und bei 5% für Milliardäre endet, könnte 2,52 Billionen US-Dollar pro Jahr einbringen. Das wäre genug, um 2,3 Mrd. Menschen einen Weg aus der Armut zu ermöglichen, genügend Impfstoffe für die ganze Welt herzustellen und eine universelle Gesundheitsversorgung sowie sozialen Schutz für alle Menschen in Ländern niedrigen Einkommens (3,6 Mrd. Menschen) zu gewährleisten.

Links

(pk)

DAC CSO Reference Group veröffentlicht Empfehlungen für Privatsektorinstrumente & Sonderziehungsrechte

Briefpapier der AG Globale Verantwortung
Briefpapier der AG Globale Verantwortung
Globale Verantwortung

In der Sitzung des Development Assistance Committee (DAC), die vom 28. – 30. September stattfindet, wird über die Anrechenbarkeit von Sondererziehungsrechten für öffentliche Entwicklungsleistungen diskutiert. Die Unterzeichner*innen des Briefs sind besorgt über die Qualität und die Integrität der öffentlichen Entwicklungshilfeleistungen, die zunehmend den privaten Sektor unterstützten. Dies kann beispielsweise dazu führen, dass die Kernaufgabe der Entwicklungshilfeleistungen, die Beseitigung von Armut und Verringerung von Ungleichheiten, in Frage gestellt wird. Auch kann es zu einer Privatisierung oder Kommerzialisierung des Gesundheitswesens, der Bildung und der Wasserversorgung kommen, was negative Folgen hinsichtlich des öffentlichen Zugangs zu universellen Gütern bedeutet.


Link

Joint recommendations of the DAC CSO Reference Group (28.09.2022): Towards increased quality and integrity of ODA in the context of Private Sector Instruments and Special Drawing Rights

Sustainable Development Report 2022

Titelblatt des Sustainable Development Report 2022

Zentrale Ergebnisse des SDG-Reports:

  • Zum zweiten Mal in Folge konnten keine Fortschritte bei den SDGs erreicht werden: Der Weltdurchschnitt des SDG-Index ist wieder leicht gesunken.
  • Österreich ist im SDG-Ranking auf Platz 5 mit einem Score von 82,3 (von 100) und liegt damit hinter Finnland, Dänemark, Schweden und Norwegen. Im letzten Jahr (2021) war Österreich auf Platz 6 mit einem Score von 82,1.
  • Spillover-Score: Hier liegt Österreich mit einem Score von 59,40 auf Platz 151 von 163 und ist belegt damit einen der letzten Plätze. Im letzten Jahr war Österreich mit einem Score von 59,5 noch weiter hinten, auf Platz 154.
  • Handlungsempfehlungen: Es braucht dringend verpflichtende, gemeinsame globale Anstrengungen und Zusammenarbeit hinsichtlich der Finanzierung der Ziele.
  • Der Bericht schlägt einen Plan für die Finanzierung vor, welcher die Schlüsselrolle der G20-Staaten, des Internationalen Währungsfonds und der multinationalen Entwicklungsbanken unterstreicht.
Abbildung 1: Der SDG-Index-Score im Zeitverlauf. Zum zweiten Mal in Folge stagniert der Fortschritt bei der Umsetzung der SDGs. © Sustainable Development Report 2022

Der seit 2015 veröffentlichte SDG-Report liefert aktuelle Daten, um die Fortschritte aller UN-Mitgliedsstaaten zu verfolgen und zu bewerten. Der Bericht wird von unabhängigen Expert*innen des Netzwerkes Sustainable Development Solution Network (SDSN) verfasst, von der Cambridge University Press veröffentlicht und von der Bertelsmann Stiftung mitfinanziert.

