Was wurde bei der Sondersitzung der Generalversammlung beschlossen?
Zunächst wird in der Abschlusserklärung Bilanz zu den Fortschritten der MDGs gezogen. Diese fällt (wie allgemein bekannt) gemischt aus: Während in vielen Bereichen und Regionen große Fortschritte erzielt wurden, müsse man sich vermehrt anstrengen um die MDGs bis 2015 zu erreichen. Die am meisten benachteiligten Menschen profitierten viel zu wenig von den MDGs, auch regional sind die Fortschritte ungleich verteilt. Eine kritische Analyse, warum einige Ziele nicht erreicht werden, sucht man vergebens.

Einer der wichtigsten Punkte im Abschlussdokument ist, dass der Rio+20 Prozess, also die Schaffung von Sustainable Development Goals (SDGs), mit dem Post-MDG Prozess zusammengeführt werden soll. Der Entschluss ist zwar zu begrüßen, kam aber keineswegs überraschend – die Schaffung von zwei ähnlichen, aber dennoch verschiedenen Rahmenwerken wäre kaum nachvollziehbar. Ansonsten bietet das 3-seitige Dokument nur wenig Neues: Die neue Agenda soll auf der Millenniumdeklaration, der Abschlusserklärung der Rio+20 Konferenz, dem Monterrey-Konsenus, der Doha-Deklaration sowie den Resultaten aller wichtigen UN-Konferenzen und Gipfel in wirtschaftlichen, sozialen und Umweltbereichen aufbauen.

Die Bereiche, die eine neue Agenda abdecken soll, werden nur kurz umrissen. Armutsbekämpfung soll als zentraler Imperativ beibehalten werden. Die drei Dimensionen von Nachhaltigkeit (soziale, ökologische und ökonomische) sollen eine Rolle spielen. Als neue Punkte sollen Friede und Sicherheit, demokratische Regierungsführung, Einhaltung der Rechtsordnung sowie die Achtung der Menschenrechte für alle berücksichtigt werden. Besonders letzterer Punkt gilt als besonders heikel in den multilateralen Verhandlungen. Das Fehlen des Bezugs auf Menschenrechte ist einer der größten Schwachpunkte der MDGs. Dass ein menschenrechtsbasierter Ansatz die Grundlage für einen neuen Rahmen bilden muss, ist daher eine Kernforderung vieler zivilgesellschaftlicher Organisationen. In dieser Hinsicht kann man folgenden Satz der Erklärung als wichtigen Erfolg ansehen: „We reaffirm the importance of promoting human rights, good governance, the rule of law, transparency and accountablity at all levels“. Hier werden nicht nur Menschenrechte angesprochen, sondern auch Rechenschaftspflichten (accountability) auf allen Ebenen gefordert – ebenfalls ein Schwachpunkt der MDGs und ein heißes Verhandlungsthema bei der neuen Agenda.

Was bedeutet das Ergebnis für den weiteren Prozess bis 2015?
Offiziell sollen die Verhandlungen über die Inhalte der neuen Agenda bei der nächsten UNO-Generalversammlung im September 2014 beginnen. Bis dahin sollen alle bisherigen Arbeitsgruppen ihre Endberichte fertiggestellt haben. Der bisher bedeutendste Bericht zur Post-2015 Agenda stammt vom „High Level Panel of Eminent Persons“. Nun werden bis zur Generalversammlung 2014 noch die Berichte der “Open Working Group on Sustainable Development Goals” sowie die „Intergovernmental committee of experts on Sustainable Development Finance“  erwartet. Diese und noch weitere Berichte sollen die Basis für den Beginn der offiziellen Verhandlungen im September 2014 bilden.

