Der zehnte CONCORD Aidwatch Report trägt den Titel „Looking to the future, don’t forget the past – aid beyond 2015“. Mit Hilfe der nationalen NGO-Plattformen – darunter auch die AG Globale Verantwortung – werden Daten von allen EU-Mitgliedstaaten gesammelt, um zu überprüfen, inwieweit sie ihre Zusagen zu 0,7% einhalten und wie viel „Phantomhilfe“ mit einberechnet wird. Zudem befindet sich im ersten Teil des Berichts eine Analyse der EU-ODA aus der Perspektive des Globalen Südens, Empfehlungen, wie die Ergebnisse der Konferenz für Entwicklungsfinanzierung in Addis Abeba bestmöglich für Armutsbekämpfung eingesetzt werden können, sowie ein Ausblick auf eine von der OECD angedachte zusätzliche Messgröße mit dem Akronym „TOSSD“ (Total official support for sustainable development).

Bei der Analyse der ODA-Zahlen wird im Bericht mittels der „Inflated Aid Methodology“ deutlich gemacht, welcher Anteil der ODA Phantomhilfe („Inflated Aid“) und daher nicht entwicklungsrelevant ist. Die Anrechnung dieser Mittel ist möglich, da die Geberstaaten im Development Assistance Committee (DAC) der OECD, welches für die statistische Berechnung der ODA zuständig ist, selbst über die Definition bestimmen können. Dennoch gibt es auch zahlreiche EU-Staaten, die diese statistischen Tricks nicht anwenden und die Phantomhilfe nicht in ihre ODA einrechnen. In Österreich liegt der Anteil an „Phantomhilfe“ in der bilateralen ODA bei 64,4% – nur Malta und Griechenland liegen noch darüber. Dies beweist vor allen zwei Dinge: Erstens, dass Österreich jegliche (erlaubten) budgetären Tricks ausnützt, um die ODA-Bilanz zu schönen, und zweitens, dass das Budget der tatsächlichen operationellen Maßnahmen (also vor allem das ADA-Budget) viel zu niedrig ist.

Folgende Bereiche sind laut CONCORD-AidWatch „Inflated Aid“:

Indirekte Kosten für Studierende aus ODA-Empfängerländern: Momentan stehen auf der Liste der ODA-Empfängerländer des DAC 146 Staaten. Die indirekten Studienplatzkosten für alle Studierenden mit einer dieser Staatsangehörigkeiten (darunter befinden sich u.a. die Türkei, Bosnien und Herzegowina sowie Serbien) können in die ODA eingerechnet werden. Die ODA beinhaltet daher jene Leistungen, die Studierende aus Entwicklungsländern rein rechnerisch an Kosten für Universitäten und Hochschulen verursachen. Ob Entwicklungsländer von dieser statistischen Maßnahme profitieren, wird dabei völlig außer Acht gelassen. Österreich berechnete 2014 für die indirekten Studienplatzkosten 79 Millionen Euro, also deutlich mehr als das gesamte Budget für operationelle Maßnahmen der ADA.

Ausgaben für Flüchtlinge in Österreich: Laut OECD-DAC dürfen die Kosten für Flüchtlinge und AsylwerberInnen, die in den ersten zwölf Monaten ihres Aufenthalts anfallen, in die ODA eingerechnet werden. Der entwicklungspolitische Mehrwert dieser Ausgaben wird von NGO-Seite stark bezweifelt. In Österreich ist diese Einrechnung zusätzlich zu hinterfragen, da hier AsylwerberInnen rechtlich weitgehend vom Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden und erst dadurch auf die staatliche Grundversorgung angewiesen sind. Durch die Einrechnung der Kosten für AsylwerberInnen konnte Österreich seine ODA 2013 um 48 Millionen Euro steigern (Zahlen für 2014 nicht verfügbar).

Auf Grund der aktuellen Flüchtlingssituation in Österreich ist mit einem signifikanten Anstieg der ODA zu rechnen. In einer aktuellen Studie schätzt die ÖFSE, dass bis zu 500 Mio. Euro an Flüchtlingskosten 2015 in die ODA einberechnet werden könnten – dies entspräche einem sprunghaften Anstieg der ODA auf über 0,4% des BNE. Österreich wäre damit das mit Abstand größte Empfängerland seiner eigenen „Entwicklungshilfe“ – ein plausibles Szenario, welches die Notwendigkeit einer Reform der ODA unterstreicht.

Entschuldungsmaßnahmen: Obwohl Entschuldungen zweifelsohne von höchster Dringlichkeit für Entwicklungsländer sind, sollten diese nach Ansicht der NGOs nicht in die ODA einberechnet werden. Erstens handelt es sich dabei nicht um direkte budgetäre Aufwendungen für EZA. Zweitens entsprechen die hier einberechneten Gelder keinerlei den tatsächlich angefallenen Kosten, da die exorbitant hohen Summen oft erst durch Zinsen und Zinseszinsen zu Stande kommen. Außerdem wird nicht darauf geachtet, ob die Kredite überhaupt für entwicklungsrelevante Ausgaben aufgenommen wurden. Oft sind hohe Verschuldungen das Resultat staatlicher Garantien für Exportgeschäfte. So belaufen sich beispielsweise die Schulden des Sudan gegenüber Österreich auf 1,66 Milliarden Euro (2010), also fast das Doppelte der gesamten ODA. Entstanden sind diese Schulden in den 1970er Jahren aus bundesgarantierten Exportgeschäften im Rahmen des Ausfuhrförderungsgesetzes – ursprünglich waren es etwa 200 Millionen Euro, die sich über die Jahre durch hohe Zinsen vermehrt haben. Die Entschuldungsmaßnahmen Österreichs beliefen sich 2014 auf 82 Millionen Euro.

Gebundene Hilfe: Als Tied Aid bezeichnet man jene Mittel, die an Konditionalitäten bei der Beschaffung von Gütern und Dienstleistungen gebunden sind. Die Restriktionen bei der Beschaffung beschränken die Eigenverantwortung der Entwicklungsländer und verringern die Wirksamkeit sowie die Effizienz der Maßnahmen, wenn diese nicht in Entwicklungsländern, sondern oft teurer in den jeweiligen Geberländern erfolgt. AidWatch schätzt, dass durch ineffiziente Tied Aid die österreichische ODA 2014 um 60,8 Millionen Euro teurer wurde.

Die Inhalte der österreichischen Länderseite wurden gemeinsam von der AG Globale Verantwortung, der KOO und der ÖFSE erstellt.

Links:
Der AidWatch Report zum Download
Presseaussendung von CONCORD

(jm)