Die derzeit gleichzeitig auftretenden, sich gegenseitig verstärkenden multiplen Krisen – etwa Konflikte und Kriege, Klimakrise, Gesundheitskrisen wie die COVID-19-Pandemie sowie steigende Armut sind ein großer Rückschlag für die nachhaltige Entwicklung weltweit. Dass der Weltdurchschnitt des SDG-Index das zweite Jahr in Folge leicht gesunken ist, ist vor allem auf die Auswirkungen der Pandemie auf SDG 1 (keine Armut), auf SDG 8 (menschenwürdige Arbeit und Wirtschaftswachstum) sowie auf die mangelhaften Ergebnisse bei SDG 11 bis 15 (Nachhaltige Städte und Gemeinden, nachhaltige/r Konsum und Produktion, Maßnahmen zum Klimaschutz, Leben unter Wasser, Leben an Land) zurückzuführen. Neben den massiven humanitären Kosten haben militärische Konflikte – wie der Krieg gegen die Ukraine – erhebliche internationale Auswirkungen auf die Ernährungssicherheit und die Energiepreise, die durch die Klima- und Biodiversitätskrisen noch verstärkt werden. Außerdem erschweren multiple Krisen langfristiges Planen und nachhaltige Investitionen. Daher ist eine intensive internationale Zusammenarbeit gefragt, um die SDGs noch erreichen zu können.

Österreichs Abschneiden

Österreich ist im Ländervergleich mit 82,3 von 100 Punkten auf Platz 5. Im vergangenen Jahr erreichte Österreich 82,1 Punkte und war damit auf Platz 6. Der Score hat sich also nur minimal verbessert. Insgesamt schneidet Österreich bei der Erreichung folgender SDGs schlecht ab:

Oesterreichs Abschneiden bei den SDGs 2022
Abbildung 2: Österreichs Abschneiden © Sustainable Development Report 2022
  • SDG 12: Verantwortungsvolle Konsum- und Produktionsmuster
  • SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz
  • SDG 17: Partnerschaften zur Erreichung der Ziele

Vor allem der Befund, dass Österreich bei Ziel 17 schlecht abschneidet, ist auffällig. Die AG Globale Verantwortung fordert schon lange von der Bundesregierung, das international vereinbarte Ziel, 0,7% des Bruttonationaleinkommens für öffentliche Entwicklungshilfeleistungen zur Verfügung zu stellen, einzuhalten. Denn Österreich hat im Jahr 2021 gerade einmal 0,31% aufgewendet. Das ist im Vergleich mit anderen Ländern in der EU sehr gering. Um die Entwicklungsziele zu erreichen, ist es unabdingbar, dass Österreich seine Finanzmittel erhöht und globale Partnerschaften stärkt.

Zum zweiten Mal dabei: der Spillover-Index

Zum zweiten Mal wurde neben dem SDG-Ranking der Spillover-Index gemessen. Dieser zeigt, wie reiche Länder negative sozioökonomische und ökologische Spillover-Effekte verursachen, die wiederum die Fähigkeit anderer Länder, die SDGs zu erreichen, untergraben. Spillover-Effekte entstehen vor allem durch übermäßigen Konsum im Globalen Norden sowie ausbeuterische Produktionsmuster und nicht-nachhaltige Handels- und Lieferketten.

Tendenziell haben Länder mit einem höheren Einkommen die größten negativen Spillover-Effekte. Das heißt, sie behindern andere Länder bei der Erreichung der SDGs.

Sustainable Development Report 2022

Die folgenden vier Kategorien von Spillover-Effekten erschweren das Erreichen der SDGs, wie in den Klammern ausgeführt, auf unterschiedliche Weise:

  • Ökologische und soziale Spillover-Effekte aufgrund globaler Handelsströme (z.B.: umweltschädliche Produktion durch hohe Konsumnachfrage)
  • Direkte grenzüberschreitende physische Ströme (z.B.: Luft- und Wasserverschmutzung über Landesgrenzen hinweg)
  • Internationale Wirtschafts- und Finanzströme (z.B.: unfairer Steuerwettbewerb, Korruption)
  • Friedenserhalt und Sicherheit (z.B.: Ausfuhr von Waffen und organisierte Kriminalität)
Der SDG Index im Vergleich zum Spillover Index
Abbildung 3: Der SDG-Index im Vergleich zum Spillover-Index: Während die Europäische Union und die OECD -Staaten relativ gut bei der Erfüllung der Nachhaltigkeitsziele abschneiden, behindern sie gleichzeitig andere Staaten bei der Erreichung dieser. © Sustainable Development Report 2022

Je höher die Punktezahl beim Spillover-Score ist, desto größer sind die negativen Auswirkungen auf andere Länder. So belegt beispielsweise Somalia mit einem Score von 99,97 den ersten Platz (nahezu keine Auswirkungen) und Singapur mit einem Score von 33,03 den letzten Platz (sehr hohe Auswirkungen auf andere Länder). Zu beachten ist jedoch, dass es bei einigen Ländern Ozeaniens oder Afrikas keine Daten gibt.