Die wirklich spannenden Debatten stehen also noch bevor, besonders wenn es darum geht, wer wie viel zur Erreichung der neuen Ziele beitragen kann, soll oder muss. Bei den edlen Absichten ist es leicht Einigkeit zu erzielen. Gibt es z.B. jemanden der nicht dafür ist „die Menschheit von Armut und Hunger zu befreien“? Die unangenehmen Fragen wurden bisher noch nicht gestellt: Wer ist zuständig für das Erreichen der Ziele? Wer leistet welchen Beitrag? Sind die Ziele wieder auf freiwilliger Basis? Werden die Ziele über kurzfristige, nationalstaatliche Eigeninteressen gestellt? Gibt es ökologische Nachhaltigkeit ohne Einschnitte? Welche Verantwortungen werden der Privatwirtschaft übertragen und wird es globale Rechenschaftspflichten für den Privatsektor geben? Welche Rolle werden Menschenrechte und deren Durchsetzung spielen? Wer wird bereit sein nicht nur Lippenbekenntnisse zu machen, sondern tatsächlich für ambitionierte Ziele einzutreten?

Interessant werden auch die Diskussionen sein, wenn über die Universalität der Ziele gesprochen wird. Die MDGs waren von einer Geber-Nehmer Struktur geprägt. Vereinfacht ausgedrückt: die einen zahlen und schaffen an, die anderen müssen die Umsetzung bewerkstelligen. Nun soll es universelle, auf alle anwendbare Ziele geben. Wenn es dann z.B. globale Armutsziele gibt, müssten auch die EU-Staaten ihre Armutsraten senken.

Aus zivilgesellschaftlicher Sicht ist vor allem wichtig, die strukturellen Ursachen von Armut, Hunger und Ungerechtigkeit weltweit zu bekämpfen. Schnelle, einfache Lösungen die nur der Symptombekämpfung dienen sind nicht nachhaltig. Die bisher gezeigten Ambitionen der Regierungen geben nicht unbedingt Hoffnung in diese Richtung. Neva Frenchville, Vorsitzende des Beyond-2015 Netzwerks analysiert das Ergebnis den bisherigen Prozess folgendermaßen: „Governments need to start listening to the people and to raise the level of ambition in or der to ensure that no – one is left behind. Civil society around the world will not accept a framework which does not deal with the structural causes of poverty and injustice. The global community gets one chance for deep thought every twenty years and this is it!“ Ein entsprechendes Positionspapier wurde vom Beyond-2015 Netzwerk vergangenen Mai präsentiert. Ein gemeinsames Positionspapier österreichischer NRO geht in eine ähnliche Richtung.

Wie bringt sich Österreich in den Prozess ein?
Bei der Generalversammlung war Bundespräsident Heinz Fischer österreichischer Delegationsleiter, seine Rede vor der Generalversammlung ist hier zu finden. Der Außenminister war auf Grund des Wahlkampfs verhindert. Die offizielle österreichische Position zur Post-2015 Agenda ist nach wie vor unklar. Während man auf EU-Ebene Ratsschlussfolgerungen mitbeschlossen hat, die den Anspruch an ein neues Rahmenwerk auf mehreren Seiten – wenn auch eher oberflächlich – umreißen, informiert Staatssekretär Lopatka nur via Presseaussendungen über Österreichs „großes Engagement“ und die österreichischen Anliegen: „Zu den österreichischen Anliegen, die in die Abschlusserklärung Eingang fanden, zählen u.a. die Forderung nach einem einheitlichen Zielekatalog im Rahmen der Post-2015-Agenda sowie die besondere Berücksichtigung von Frieden und Sicherheit, demokratischer Regierungsführung, Rechtsstaatlichkeit, Geschlechtergerechtigkeit, Menschenrechten und des Schicksals der Ärmsten der Armen.“ Transparente Informationen zu österreichischen Anliegen, Prioritäten und Schwerpunkten liegen bis dato keine vor. Einen konkreten Plan zur Einbindung der zivilgesellschaftlichen Organisationen gibt es ebenfalls nicht. Trotz der Aussage des Staatssekretärs von März 2013, Österreich habe eine „Vorreiterrolle in Europa, wenn es um Einbindung der Zivilgesellschaft bei der Ausarbeitung der sogenannten Nachhaltigen Entwicklungsziele geht“ sind in den vergangenen Monaten kaum konkrete Schritte gefolgt.

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(jm)