60 Nationale Konsultationen als Basis

Grundlage für die acht vorgestellten Prinzipien waren die Vorschläge aus rund 60 Nationalen Konsultationen, die weltweit abgehalten wurden. Auch in Österreich fand im Juni eine solche Konsultation österreichischer NRO statt. Insgesamt wurde also im Rahmen des Open Forum der Versuch unternommen, die Meinungen und Positionen von rund 2000 zivilgesellschaftlichen Organisationen – so viele Organisationen beteiligten sich an den Nationalen Konsultationen weltweit – zu einem „global framework on principles“ zusammen zu fassen. Mit gutem Recht darf man die „Istanbul Principles“ also als „global excercise in plagiarism“, wie einer der Verfasser es tat, bezeichnen.

Die anwesenden VertreterInnen von zivilgesellschaftlichen Organisationen aus über 60 Ländern – für die AG Globale Verantwortung nahm die Koordinatorin des Projektes „CSO Development Effectiveness in Österreich 2009/10“ Melanie Ossberger an der Veranstaltung teil – stellten sicher, dass die jeweiligen nationalen Ergebnisse auch wirklich Eingang in das Opus Magnum fanden. Einige spannende Diskussionen, kontroversielle Einwürfe, inhaltliche Ergänzungen und sprachliche Verfeinerungen später und getragen von der Erkenntnis, dass es sich bei den „Istanbul Principles“ um keine „one-size-fits-all“-Methode, sondern um ein generelles Rahmenwerk handelt, dessen Implementierung divers und abhängig von Ländern und Situationen ausfallen darf/wird, einigten sich die rund 210 TeilnehmerInnen auf folgende acht Prinzipien:

CSO are effective as development actors when they…
1. respect and promote human rights and social justice
2. embody gender equality and equity while promoting women and girl’s rights
3. focus on people’s empowerment, democratic ownership and participation
4. promote environmental sustainability
5. practice transparency and accountability
6. pursue equitable partnerships and solidarity
7. create and share knowledge and commit to mutual learning
8. commit to realizing positive sustainable change (outcomes and impact)

Die Prinzipien sind mit erklärenden Texten versehen. Die Präambel bezieht sich sowohl auf die Diversität der AkteurInnen (Advocacy, Projektimplementierung, Humanitäre Hilfe) als auch auf die unterschiedlichen Bedürfnisse der „EmpfängerInnen“. Den Abschluss bildet das Bekenntnis der NGO, ihre eigene Wirksamkeit zu verbessern – im Rahmen der gegebenen Möglichkeiten.

Rahmenbedingungen für wirksame NRO-Arbeit einfordern

Denn schließlich sind Regierungen im Norden und Süden maßgeblich dafür verantwortlich, jene Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den EZA-AkteurInnen ermöglicht, wirksame Arbeit zu leisten. Die Beschäftigung mit „Enabling Environment“ war demnach auch Teil der Generalversammlung. Das Einhalten von Mindeststandards – als fundamentale Basis dürfen das Recht auf Versammlung und Meinungsfreiheit angesehen werden – ist Grundvoraussetzung der NGO-Arbeit. Ohne „Enabling Environment“ bleiben die erarbeiteten Prinzipien rein rhetorischer Natur, darüber waren sich die Teilnehmenden einig.

Die Regierungen sehen das offiziell ähnlich und haben sich bereits in der Accra Agenda for Action zu einem “multistakeholder effort to reach effective development” bekannt. Demnach sind sie in hohem Maße daran interessiert „to ensure CSO contributions to development reach their full potential“ (AAA, Paragraph 20). Und tatsächlich waren auch rund 20 RegierungsvertreterInnen aus Geber- und Empfängerländern anwesend, um die präsentierten Prinzipien in Augenschein zu nehmen.

Weitere Schritte: Indikatoren und Mechanismen zur Implementierung

Es war das erste Mal, dass zivilgesellschaftliche Organisationen auf derart breiter Basis zusammentrafen und über ihren Beitrag zu wirksamer EZA reflektierten. Nicht aber das letzte Mal: In einem nächsten Schritt sollen Indikatoren und Mechanismen identifiziert werden, die eine Implementierung der Prinzipien ermöglichen. Bei einer 2. Generalversammlung des Open Forum im ersten Halbjahr 2011 sollen diese Vorschläge bestätigt werden, um bis zum OECD-High Level Forum in Dezember 2011 in Busan/Süd-Korea, bei dem die Weichen für die künftige EZA-Architektur gestellt werden, ein umfassendes und relevantes Dokument in Händen zu haben.

Die Zukunft wird die tatsächliche Tragweite der „Istanbul Principles“ offenbaren, schon jetzt darf aber der Fakt, eine globale Position zu wirksamer EZA auf Basis derart breiter Partizipation produziert zu haben, positiv gewertet werden. Das Dokument zeugt von einem – scheinbar allen zivilgesellschaftlichen Organisationen – gemeinsamen Verständnis von wirksamer EZA, die auf Menschenrechten und Gendergerechtigkeit basiert. Zuversichtlich stimmt auch, dass bei der Generalversammlung die VertreterInnen der Regierungen zahlreich Bezug auf die „Istanbul Principles“ nahmen. So haben Regierungen und NRO eine gemeinsame Sprache gefunden … mit dem Unterschied, dass sie dieses Mal nicht von Regierungsseite vorgegeben war.

Melanie Ossberger