Auf EU-Ebene werden derzeit verschiedene Instrumente und Rechtsvorschriften erörtert, um internationale Spillover-Effekte im Zusammenhang mit dem europäischen Green New Deal anzugehen. Schweden hat als erstes Land seine Absicht, ein nationales Ziel zur Senkung der importierten CO2-Emissionen festzulegen, bekanntgegeben. Es gibt dazu vier Vorschläge, wie negative Spillover-Effekte eingedämmt werden können:

  • Aufstockung der Gelder für Entwicklung und Klimafinanzierung
  • Technische Zusammenarbeit und Diplomatie, um Ziele voranzutreiben
  • Verabschiedung nationaler Ziele und Instrumente, um negativen Spillover-Effekten direkt entgegenzuwirken oder sie zu verhindern
  • Rechenschaftspflicht, Daten und Statistiken zu stärken

Österreich im Spillover-Ranking

Während Österreichs SDG-Index vergleichsweise gut ist, schneidet Österreich im Spillover-Ranking sehr schlecht ab: Mit einem Wert von 59,40 (von 100) liegt Österreich auf Platz 151 von 163 und befindet sich somit auf den letzten Rängen. Im Vergleich zum vergangenen Jahr konnte sich Österreich lediglich minimal verbessern (Platz 154 mit einem Score von 59,5). Zurückzuführen ist das schlechte Abschneiden unter anderem auf einen übermäßigen, nicht-nachhaltigen Lebensstil und Konsumverhalten und den zugrundeliegenden Produktionsmustern. Die daraus folgenden sozialen und ökologischen Kosten werden oftmals in Ländern des Globalen Südens ausgelagert. Einige Beispiele, die zum Spillover-Score von Österreich beitragen, sind unter anderem:

Im Bereich ökologischer und sozialer Auswirkungen des Handels

  • Export von Plastikmüll
  • Stickstoffemissionen, die in Importen enthalten sind
  • Bedrohung der biologischen Vielfalt an Land und im Süßwasser durch Importe

Im Bereich Wirtschaft und Finanzen

  • Zu niedrige öffentliche Entwicklungshilfeleistungen
  • Negative Auswirkungen aufgrund des Finanz- und Bankengeheimnisses

Halbzeit der Agenda 2030

Seit der Verabschiedung der Agenda 2030 im Jahr 2015 sind bereits 7 Jahre vergangen. Bis 2030 sollen die Ziele erreicht werden, das bedeutet, es sind nur noch 8 Jahre Zeit. Zur Halbzeit der Agenda 2030 gibt es große Unterschiede in den politischen Bemühungen und Verpflichtungen für die SDGs. Unter den G20-Mitgliedsstaaten zeigen die Vereinigten Staaten, Brasilien und die Russische Föderation die geringste Unterstützung für die Agenda 2030 und die SDGs. Im Gegensatz dazu zeigen die nordischen Länder vergleichsweise hohe Anstrengungen für die SDGs, ebenso wie Argentinien, Deutschland, Japan und Mexiko.

Handlungsempfehlungen

Der Bericht empfiehlt folgendes: Die Fortschritte bei den SDGs müssen wieder hergestellt und beschleunigt werden, die Pandemie muss beendet werden und ein Ende des Krieges gegen die Ukraine, sowie andere, in Vergessenheit geratene Kriege und Konflikte müssen ausgehandelt werden. Für all diese Herausforderungen ist ein globaler Plan zur Finanzierung unabdingbar. Der vorgeschlagene 5-Punkte-Plan unterstreicht die Schlüsselrolle der G20-Staaten, des Internationalen Währungsfonds sowie der multilateralen Entwicklungsbanken bei der Ausweitung der SDG-Finanzierung auf globaler Ebene.

Weitere Befunde

Während der COVID-19-Pandemie sind neue Partnerschaften und Innovationen, beispielsweise im Bereich wissenschaftliche Zusammenarbeit und Daten, entstanden, die bei der Umsetzung der Agenda 2030 helfen können. Wissenschaft, technologische Innovationen und Informationssysteme können in Krisenzeiten helfen, Lösungen zu finden, und sie können entscheidende Beiträge zur Bewältigung der großen Herausforderungen unserer Zeit leisten. Hierfür muss verstärkt und langfristig in Forschung und Entwicklung sowie in Bildung investiert werden.


Links

(PK)

Antwortbrief ADA: Förderung von Einzelprojekten Süd und Ost

Bezugnehmend auf unseren Brief an die ADA, hier nun Antwortbrief der ADA zu

  • Verschiebung Einzelcall Süd und Ost: Grund waren fehlende Ressourcen, wird sobald Ressourcenengpass behoben, wieder zurückgenommen. Mögliche Finanzierungslücken sollen übernommen bzw. geschlossen werden (mittels Antrag)
  • Hohe Inflationsrate, Anhebung & Zwischenfinanzierung: Umwidmungsanträge möglich; Erhöhung Projektbudgets möglich, sofern Gelder in anderen Budgetlinien übrig bleiben

Download

Austrian Development Agency (06.07.2022): Antwortbrief betreffend Einzelprojekte Süd und Ost

Privatsektorinstrumente & Sonderziehungsrechte beeinflussen Qualität sowie Integrität öffentlicher Entwicklungshilfeleistungen

Briefpapier der AG Globale Verantwortung
Briefpapier der AG Globale Verantwortung
Globale Verantwortung

Jene Staaten, die Mitglied der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) sind, haben laut verfügbarer Zahlen ihre Ausgaben für Privatsektorinstrumente zwischen 2018 und 2021 von 2,5 auf 4,1 Mrd. US-Dollar erhöht. Das entspricht einem Plus von 39% innerhalb von vier Jahren.

Weil Staaten Privatsektorinstrumente in ihre öffentliche Entwicklungshilfeleistungen (Official Development Assistance, ODA) einrechnen, wendet sich die DAC CSO Reference Group mit mehreren Empfehlungen an das DAC: So braucht es Kriterien und Standards, um Privatsektorinstrumente als Teil der ODA zu regulieren. Involvierte Internationale Finanzinstitutionen und Entwicklungsbanken sollten ihre Portfolios transparent offenlegen. Darüber hinaus sollten Sonderziehungsrechte, die auf Länder niedrigen Einkommens umgebettet worden sind, nicht für die ODA anrechenbar sein.


Link

Joint recommendations of the DAC CSO Reference Group (27.06.2022): Towards increased quality and integrity of ODA in the context of Private Sector Instruments and Special Drawing Rights

Vorläufige ODA-Zahlen 2021: Österreich gab weniger als die Hälfte der versprochenen Summe für Entwicklung aus

Vorläufige ODA-Leistungen Österreichs 20212

Der OECD-Ausschuss für Entwicklungshilfe (Development Assistance Committee, DAC) hat Österreichs vorläufige ODA des Jahres 2021 auf Basis der aktuellen Grant-Equivalent-Berechnungsmethode3 mit 1.234 Mio. Euro berechnet. Die Nettoausschüttungen der ODA-Mittel („Total ODA Flows in net disbursement“) für Österreich liegen bei 1.254 Mio. Euro. Das stellt nur eine minimale Steigerung von 0,30% auf 0,31% im Vergleich zu 2020 dar, obwohl Länder des Globalen Südens insbesondere aufgrund der negativen Folgen der COVID-19-Pandemie sowie multipler Krisen (steigende Armut und Ungleichheiten, Klimakrise, und Kriege und Konflikte) viel mehr Mittel bräuchten, um ihre Bevölkerung zu unterstützen. 

Screenshot © OECD

Die Daten des OECD-DAC für die bilateralen und multilateralen Leistungen sind als Darstellung in der neuen Grant Equivalent Berechnungsmethode vorhanden:

  • Bilateral (auf Grant-Equivalent-Basis): 577 Mio. Euro – das sind 47% der Gesamten ODA
  • Multilateral (auf Grant-Equivalent-Basis): 657 Mio. Euro – das sind 53% der Gesamten ODA

Der Anstieg der Mittel im Jahr 2021 ist auf eine Erhöhung der Mittel der humanitären Hilfe, der aufgebrachten Mittel zur COVID-19-Pandemiebekämpfung und der Kosten für Geflüchtete zurückzuführen (die sich von 2,4 % auf 4,3 % (der Gesamt-ODA) erhöht haben).

  • Die Regierung hat den Betrag für humanitäre Hilfe von 50 Mio. Euro im Jahr 2020 auf 97 Mio. Euro im Jahr 2021 erhöht.
  • Die Mittel für die Bewältigung der negativen Folgen der COVID-19-Pandemie wurden auf 53 Mio. Euro aufgestockt, was für gefährdete Menschen lediglich ein Tropfen auf dem heißen Stein ist.
  • Die Mittel für die am wenigsten entwickelten Länder (Least Developed Countries, LDCs) stiegen auf 70 Mio. Euro, was nur 5,7 % der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe entspricht.
  • Obwohl einige afrikanische Länder südlich der Sahara zu den Schwerpunktländern der OEZA gehören, wurden für sie lediglich 78 Mio. Euro, das sind ca. 6,3 %, bereitgestellt.

Diese Daten zeigen, dass die Regierung nach wie vor den Großteil der ODA an Länder mit mittlerem Einkommen (Middle-Income Countries, MICs) vergibt (u.a. Türkei, Bosnien und Herzegowina, und Serbien) und die österreichische ODA somit nicht die Menschen erreicht, die es am dringendsten notwendig hätten.

Globale ODA Zahlen sowie Zahlen für EU Mitgliedsstaaten

Insgesamt verzeichnet die OECD einen globalen Anstieg der Entwicklungsleistungen um 4,4%  im Vergleich zum Vorjahr 2020. Die DAC-CSO Reference Group (eine Plattform zivilgesellschaftlicher Organisationen, die gemeinsam zu OECD DAC Themen arbeitet) weist in ihrer Stellungnahme4 darauf hin, dass sich im gleichen Zeitraum die Zahl der Menschen, die weltweit auf Humanitäre Hilfe angewiesen sind, mit 274 Mio. mehr als verdoppelt habe. Trotz der stark ansteigenden Armutszahlen sind diese Leistungen mit einer durchschnittlichen ODA Quote aller OECD DAC Mitgliedsstaaten von 0,33% des BNE aller DAC Länder für 2021 zu wenig, da diese im Vergleich zum Vorjahr 2020 unverändert blieben. Die Reference Group appelliert daher an die DAC-Mitgliedsstaaten, endlich das international vereinbarte 0,7-%-Ziel zu erfüllen und darüber hinaus 0,15% bis 0,2% ihres Bruttonationaleinkommens für die ärmsten Länder (LDCs) bereitzustellen.

Laut OECD ist der Anstieg größtenteils auf die Unterstützung der DAC-Mitglieder für COVID-19-Aktivitäten zurückzuführen, insbesondere in Form von Impfstoffspenden an andere Länder. Werden die Kosten für Impfstoffe ausgeklammert, stieg die ODA im Vergleich zu 2020 real jedoch nur um 0,6 %. Die öffentliche Entwicklungshilfe für COVID-19-Impfstoffspenden belief sich auf 6,3 Mrd. USD (bzw. 3,5 % der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe) und umfasste fast 857 Millionen Dosen für Länder des Globalen Südens. Davon entfielen 2,3 Mrd. US-Dollar (bzw. 1,3 % der gesamten öffentlichen Entwicklungshilfe) auf Spenden von Dosen, die über das inländische Angebot hinausgingen (in der Höhe von fast 357 Mio. Dosen), 3,5 Mrd. US-Dollar auf Spenden von Dosen, die speziell für Entwicklungsländer gekauft wurden, und 0,5 Mrd. US-Dollar auf Nebenkosten.

Im Ländervergleich ist festzustellen, dass nur folgende Länder das international vereinbarte Ziel von 0,7% des nationalen BNE erreicht oder übertroffen haben: Dänemark (0,70%), Deutschland (0,74%), Luxemburg (0,99%), Norwegen (0,93%) und Schweden (0,92%). Viele Geberländer außerhalb des OECD DAC haben eine lange Tradition in der Entwicklungszusammenarbeit. Unter ihnen übertraf beispielsweise die Türkei nach den vorläufigen Zahlen für 2021, mit 0,95% das ODA/BNE-Ziel von 0,7%.

In absoluten Zahlen zeigen die vorläufigen ODA Daten, dass die öffentliche Entwicklungshilfe für die neunzehn DAC-Mitgliedstaaten der EU im Vergleich zu 2020 um 4,2 % (81,3 Milliarden US-Dollar ) gestiegen ist. Die vorläufigen ODA Leistungen der Europäischen Union liegen trotz allem nur bei 0,49% des gemeinsamen BNE und bleiben unverändert im Vergleich zum Vorjahr. Laut des europäischen Dachverbands für entwicklungspolitische Nichtregierungsorganisationen CONCORD liegt die ODA Quote immer noch weit unter dem ODA-Ziel von 0,7 % – und das ist besonders alarmierend in einem Jahr, in dem die Auswirkungen der weltweiten Pandemie die jahrzehntelangen Fortschritte bei den meisten Indikatoren der Agenda 2030 sowie der 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung wieder zunichtemachen.


Abkürzungslegende

  • OECD (Organization for Economic Cooperation and Development): Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
  • BNE (Bruttonationaleinkommen): Summe der innerhalb eines Jahres von allen Bewohner*innen eines Staates (Staatsangehörige) erwirtschafteten Einkommen, unabhängig davon, ob diese im Inland oder im Ausland erzielt wurden.
  • DAC (Development Assistance Committee): Im Ausschuss für Entwicklungshilfe der OECD sind viele der größten Geberländer von Entwicklungshilfe vertreten, hier werden Fragen bezüglich der Entwicklungszusammenarbeit behandelt.
  • ODA (Official Development Assistance): Öffentliche Entwicklungshilfeleistungen
  • DAC CSO Reference Group (Development Assistance Committee Civil Society Organizations Reference Group): Plattform bestehend aus zivilgesellschaftlichen Organisationen, die gemeinsam an Themen des OECD DAC arbeiten.

Quellen

1 Die vorläufigen Zahlen werden im April veröffentlicht, diese werden bis Ende des Jahres noch finalisiert und upgedatet auf der OECD DAC Statistik Webseite veröffentlicht.

2 OECD DAC Presseaussendung: https://www.oecd.org/dac/covid-19-assistance-to-developing-countries-lifts-foreign-aid-in-2021-oecd.htm

3 Das Grant Equivalent dient dazu, Zuschüsse und Kredite vergleichbarer zu machen. Es beschreibt bei einem Kredit eine auf dem Gegenwartswert basierende Schätzung des über die Gesamtlaufzeit des Kredites kumulierten Geschenkanteils zum Zeitpunkt der Kreditauszahlung. Zitiert aus ADA ODA Bericht 2019. Siehe hier zur Erläuterung des Konzeptes des Grant Equivalent.

4 Statement der DAC-CSO Reference Group zu den vorläufigen ODA-Zahlen 2021: https://www.globaleverantwortung.at/it-is-time-to-invest-more-in-humanitarian-assistance-development-and-peace-a-cso-statement-on-oda-at-the-time-of-the-ukraine-crisis/

5 Statement von CONCORD zu den vorläufigen ODA-Zahlen 2021: https://www.globaleverantwortung.at/corcord-stellungnahme-vorlaeufige-oda-zahlen-2021/


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